Trash-TV Attraktion Dschungelcamp - Warum die Maden madig machen?

Meinung | Düsseldorf · Corona und kein Ende, graue Tage statt weißer Pracht, im Moment gibt es die einzigen Lichtblicke im Fernsehen – in sonnigen Trash-Formaten wie „Dschungelcamp“ und „Bachelor“. Darum ist ziemlich egal, was da genau passiert.

Szene aus dem aktuellen Dschungelcamp

Szene aus dem aktuellen Dschungelcamp

Foto: RTL

Da hocken sie nun wieder im Dschungel, müssen Ekel überwinden und intime Dramolette inszenieren. Es geht zu wie im Ferienlager, nur gemeiner, greller, geiler, erst bei Rassismus ist Schluss, da werden Koffer gepackt und Pöblerinnen müssen gehen. Damit weiter gestritten, gezickt, gelästert werden kann über Strafpunkte und konfiszierte Kopfhörer und was die Dschungelwelt sonst in Atem hält.

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Es ist schon viel darüber nachgedacht worden, warum so viele Menschen aus allen sozialen Schichten diese Art von Fernsehformaten unterhaltsam finden. Es mag mit geschickt dramatisierter Zerstreuung zu tun haben, mit gefahrlosem Voyeurismus, mit dem Schmeichelgefühl, sich diesen C-Promis  mit ihren schlecht sitzenden Trägertops und miesen Tattoos überlegen zu fühlen. Doch im Moment ist die Antwort wahrscheinlich einfacher: Das Dschungelcamp ist der andere Ort, an dem meist die Sonne scheint. Das ferne Zeltlager, an dem alles ist wie immer. Der letzte Lichtblick im gedrückten Pandemiealltag  – er landet ausgerechnet im guten alten Fernsehen.

Doch das Dschungelcamp hält nun mal, was es verspricht: Es ist das Gegenteil von Corona-Endlosdebatten, die sich winden wie Aale, von Regen zur schönsten Winterzeit, von düsteren Ausblicken auf Impfpflicht-Palaver, neuen Mutanten im nächsten Herbst, von denen schon ständig die Rede ist, bevor die ersten Narzissen ihr Köpfchen aus der Erde geschoben haben. Im Dschungelcamp passiert was, aber übersichtlich. Es gibt Neuigkeiten, aber nichts Unbekanntes, mit dem niemand umzugehen weiß. Es wird gestritten, aber es geht um nichts. Kinder, ist das herrlich!

Natürlich gibt es Untersuchungen, die belegen, dass der Konsum von Trash-TV nicht nur harmlos ist. Gehirnmasse schrumpft, kognitive Fähigkeiten leiden, entdeckten Forscher im amerikanischen Baltimore. Und zur Hebung des Diskursniveaus dürfte die Sendung auch wenig taugen. Doch so ernst muss man gar nicht herangehen an die alljährlichen Eskapaden, die seit 2004 ins Reich der Mehlwürmer und Riesenspinnen führen, in ein prekäres Fantasia, wo man sich nach Herzenslust fremdschämen und handfest ekeln kann. Warum die Maden madig machen, wenn sie gerade das einzige sind, das Schadenfreude bereitet. Direkt und rein. Und Gesprächsstoff liefert jenseits der Frage, ob man Genesen, Getestet, Geteert oder Gefedert ist. Und wenn ja, seit wann.

Nein, man muss Sendungen wie das Dschungelcamp nicht toll finden, man kann sie einfach ignorieren. Und wenn man grad ein bisschen Dschungelwärme und Trash-Exotik brauchen kann, auch gut. Eins hat Corona ja gelehrt: Es gibt Themen, über die sich zu streiten lohnt. Und die anderen Themen.

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