Pro und Kontra Darf man das Dschungelcamp gucken, obwohl es in Australien brennt?

Murwillumbah · „Ich bin ein Star - holt mich hier raus“ startet ausgerechnet dann, wenn riesige Feuer in Australien verheerende Schäden anrichten. Ein Pro und Kontra, ob man dieses Jahr überhaupt einschalten sollte.

Dschungelcamp Kandidaten - Diese Promis sind dabei - Bilder
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Dschungelcamp 2024 – das sind die Kandidaten

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Foto: dpa/Pascal Bünning

The Games must go on, sagt Marcel Jarjour

In Australien brennt eine Fläche, die so groß ist wie die Niederlande. Mehr als eine Milliarde Tiere sind ums Leben gekommen, mindestens 26 Menschen gestorben. Und ausgerechnet mitten in der Hochzeit der Feuerhölle sendet RTL das TV-Spektakel „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ aus dem australischen Murwillumbah – nur wenige hundert Kilometer vom nächsten Buschfeuer entfernt. Was man in Australien angesichts der riesigen Größe auch schon als nah bezeichnend könnte.

Es stellt sich also die Frage, ob man das Spektakel angesichts der Zustände in Down Under nun genüsslich vor dem TV verfolgen kann oder nicht.

Wie es IOC-Präsident Avery Brundage bei den Olympischen Spielen in München 1972 sagte, muss es auch beim Dschungel gehalten werden: „The Games must go on“.

Den Stopp der Produktion und das Aus der Sendung angesichts der Lage zu fordern, greift viel zu kurz. Zahlreiche Mitarbeiter vor Ort sind auf den Job angewiesen, verdienen mit dem Dschungel und der Lust der Deutschen auf Ekel-TV viel Geld. Außerdem würde das Feuer wohl komplett von der Bildfläche in Deutschland verschwinden, wenn RTL auf die Show verzichten würde.

Fakt ist aber auch: RTL muss das Feuer zwingend in die Sendung einbauen. Der Sender hat schon reagiert und klar gestellt, dass die Moderatoren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich bei ihren zum Teil sarkastischen Anmoderationen auch durchaus ernst werden und auf die Feuer zu sprechen kommen. Es wäre fatal, wenn der Sender, der einen hohen Millionenbetrag in die Produktion investiert, diese Tragödie nicht aufgreifen würde. RTL sollte rund um das Dschungelcamp nur einen Fehler nicht machen: Nämlich das Feuer lediglich einmal in der Auftaktsendung auf die Agenda ziehen und dann wieder runterfallen lassen.

Und was sollen die Zuschauer in Deutschland vor den TV-Geräten machen? Vielleicht sollten sie sich zuerst einmal intensiv mit den Buschfeuern in Australien beschäftigen. Auch hier gilt: Ausklinken und gepflegt ignorieren - so wie bei vielen anderen Krisenthemen sonst – ist keine Möglichkeit.

Die Sendung wird für RTL ein voller Erfolg. Und wer weiß: Vielleicht ruft der Sender die Millionen von Zuschauern zu Spenden für die Krisenregion auf. Das wäre dann in jedem Fall die beste Nachricht aus dem Dschungel in diesem Jahr.

Der Klamauk ist respektlos, meint Ludwig Krause.

Australien – das klingt nach Dschungel, Exotik und fremden Tieren. Genau das Abenteuer also, das RTL als Kulisse für seinen jährlichen Promi-Aufmarsch nutzt. Dass dabei gar nicht im tiefsten Urwald gedreht wird: geschenkt. Es geht ja ums Gefühl. Aber, und dabei ist mir gerade völlig egal, ob man diese Sendung grundsätzlich mag oder nicht: Dieses Jahr fühlt sich das doch sehr schräg an.

Denn Australien brennt. Nicht ein kleiner Teil des Landes: Mittlerweile ist eine Fläche von mehr als zehn Millionen Hektar vernichtet. Das entspricht der Fläche von Österreich. 26 Menschen starben. Der WWF schätzt, dass etwa 1,25 Milliarden Tiere direkt oder indirekt durch die Brände getötet wurden. Was für eine unvorstellbare Zahl, was für eine Katastrophe! Und RTL hat nichts Besseres zu tun, als dieses Land, das mit den mutmaßlich schlimmsten Bränden seiner Geschichte kämpft, einfach wieder als Kulisse für den Trashtalk am Lagerfeuer zu nutzen. Als sei nichts gewesen. Was freue ich mich schon auf fächerwedelnde Moderatoren und Kandidaten, die klagen, dass man bei den Temperaturen gar nicht richtig schlafen kann. Und außerdem schnarcht ja bestimmt irgendjemand.

Zur Erinnerung: Nach dem Anschlag von Halle mit zwei Toten im Oktober haben Joko und Klaas ihre Quatsch-Sondersendung zur besten Sendezeit abgesagt. Aus Respekt vor den Toten. Ein Schritt, den RTL trotz 26 Toten und einer Umweltkatastrophe nicht bereit ist zu gehen.

Stattdessen versucht der Sender zu beschwichtigen: Ein Lagerfeuer gibt es ja dieses Jahr gar nicht so richtig. Sondern einen Gaskocher. Und auch für Raucher gelten ja neue Regeln. Nur mit Spezialfeuerzeug - und Zigarettenstummel wandern sofort in eine verschließbare Box. Na, wenn die Camper in Sicherheit sind, können ja alle beruhigt sein. Und außerdem müsste man ja schon ein paar Stündchen mit dem Auto fahren, um auch wirklich mal was brennen zu sehen.

Ist es aber nicht aber doch eher so, dass der Sender sich schlicht nicht die fetten Quoten direkt zu Beginn des Jahres entgehen lassen will? Und vielleicht schalten ja dieses Jahr sogar ein paar mehr Menschen ein, weil es da doch jetzt so schlimm sein soll in Australien. Vermutlich war auch einfach schon ein erheblicher Teil der Millionen, die es kostet, alle nach Australien zu karren, ausgegeben. Ein besseres Gefühl habe ich deswegen aber nicht.

Brände in Australien: Viele Tiere wurden aus Feuerhölle gerettet
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Tiere, die es aus der Feuerhölle schafften

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Foto: dpa/David Mariuz

Aufhalten kann man das Dschungelcamp 2020 nicht mehr. Es wird gesendet – und wohl auch geschaut. Eines möchte ich RTL aber zurufen: Nutzt eure Sendezeit. Blendet am besten permanent Möglichkeiten ein, wie Menschen spenden können. Setzt ein Zeichen, indem ihr selbst Einnahmen spendet. Und denkt dann darüber nach, ob man das Dschungelcamp im nächsten Jahr wirklich noch einmal so aufziehen sollte. Und wir sollten alle darüber nachdenken, ob wir uns das dann auch noch tatsächlich anschauen wollen.

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