„Tatort“ aus Stuttgart Das Ländle in Not

Stuttgart · Im 25. Fall des Stuttgarter „Tatort“-Duos Lannert/Bootz erschießt ein Täter wahllos Menschen. Dann zeigt sich ein Muster. Und die Ermittler lösen einen Krimi, der ungewöhnlich von großer Liebe und tiefer Verzweiflung erzählt.

 Im Fadenkreuz: Eine Frau kommt nach Hause, holt die Post und  wird vor ihrer Haustür  erschossen

Im Fadenkreuz: Eine Frau kommt nach Hause, holt die Post und wird vor ihrer Haustür erschossen

Foto: dpa/Benoit Linder

Wie schnell die Angst um sich greift, merkt Kommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) am eigenen Leib. Er ist auf dem Heimweg und stiefelt mit drei Pizzen durch eine Straße von Stuttgart, dabei schweift sein Blick immer wieder nach oben zu den Hausdächern, er sieht zurück und scannt seine Umgebung. Denn in der Stadt treibt ein Sniper sein Unwesen – ein Mensch, der scheinbar wahllos Menschen erschießt.

Das erste Opfer ist eine Journalistin, verheiratet, Mutter von zwei Kindern, die gerade nach Hause kommt, die Post aus dem Briefkasten nimmt und dann durch einen Schuss in den Rücken getötet wird. Die Kriminalpolizei ist in einem absoluten Alarmzustand, denn der Tod wurde angekündigt. Lannert und sein Kollege Sebastian Bootz (Felix Klare) haben am Morgen einen Brief ins Präsidium bekommen, der adressiert ist an „Die Ermittler im heutigen Mordfall“ – nur, es gibt zu dem Zeitpunkt keinen Mordfall. Es folgt ein Schreiben mit einer „1“. Dann fällt der Schuss. Und am Tatort neben der erschossenen Journalistin wird eine Patrone mit einer eingravierten 1 gefunden. Als dann noch ein Erpresserschreiben eingeht, in dem ein Täter ankündigt, so weiterzumachen, sollte er nicht drei Millionen Euro bekommen, ist das Ländle in Not. Vor allem, weil der Täter weitere Patronen graviert.

Es entwickelt sich ein spannender Fall mit zwei Handlungssträngen und einer Rückblende. Anfangs ergibt das noch nicht viel Sinn, aber nach und nach werden die Fäden ineinander geflochten, und der Krimi erzählt die Geschichte von großer Liebe, tiefer Verzweiflung und Schuld. Der Weg dahin ist nicht zäh: Der Zuschauer begleitet die Polizei beim gescheiterten Geldübergabeversuch, beim Versuch, aus den wenigen Fakten Rückschlüsse auf den Täter zu ziehen. Der Sniper sei wahrscheinlich zu 53 Prozent männlich und zu 47 Prozent weiblich, vermutet ein Kollege, und Bootz ätzt nur: „Vermutlich ein Transsexueller.“

Die Stuttgarter sind wie immer ruhig, beflissen, aber nicht unlustig. Sie werden selten als Lieblings-„Tatort“ genannt –  sie sind nicht so ulkig wie Münster, nicht so menschlich wie Köln, nicht so avantgardistisch wie Wiesbaden oder Berlin. Lannert und Bootz ermitteln meist unter dem Radar. Schade eigentlich.

„Du allein“ ist ihr 25. Fall, und das Jubiläum ist gelungen. Auch wenn der Zuschauer nach noch nicht einmal der Hälfte des Films das Gesicht des Täters kennt und rund 20 Minuten vor Schluss das Motiv deutlich wird, ist der Film spannend, weil es immer noch eine unvorhergesehene Wendung gibt. Beruhigend außerdem, dass der moralische Kompass zumindest beim Kopf des Stuttgarter Teams unbeirrbar ist. Natürlich werden auch hier die Motivlage des Täters und sein eigenes Schicksal ausgeleuchtet, manch einer der Ermittler  scheint Mitleid zu haben. Da ergreift Thorsten Lannert das Wort und sagt: „Sind wir hier das Jüngste Gericht? Wir suchen einen dreifachen Mörder.“ So ist es.

„Tatort: Du allein“, Das Erste, So.,
20.15 Uhr

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