Film über den Feldmarschall im TV Erwin Rommel — Hitlers General

Düsseldorf · Großer Filmabend an diesem Donnerstag im Ersten. Sehenswert. Lehrreich. Einige werden, so wie es der Vater des unvergessenen Joachim Fest tat, sobald der Sohn und Hitler-Biograf einen neuen Teil seines publizistisch-historischen Lebensprojekts beleuchtete, aufstöhnen: "Nicht schon wieder dieses Gossenthema, nicht schon wieder Adolf Nazi und die Seinen!" Doch Fest ließ sich nie beirren und die Filmemacher um Regisseur Niki Stein ebensowenig. Also dann, ab 20.15 Uhr: "Rommel".

Szenen aus dem Film "Rommel"
9 Bilder

Szenen aus dem Film "Rommel"

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Es ist der 14. Oktober 1944, im Haus von Feldmarschall Erwin Rommel in Herrlingen bei Ulm. Adolf Hitlers Lieblingssoldat bekommt den "Schierlingsbecher" gereicht, den ihm der Führer von zwei grimmig guckenden Nazi-Offizieren hat überbringen lassen. Absolut tödlich. Es geht schnell zu Ende. Die beiden Ledermantel-Typen im Generalsrang beherrschen den zackigen Hitlergruß so perfekt wie den galanten Handkuss für Rommels ahnungsvoll guckende Gemahlin Lucie.

Nein, die "Herren" aus Berlin wollen nicht zum Mittagessen bleiben, wozu sie Frau Rommel schüchtern fragend gebeten hatte. Die Überbringer der schrecklichen Doppelbotschaft Hitlers möchten es kurz machen — entweder Selbsttötung sofort oder erniedrigender Schauprozess plus Sippenhaft für Rommels Familienangehörige. Sie haben für den populärsten General des "Dritten Reiches", den Hitler drei Monate nach Stauffenbergs missglücktem Attentat vom 20. Juli 1944 für einen Beteiligten hält, eine Giftampulle dabei. Der Generalfeldmarschall entscheidet sich für den Suizid. Eine halbe Stunde später ist Lucie Rommel Witwe und Filius Manfred (14 Jahre jung) Halbwaise.

Rommels rechte Hand ist noch nicht wiederhergestellt nach einer schweren Kriegsverletzung durch feindliches Feuer an der Westfront. Sonst hätte er als Soldat wohl die Pistole gegen sich gerichtet. So beißt er vor den Toren Herrlingens auf die Zyankali-Kapsel.

Rommel vergötterte Hitler lange

Der Film berichtet sodann von einer Trauer- und Staatsbegräbnis-Farce, die sich heuchlerischer kaum denken lässt. Hitler, wieder einmal Schreibtischtäter, kommt nicht selbst zum Staatsakt nach Ulm, er lässt dort zelebrieren und den von ihm in den Selbstmord Gezwungenen noch einmal zu Propagandazwecken in den höchsten Tönen loben.

Dieser Teufel Hitler, den Rommel lange (zu lange) vergöttert hat (der Frankreich-Blitzkrieg-Divisionskommandeur 1940 zu seiner Frau über Hitler: "Es ist doch wunderbar, dass wir diesen Mann haben") schickt der Witwe ein "aufrichtiges" Beileidstelegramm zu "dem schweren Verlust". Ein Tagesbefehl des Führers erinnert daran, dass der "heldenhafte Kämpfer in Nordafrika, einer unserer besten Heerführer", davongegangen sei. Dem Volk, das seinen Ritterkreuz- und Pour-le-Mérite-Träger als listig-schneidigen "Wüstenfuchs" verehrte (Rommel bekam wie ein heutiger Popstar körbeweise Fanpost), wurde als offizielle Todesursache Hirnschlag vorgelogen.

Der Spielfilm umfasst, anders als die sich daran anschließende Dokumentation, nur die letzten Monate im Leben Erwin Rommels. Dargestellt wird der politisch indifferente, militärisch jedoch äußerst kühne Schwabe, dem Hitler nach Rommels Geniestreich gegen die übermächtigen Briten im libyschen Tobruk 1942 den Marschallstab verlieh, von Ulrich Tukur. Der exzellente Schauspieler sagt über seine Rolle: "Verstehen werden wir dieses zwölfjährige Spektakel nie, weil wir uns selbst nicht verstehen. Es ist ja nichts als ein Blick in den Abgrund unserer Seele."

