Interview mit Micky Beisenherz "Ich bin selbst überrascht, was für eine miese Type ich bin"

Köln · Ohne die bösen Kommentare der Moderatoren wäre das Dschungelcamp nur halb so gut. Micky Beisenherz ist einer der Autoren – ein Interview über Femenaktivistinnen, Recklinghausen und die erneute Abwesenheit von Lothar Matthäus.

 Micky Beisenherz ist einer der Autoren von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!"

Micky Beisenherz ist einer der Autoren von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!"

Foto: Markus Hauschild

Ohne die bösen Kommentare der Moderatoren wäre das Dschungelcamp nur halb so gut. Micky Beisenherz ist einer der Autoren — ein Interview über Femenaktivistinnen, Recklinghausen und die erneute Abwesenheit von Lothar Matthäus.

Hat RTL den Dschungel in Hürth schon wieder aufgebaut?

Micky Beisenherz Die Frage ist eine Unverschämtheit. Mittlerweile weiß doch jeder, dass die Studios in Köln aufgebaut werden, damit wir nicht so weit fahren müssen. Tatsächlich spielt sich das ganze natürlich in Australien ab, wofür ich sehr dankbar bin. Wer den deutschen Winter kennt, weiß, dass es nicht schadet, dem mal einen Monat zu entfliehen.

Glaubt Ihre Frau Ihnen das auch?

Die glaubt mir fast gar nichts, also warum ausgerechnet das?

War etwa auch die Mondlandung echt?

Ich sehe zwar schon so alt aus, aber da war ich noch nicht geboren. Also nochmal: Der Dreh in Australien ist echt. Was alles nicht echt ist, sehen wir dann, wenn sich die Kandidaten unterm Wasserfall duschen.

Wikipedia sagt, dass der Dschungel früher mal ein Farmgelände war.

In der Nähe habe ich mal eine Farm gesehen. Wir sind aber nicht die Waltons.

Finden Sie es schade, dass Boris Becker vorm Dschungelcamp noch einen richtigen Job bekommen hat?

Ja, aber Boris Becker ist dafür bekannt, dass er Dinge schnell mal in den Sand setzt. Außerdem ist er wegen der Australian Open ohnehin in Australien. Sollte Djokovic feststellen, dass Becker seine Anweisungen nur twittert, ist er bald wieder draußen und kann zu uns rüberkommen.

Also halten Sie es für möglich, dass Boris Becker nachnominiert wird?

Bis zu der Sendung, wo er ein Handtuch mit Fliegenklatschen auf dem Kopf trug, hatte ich das für unmöglich gehalten, aber die Aktie Boris Becker ist zwischenzeitlich gesunken. Ohne Häme möchte ich aber sagen, dass ich mich über Boris Beckers neuen Job gefreut habe.

Haha.

Nein, wirklich. Ein Mann seiner sportlichen Klasse gehört dorthin und nicht in eine Show mit Oliver Pocher.

Wer ist eigentlich fieser — Oliver Pocher oder Micky Beisenherz?

Ich verbitte mir diesen Vergleich.

Warum ist Lothar Matthäus auch in diesem Jahr nicht dabei? Hat er noch zu viel Geld?

Nein, es sollen ja nur Prominente in den Dschungel.

Ich wünsche ihn mir aber jedes Jahr.

Über Bunte-Schlagzeilen und Doku-Soaps nähert er sich unserem Format immer mehr an.

Reden wir über die, es ins Camp geschafft haben. Macht es Ihnen die Arbeit leichter, dass Jochen Bendel, früher Moderator bei "Ruck Zuck", rechtzeitig schwul geworden ist?

Ich bin schon froh, dass er nicht der Prominente ist, der sich rechtzeitig für den Playboy auszieht. War das nicht schon viel früher klar? Der hatte doch immer einen kleinen Köter auf dem Arm.

Aber er hat es zufällig erst vor ein paar Tagen bekanntgeben. Klingt wie eine Steilvorlage für Sie.

Was wären wir denn für Autoren, wenn wir solche Dinge wie Schwulsein in den Fokus humoristischer Betrachtung ziehen würden? So primitiv sind wir nicht.

Sie würden ja auch niemals Witze über Brüste und Pornofilmsucht machen.

Das hat noch immer meine vollste Begeisterung, dass jemand eine Single bewerben will, indem er sich als Dauerschüttler outet. Das wird für mich ein ewiges Faszinosum bleiben. Der Glamourfaktor von Onanie hält sich in Grenzen.

Auf wen der elf Kandidaten freuen Sie sich besonders?

