Allensbach-Institut Elisabeth Nölle-Neumann wird 90

Düsseldorf (RP). Theodor W. Adorno, der vor 30 Jahren einflussreiche linke Philosoph - ein Ekel. Erich Peter Neumann, der Ehemann und zeitweilige CDU-Abgeordnete - am Ende seines Lebens ein armer Mensch. Carlo Schmidt - bewunderungswürdig. Konrad Adenauer - überlebensgroß. Elisabeth Noelle-Neumann, die heute neunzig Jahre alt wird, urteilt schnörkellos. Sie blickt auf ein gelungenes Leben.

Ihre Begegnungen mit Persönlichkeiten schildert die Gründerin und langjährige Chefin des Instituts für Demoskopie in Allensbach sehr subjektiv und gerade dadurch lebendig. Die Autorin versteckt weder ihre Eitelkeit noch ihre Zu- und Abneigungen. Zwischendurch erzählt sie von der Entwicklung der Meinungsforschung in Deutschland, die sie maßgeblich beeinflusst hat. Sie sieht sich - vom Journalismus kommend - als Wissenschaftlerin und fühlt sich wohl unterbewertet. Von Fehlprognosen und Irrtümern berichtet sie nur, wenn sie selbst daraus neue Erkenntnisse gewann.

Schlüsselrolle der Massenmedien

Die erstaunliche Neunzigjährige verteidigt durchaus überzeugend die von ihr entwickelte Theorie der Schweigespirale, nach der die öffentliche Debatte zeitweise bei moralisch aufgeladenen Themen von einem selbstbewusst auftretenden Meinungslager immer stärker beherrscht werden kann, auch wenn große Teile der Bevölkerung anderer Meinung sind. Den Massenmedien weist Noelle-Neumann dabei eine Schlüsselrolle zu: "Es sind bisher keine Beispiele dafür bekannt, dass sich in einer Bevölkerung eine Schweigespirale entwickelte, die dem Medientenor entgegenlief"

Belege für ihre Theorie, so schreibt die ehemalige Professorin, habe sie auch an der Universität Mainz sammeln können. Im Winter 1970/71 habe sie jede zweite Vorlesung über Journalismus wegen Störungen abbrechen müssen. Dabei habe die Mehrheit ihrer Studenten nicht gestört, aber ängstlich geschwiegen. Noelle-Neumann berichtet von Drohanrufen und vermutet dahinter den Geheimdienst der DDR, weil ihre anti-marxistische Haltung bekannt gewesen sei.

Sie berichtet von Prozessen gegen den "Spiegel" und die CSU-Legende Franz Josef Strauß. Und die Journalisten, so argwöhnt sie, seien neidisch auf die Demoskopie, weil diese Meinungen oft mit Gegenmeinungen konfrontiert und dadurch relativiert. Da hat sie wohl aus einer Festrede des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein etwas viel herausgelesen.

Elisabeth Noelle-Neumann: Die Erinnerungen, F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, 319 Seiten, 24.90 Euro.

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