Als Mensch in seinen Widersprüchen gezeigt

Der Zuschauer soll und wird sich fragen: Warum hat dieser blitzgescheite Rommel, der nicht in der Nazi-Partei war, der Kriegsgefangene korrekt behandelte, der von seinen britischen Gegnern als harter, aber fairer Kämpfer respektiert wurde, der nach der Niederlage bei El Alamein (November 1942) den Haltebefehl Hitlers missachtete und zum rettenden Rückzug blies, nicht auch beim Plan mitgemacht, den Tyrannen zu beseitigen?

Es gab Versuche, den angesehensten Offizier des Reiches für die gute Sache der Beseitigung Hitlers und seiner Diktatur zu gewinnen. Eindrucksvoll erscheinen dazu die Szenen, in denen Rommel, der am Atlantik die angloamerikanische Invasion verhindern soll, mal eindeutig, mal mehrdeutig von mutigen Widerständlern in Uniform ermuntert wird, sich als Mitmacher für den Umsturz bereitzuhalten. Der von Benjamin Sadler gespielte General Hans Speidel und Gleichgesinnte wissen: Wenn sie Rommel gewinnen, gewinnen sie auch die Unterstützung des Volkes sowie der Front. Es fällt ein Schlüsselsatz: Das sei schon ein verdammt weiter Weg — vom Günstling des Führers zur Galionsfigur des Umsturzes. Rommel ist diesen Weg nicht gegangen.

Er wird als Mensch in seinen Widersprüchen gezeigt, der zwischen Bewunderung für Hitler, Pflichtgefühl, Soldaten-Eid auf den Führer sowie der Überzeugung schwankt, dem Wahnwitzigen müsse um Deutschlands willen die Macht entrissen werden. Eine Begegnung 1944 mit seiner Frau zeigt, dass Rommel längst die Augen aufgegangen sind, dass er einem Verbrecher zu Diensten war. Der Generalfeldmarschall sagt: "Die da oben sind nicht sauber." Das klingt eklatant verharmlosend, wo doch Rommel seit Ende 1943 von den Massenmorden an den Juden weiß.

"Mit mir schließt niemand Frieden"

Dennoch, Rommel bleibt dabei: Attentat gegen den Führer? Nein. Er weiß von den Umsturzplänen, schweigt aber, verrät nichts an die Speichellecker in Hitlers Umgebung. Bei denen ist der Karrieremacher Rommel unbeliebt. Neid auf den Ruhmreichen spielt eine große Rolle; in manchen Offizierszirkeln wohl auch Adelsdünkel gegenüber dem Bürgerlichen in Generalsuniform. Jedenfalls fällt Rommels Name, als Hitler, der "wie durch ein Wunder" (Propagandaminister Joseph Goebbels) Stauffenbergs Bombe überlebt hat, von Kreisen um die 20.-Juli-Verschwörer berichtet wird.

Das kommt einem Todesurteil gleich. Aber einen wie Rommel vor den Volksgerichtshof und an den Galgen zu bringen, einen Helden, den Hitler mit Ehrenzeichen dekoriert, den die NS-Propaganda zur Volks- und Soldatenlegende stilisiert hat — das scheut der Tyrann. Der Mythos Rommel sollte leben, bis zum "Endsieg", an den einer Bemerkung Rommels zufolge auch Hitler in Wahrheit seit 1943 nicht mehr geglaubt hat.

Rommel, der zum Entsetzen Hitlers die Invasion der Westalliierten in der Normandie nicht verhindert hat, versucht, seinem obersten Kriegsherrn eine Verhandlungslösung mit den Westmächten schmackhaft zu machen. Vergebens: "Merken Sie sich, Rommel, mit mir schließt niemand Frieden." Rommel, wohl schon in Ungnade gefallen, bleibt still entgeistert.

In einer der vielen eindrucksvollen Film- und Dokupassagen wird deutlich, wie Rommel am Schluss seines Soldatenlebens immer klarer wird, dass mit seinem Idol von einst, den er jetzt für einen Verrückten hält, nichts mehr geht. Wann immer der Generalfeldmarschall Versuche unternimmt, mit dem Diktator über politische Konsequenzen aus der sich abzeichnenden Niederlage zu reden, schneidet ihm Hitler barsch das Wort ab.

Am Schluss bleibt der Eindruck: Der charismatische Troupier Erwin Rommel geht zwar immer weiter auf Distanz zu dem Allesvernichter; aber sich von Adolf Hitler innerlich zu lösen — das gelingt dem Marschall Vorwärts, der zum Zweifler wurde, nicht.

Der Film "Rommel" wird am 1. November um 20.15 Uhr in der ARD gezeigt.

(RP/das)
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