ARD-Filmdrama "Zivilcourage" Ein Mann mit Rückgrat

Köln (RPO). Wegsehen oder einschreiten? Diese Frage werden sich viele schon gestellt haben, die aus dem Bekanntenkreis oder handgreiflichen Attacken auf wehrlose Passanten gehört haben. Oder die entsetzt waren, als im September an einer Münchner U-Bahn-Station von zwei Jugendlichen totgeprügelt wurde, als er Kindern helfen wollte. Was würde man selber tun? Welches Risiko würde man eingehen? Solche Fragen stellt der spannende und auch provozierende Fernsehfilm "Zivilcourage" mit Götz George, den das Erste am Mittwoch (27. Januar) um 20.15 Uhr zeigt.

Der ARD-Film "Zivilcourage" mit Götz George
13 Bilder

Der ARD-Film "Zivilcourage" mit Götz George

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George spielt den Buchhändler Peter Jordan, der seit fast 30 Jahren in einem Berliner Problemviertel wohnt. Obwohl das mit Gittern gesicherte Antiquariat des älteren Herrn wie ein Fremdkörper in der heruntergekommenen Straße wirkt, hat sich Jordan mit dem Milieu arrangiert. So hat er sich auch an den Anblick der ausländischen Jugendlichen gewöhnt, die auf der anderen Straßenseite herumhängen und große Sprüche klopfen.

Aus dem Alltagstrott gerissen wird Jordan, als die widerspenstige Jessica (Carolyn Genzkow) in seinem Laden ein Schülerpraktikum absolvieren will. Die 15-jährige Göre braucht das Praktikum, damit sie nicht von der Schule fliegt. Zuhause muss sie sich um zwei jüngere Geschwister kümmern, weil ihre übergewichtige Mutter überfordert ist. Der alte Herr bemüht sich, Jessica für Literatur zu begeistern und zu Pünktlichkeit anzuhalten, muss dann aber erkennen, dass sie kaum lesen kann.

Familie gerät ins Visier

Eines Abends wird Jordan Zeuge, wie Jessicas Freund Afrim (Arnel Taci) mit einem Obdachlosen in Streit gerät und den Mann fast totschlägt. Nach einigem Zögern greift Jordan ein und zeigt den Täter bei der Polizei an. Doch dann fordert Afrims älterer Bruder Dalmat (Marko Mandic) von Jordan, die Zeugenaussage zurückzuziehen.

Seit der Ex-Soldat Dalmat im Kroatienkrieg mit ansehen musste, wie seine Eltern ermordet wurden, hat er sich geschworen, für Afrim zu sorgen. Als Jordan standfest bleibt, verschärft Dalmat seine Drohungen: Er nimmt nun Jordans Tochter Monika (Maria Simon) und ihre Familie ins Visier.

Von seinem Rüpelimage als ruppiger Ruhrgebietskommissar Schimanski hat sich Götz George zwar schon längst gelöst. In seinem jüngsten Film zeigt er aber einmal mehr, dass er keineswegs gewillt ist, nur noch altersweise Pantoffelrollen zu übernehmen. Als Antiquar Jordan gibt er einerseits den nachdenklichen Intellektuellen mit humanistischer Überzeugung, zeigt aber andererseits eindrucksvoll, dass auch Bücherwürmer sich zu wehren wissen.

Ein Zeichen für Zivilcourage

Seine Figur setzt in dieser Produktion der Kölner Produktionsfirma Colonia Media im Auftrag des WDR ein Zeichen für Zivilcourage. Und George selbst will mit seinem Auftritt Mut zu mehr Zivilcourage machen: "Man kann sie sich antrainieren." In einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel" fügte er kürzlich hinzu: "Zivilcourage befriedigt. Wenn man sich selbst überwunden hat, dann bekommt man als Belohnung ein ganz anderes Selbstwertgefühl."

Der Regisseur Dror Zahavi ("Marcel Reich-Ranicki - Mein Leben") und der versierte Drehbuchautor Jürgen Werner ("Schimanski - Schicht im Schacht") legen großen Wert darauf, das Migrantenmilieu in dem sozialen Brennpunkt differenziert zu zeichnen. Zahavi: "Es gibt in dieser Geschichte keine Guten und keine Bösen." Die Charaktere seien so erzählt, "dass man auch eine Empathie für sie entwickelt."

"Der Film wird polarisieren"

Auch der Sympathieträger Jordan wird schließlich so in die Enge getrieben, dass er keine weiße Weste behalten kann. Seine Entscheidung im finalen Duell dürfte sicher für einige Diskussionen sorgen, ebenso die Darstellung der Migranten. Der Drehbuchautor räumt ein: "Ich weiß nicht, ob wir in diesem Film immer politisch korrekt sind, ob wir die richtigen Lösungen vorgeben. Aber muss das Kunst überhaupt?!"

Dass der Film mit seiner spannenden Geschichte moralisch-politische Fragen aufwerfe und keine wohlfeilen Antworten gebe, betont Gebhard Henke, der Leiter des WDR-Programmbereichs Film, Kino und Serie. Er stellt "Zivilcourage" in die lange Tradition der gesellschaftskritischen Filme des Senders wie "Wut", "Guten Morgen, Herr Grote" und "Ich könnt Euch niemals sicher sein". Henke weiter: "Der Film wird polarisieren und hoffentlich eine Diskussion über das Filmgeschehen, aber auch über deutsche Wirklichkeit in Gang setzen."

(DDP/csr)
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