Ich hatte mich sehr auf Jorge Gonzales gefreut, weil der so selten im Fernsehen zu sehen ist. Ansonsten erwarte ich mit großer Spannung, ob der Wendler tatsächlich ins Camp einzieht. Der ist schließlich ein Anwärter auf den neuen Dschungelprüfungsrekord. Es heißt immer, der Wendler polarisiert. Ich glaube, das stimmt nicht. Weil dazu meines Erachtens zwei Pole gehören.

Es wäre ein Verlust, wenn er doch nicht käme.

Also die eine Baumarkteröffnung kann er sich auch schenken. Das ist er uns schuldig.

Der Wendler kommt aus Dinslaken, Sie sind um die Ecke groß geworden, in Recklinghausen. Wer von Ihnen hat es weiter gebracht?

Was den Google-Traffic betrifft, ist er deutlich weiter, aber ich würde mir eine deutlich bessere Sozialprognose ausstellen.

Ist Ihnen jemand von dieser Kandidatenliste völlig unbekannt?

Bekannt sind mir davon alle, manche mehr, manche weniger.

Nehmen wir mal Julian Stöckel.

Den kannte ich tatsächlich, weil mir mein Kumpel Joko Winterscheidt ihn als Facebook-Freund empfohlen hat. Also habe ich ihn geaddet und es bereits wenige Sekunden später bitter bereut. Sarah Knappik wird eine männliche Entsprechung finden.

Dann gibt es eine Frau namens Melanie Müller. Ich habe mich vorhin über sie informiert und weiß jetzt schon nicht mehr, wer sie ist.

Das klingt in der Tat nach Glitzer- und Glamourwelt. Aus diesen Namen werden Stars gemacht. So wie ich das mitbekommen habe, ist sie so eine Art Femenaktivistin. Seitdem sich aber irgendwelche Bekloppten nackt auf den Altar des Kölner Doms stellen, muss sich eine Nudistin wie sie mächtig anstrengen, um noch den ein oder anderen hinterm Ofen vorzulocken.

Also ist Melanie Müller eine Femenaktivistin ohne politischen Hintergrund.

Haben die anderen Femenaktivistinnen etwa einen politischen Hintergrund?

Ist die weibliche Oberweite denn kein politischer Hintergrund?

Da gebe ich Ihnen Recht. Tutti Frutti ist ja quasi der Vorgänger vom Panorama-Magazin.

Verspüren Sie gegen irgendjemanden von der Liste eine Abneigung?

Abneigung nicht. Einige sind mir einfach nicht näher bekannt, wie dieser Marco Angelini. Wie ich gehört habe, ist der sogar Doktor. Es wird mehrere Studierte im Dschungel geben. Melanie Müller hat vor einem Jahr ihren Bachelor gemacht.

Der war flach.

Wir decken alle Zielgruppen ab. Nachdem ich die ganze Zeit feinsinnig gewesen bin, dachte ich: Hau ich jetzt mal einen richtig handfesten Witz raus.

Lassen Sie die schlechten Witze doch einfach zuhause.

Das geht nicht. Wir wollen schließlich die 50-Prozent-Quote überschreiten.

Sie leben in einer Art perverser Symbiose mit den Promis. Aber wer profitiert stärker von wem?

Finanziell profitieren die in erster Linie von uns. Aber zu vielen von ihnen habe ich eine Art Zuneigung. Da sind nicht nur Verrückte im Dschungel, teilweise sind die sogar liebenswert.

Hatten Sie väterliche Gefühle für Joey Heindle?

Tatsächlich hatte ich die. Und als er im Finale auf die Knie gegangen ist, da hatte ich sogar eine Art Gänsehaut. Als ich merkte, dass die Gänsehaut von der Rührung herkam, da bekam ich eine weitere Gänsehaut, weil ich mich dafür so furchtbar schämte.

Können Sie ausschließen, dass einer der Teilnehmer weniger Gage erhält als Sie?

Nein. RTL ist ein Sender, der sich sehr um die Menschen kümmert, die für ihn arbeiten, so dass alle fair und gerecht nach Leistung bezahlt werden. Wir Autoren tun auch viel mehr. Manche Kandidaten liegen wochenlang nur faul auf der Pritsche rum. Wir kloppen 18, 19 Nachtschichten am Stück.

Gibt es einen Zaun?

Klar, zum Schutz der Kandidaten. Wenn einer mal in der Nacht auf den Gedanken kommt "Ach, was ist das hier langweilig, ich schaue mir mal den Rest des Urwalds an", könnte es sein, dass man ihn die nächsten 55 Jahre seines Lebens nicht mehr sieht.

