Tv-Kritik Ein "Tatort" mal herrlich normal

Nach der slapstickartigen Ausgabe aus Münster und der wahnwitzigen Folge aus Dortmund hat der "Tatort" aus Leipzig gestern Abend richtig gut getan. Weil er herrlich normal war, weil die Kommissare nicht nur mit sich selbst, sondern vor allem mit dem Fall beschäftigt waren und weil "Todesschütze" eine aktuelle Debatte spiegelt: Ein Ehepaar mischt sich couragiert in einen Streit in der Straßenbahn zwischen einem Obdachlosen und drei Jugendlichen ein und wird dann selbst zusammengeschlagen. Der fiktive Fall erzählte auch die echte Geschichte vom Alexanderplatz und die von dem schwer verletzten jungen Mann von der U-Bahn-Haltestelle Friedrichstraße, dem fast Gleichaltrige den Schädel zertrümmerten. Kurz: Die Episode fasste alle realen Bluttaten zusammen, die so unbegreiflich sind, weil Menschen ohne triftigen Grund, aus reiner Streitlust bis zur Unkenntlichkeit verprügelt werden. Von Anfang an wussten die Zuschauer, wer die Täter waren. Demzufolge gab es kein fantasievolles Täterraten, sondern einfach die schonungslose Wahrheit: Zivilcourage kann sehr weh tun. Regisseur Johannes Grieser inszenierte die Geschichte ohne zu verharmlosen – und hielt mit Wotan Wilke Möhring als Streifenpolizist, dessen Sohn einer der Schläger war, eine Überraschung bereit. Wir freuen uns schon auf seine erste Rolle als "Tatort"-Kommissar im Frühjahr.

Leslie Brook

(RP)
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