Tessa als Veganerin im Dschungel „Go vegan!“ – wieso nicht die Reichweite für relevante Themen nutzen?

Meinung | Düsseldorf · Umgang mit Sexismus, Veganismus, Rassismus: Das RTL-Format „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ ist erwachsen geworden – und längst kein reines Trash-TV mehr. Welche Debatten 2023 am Lagerfeuer zu erwarten sind. Und warum das gut so ist.

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Dschungelcamp 2024 – das sind die Kandidaten

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Foto: dpa/Pascal Bünning

In erster Linie ziehe sie ein, um den Tieren eine Stimme zu geben, erklärte Kandidatin Tessa Bergmeier kurz nachdem bekannt wurde, dass sie im Dschungelcamp 2023 dabei sein wird. Während viele auch nach dem Start der diesjährigen Staffel noch überlegten, ob und wenn ja durch welche anderen Formate die Brünette überhaupt bekannt geworden ist, fügte die 33-Jährige hinzu: „Reis und Bohnen sind für mich ein Heimspiel, ich bin ja Veganerin.“ Und stieß damit den ersten Stachel ins Fleisch der diesjährigen Dschungel-Staffel. Aufgabe einer Veganerin sei schließlich, das Thema unters Volk zu bringen, „Go vegan!“ ihr auserkorenes Motto.

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Hier findet das Dschungelcamp 2023 statt

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Foto: RTL

Nun könnte man ihre Einstellung als persönliche Überzeugung weitgehend wegignorieren – wäre da nicht der entscheidende Faktor, von dem die RTL-Sendung seit jeher lebt: nicht nur tote Tiere auf den Tellern der beliebten Essensprüfung zu servieren. Dass man zuckende Mehlwürmer gut zerkauen muss und kriechenden Riesenmaden zunächst den Kopf abbeißen, ihn ausspucken und dann das Restgetier verspeisen soll, dürfte selbst langjährige Zuschauer zeitweise wegzappen lassen.

Veganerin Tessa Bergmeier schlägt allein der Gedanke daran auf den Magen. „Die Tiere würden schreien, wenn sie könnten“, meint das Model. Aktivismus im Camp? Da sei sie dabei, so die 33-jährige alleinerziehende Mutter zweier Töchter, die 2009 durch „Modelmama“ Heidi Klums Sendung in die deutsche TV-Landschaft gespült wurde. Damals, bei „Germay’s Next Topmodel“ dürften Ernährungsgewohnheiten auch schon eine Rolle gespielt haben. Wohl aber eher unter der Prämisse, Kalorien zu meiden, weniger tierische Produkte.

Jahrelang waren Tiere im australischen Dschungel wahlweise schmückendes Beiwerk (kuschelige Koalas, Kängurus) oder abschreckende Mutprobe (Kakerlaken, Krokodile, lebendig zu verspeisende Insekten). Inzwischen aber mahnen nicht nur Mitwirkende zu Markertingzwecken das Thema kritisch an. Einen Tag vor Auftakt der Staffel 2023 hat sich auch Peta zu Wort gemeldet: „Tierleid ist keine Unterhaltung“, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung. Die Tierschutzorganisation findet: „Das Dschungelcamp ist in dieser Form absolut aus der Zeit gefallen“ und fordert RTL in einem Schreiben auf, ausschließlich vegane Prüfungen in der Show durchzuführen.

Aus Produktionssicht allerdings dürfte Tessa Bergmeier eher der Grund sein, genau dieser Bitte nicht nachzukommen. „Die ersten sieben Prüfungen gehen an Tessa, herzlichen Glückwunsch“, ereifern sich Fans der Show bereits in Sozialen Medien über Bergmeier, die sich selbst als laut, bunt und stark beschreibt. Und die nicht etwa durch Modelqualitäten (Platz 14 damals), sondern durch ihren Mittelfinger berühmt wurde, den sie Moderatorin Heidi Klum entgegenstreckte. Konfliktpotenzial: zehn Sterne. Ihren veganen Lebensstil, den sie nach eigenen Angaben seit dem Kindesalter vertritt, dürfte sie dennoch anbringen, wann immer es passt. Und das ist auch gut so.

Gesellschaftliche Debatten über Klima- und Artenschutz bieten sich bei einem Format, das (nun wieder) im australischen Regenwald gedreht wird, gerade zu an. Auch weil sie noch einmal ganz andere Zielgruppen erreichen, die vordergründig vielleicht nur an Unterhaltung abgehalfterter Trash-Stars interessiert sind. Warum nicht die Reichweite nutzen, um relevante Themen zumindest vorkommen zu lassen?

Dass RTL da nicht abgeneigt ist und wenn erforderlich auch verantwortungsbewusst mit diesen Themen umgeht, zeigt der Rassismus-Vorfall der Staffel 2022. Nachdem Kandidatin Janina Youssefian (ebenfalls Model) die dunkelhäutige Camp-Kollegin Linda Nobat rassistisch beleidigt hatte, warf RTL sie umgehend raus – und bezog klar Stellung. Ähnlich lief es im Jahr 2008 mit DJ Tommek, von dem während der Staffel Videos mit rechtsradikalen Inhalten bekannt wurden. Auch er musste die Show verlassen.

Veganerin Tessa Bergmeier: Das Ex-Model eröffnet schon vor ihrem Einzug ins Camp die Debatte.

Veganerin Tessa Bergmeier: Das Ex-Model eröffnet schon vor ihrem Einzug ins Camp die Debatte.

Haltung, das zeigt der Verlauf der vergangenen Jahre immer wieder, ist nicht mehr lediglich eine körperliche Frage. Dschungelkönig oder Königin wurden noch immer Menschen mit Herz und Verstand dafür, Rückgrat zu zeigen. Dass der Dschungel vegan wird, ist unwahrscheinlich. Darüber zu sprechen, ob er in all seinen Facetten noch zeitgemäß ist, tut dem Format gut. Statt eine Zehn-Zentimeter-Wasserspinne unter einem Glassockel zu schütteln, damit sie sich zusammenrollt und live lebend gegessen werden kann (wie 2015 im Finale), tun es vielleicht auch andere Prüfungen. Eine der größten Horrorvorstellungen ist und bleibt schließlich: die Kotzfrucht.

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