Erzählen Sie mir von Ihrem Arbeitsalltag in Australien.

Wir haben den Arbeitsrhythmus eines Berliner Modebloggers. Wir stehen um 18 Uhr auf, gehen dann aber auch tatsächlich arbeiten. Fahren gegen 20 Uhr ins Camp und arbeiten die Nacht durch. Unsere Produktionsbüro ist nicht so riesig weit vom Baumhaus entfernt. Um 7 Uhr ist die Live-Sendung, und um 10 sind wir zurück im Hotel. Spätestens um 12 Uhr ist Feierabend.

Produktionsbüro heißt Hütte?

Nennen wir es Favela.

Ihr Autorenkollege Jens Oliver Haas ist mit Sonja Zietlow verheiratet. Schreibt er also die Dialoge für seine Frau und Sie für Daniel Hartwich?

Nein, wir machen das eher wie bei einer Sitcom. Wir schreiben Dialoge und gucken, was auf wen besser passt. Wir wollen uns ja auch an beiden abarbeiten.

Wer ist denn witziger, Sie oder Herr Haas?

Eindeutig Herr Haas. Das ist aber nur meine persönliche, unmaßgebliche Meinung.

Woher nehmen Sie Ihre Fiesheit in diesen zwei Wochen?

Ich bin nicht fies, sondern nur ein guter Handwerker, der die richtigen Assoziationsschubladen aufmacht. Am Ende bin ich selbst überrascht, was für eine miese Type ich bin.

Während dieser zwei Wochen bekommen die Kandidaten nicht mit, was in den Sendungen über sie gesagt wird. Sehen die sich wohl später Aufzeichnungen an?

Mein lieber Herr Dalkowski, wie schätzen Sie diese Menschen dort ein? Ich glaube, die sehen sich das schon auf dem Handy an, wenn sie zurück zum Hotel fahren.

Werden die dann böse?

Ich weiß nur, dass Peter Bond nicht mehr mit Sonja Zietlow spricht. Was Sonja Zietlow relativ gut verkraftet. Und Claudia Effenberg hat mich bei Facebook geblockt.

War die überhaupt im Dschungel?

Kommt mir jedenfalls so vor.

Wissen die Kandidaten, dass nicht die Moderatoren die Moderationen schreiben?

Es hat ein wenig mit meinem Geltungs- und Sendungsbewusstsein zu tun, dass das mittlerweile kein Riesengeheimnis mehr ist.

Wer stoppt Sie? Ihr Gewissen? RTL? Oder niemand?

Je nach Situation ist eine dieser Antworten absolut richtig. Aber eine Sendung ist immer nur so gut wie der Redakteur, der sie zulässt. Und der Redakteur, der bei uns am Tisch sitzt, verfügt glücklicherweise über Testikel.

Haben Sie mal etwas bereut, was gesendet wurde?

Haben Sie damals gesehen, wie ich nackt bei Pro7 auf nem Pferd geritten bin?

Nein.

Gut.

Sind Sie Schuld, dass das Dschungelcamp im Gegensatz zu anderen Formaten nicht als Trash gilt?

Meinem Kollegen und mir kommt eine Teilschuld zu, weil auch viele andere dazugehören. Die Liebe, mit der wir vorgehen, vermisse ich in der einen oder anderen Produktion.

Es hat aber drei, vier Staffeln gedauert, bis auch wir Intellektuellen uns das Dschungelcamp richtig angeschaut haben. Haben Sie früher schlechtere Gags geschrieben oder waren wir so ignorant?

Das ist wie mit den Karrieren der Kandidaten. Man muss lange rühren, bis mal einer auf einen aufmerksam wird.

Am Anfang wurde nur über den Ekelfaktor geschrieben.

Das ist das vordergründige. Die Leute sind zu Beginn selten daran interessiert, sich intensiv mit etwas auseinanderzusetzen. Wenn man sich aber an der Fassade sattgesehen hat, macht man auch mal die Tür auf und sieht: Da ist ja richtig was los.

Am Anfang standen Ihnen die Känguru-Hoden im Weg?

Die sind ja auch ziemlich groß.

Wäre Tanja Schumann das Dschungelcamp erspart geblieben, wenn Sie damals ihre Gags geschrieben hätten?

Ich bin nicht so arrogant zu glauben, dass ich das hätte verhindern können. Die Gags waren ja gut. Bei einer langlebigen Fernsehkarriere müssen gewisse Dinge zusammenpassen und gut laufen. Und denjenigen, für die es nicht so gut gelaufen ist, helfen wir weiter. Wir sind eine Art Robbenaufzuchtstation für Promis.

(spol)
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