Dschungelcamp-Auftakt Ich bin kein Star, holt mich hier raus

Gold Coast · Zum ersten Mal ist die Mehrheit der Dschungelcamp-Kandidaten durch Trash-TV bekannt geworden. Dass die elfte Staffel auch deshalb öde werden könnte, zeigte der Auftakt am Freitag. Einziger Aufreger: Marc Terenzis Entscheidung an der Wahlurne.

Dschungelcamp 2017: Gina-Lisa Lohfink und Marc Terenzi ziehen ein
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Tag 1 im Dschungelcamp 2017

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Foto: RTL / Stefan Menne

Gina-Lisa Lohfink ist eine Frau, deren Sätze immer dann schillern, wenn sie selbst die Brillanz nicht begreift. "Ich finde die Menschen schlimmer als die Tiere" ist so ein Satz von ewiger Gültigkeit, der fast wie ein Versehen wirkt zwischen Aussprüchen wie "Ich hab jetzt keinen BH an und keine Unterwäsche" und "Erster Tag, und ich fall schon hin." Noch treffender aber war, was sie anmerkte, als die zwölf Kandidaten der elften Staffel von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" ihren Arbeitsplatz im Grünen noch nicht einmal betreten hatten: "Irgendwann landet jeder im Dschungel."

In den ersten Staffeln qualifizierten sich die Kandidaten noch mit halbwegs seriöser Bekanntheit für die madengestützte Versuchsanordnung. Als Schlagersänger, Leichtathlet oder Schauspieler. Doch bald schon drängte eine neue Gattung in den Dschungel: Leute, deren Bekanntheit allein auf der Teilnahme an einer Casting-Show oder einem Reality-Format gründet. Diese Spezies ist in der neuen Staffel des Dschungelcamps erstmals in der Mehrheit. Lediglich Markus Majowski (Schauspieler), Thomas Häßler (Fußballer), Nicole Mieth (Schauspielerin) und Fräulein Menke (Schlagersängerin) haben mehr oder weniger eine Karriere außerhalb des Trashfernsehens vorzuweisen.

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Tag 2 im Dschungelcamp 2017

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Foto: RTL

Schon bei Marc Terenzi ist unklar, ob er als vorgeblicher Sänger der Gruppe "Natural" bekannt wurde oder doch eher als Darsteller der Hochzeitsschmonzette "Sarah & Marc In Love". Alexander "Honey" Keen reichte als Daseinsberechtigung sogar, der Ex-Freund einer Gewinnerin von "Germany's Next Topmodel" zu sein. Eine Minimalbedeutung, der er sich selbst nicht bewusst ist. "Ich bin hier da eingeladen ohne Ende. Läuft."

Warum das zum Problem werden kann, zeigte gleich der Auftakt am Freitag. Als die Kandidaten an einer Strandbar zum ersten Mal aufeinandertrafen, wirkte das wie ein Klassentreffen der C-Prominenz. Diese Menschen sind Trash-TV-Profis, Söldner des schlechten Geschmacks, die Wanderarbeiter des deutschen Billigfernsehens. Für sie ist die Teilnahme am Dschungelcamp kein Abstieg und kein Neuanfang, sondern einfach ein weiterer Versuch, im Gespräch zu bleiben oder überhaupt erst ins Gespräch zu kommen.

Da diese Menschen nie bekannt waren, fehlt ihnen die Fallhöhe, die ein Teilnehmer wie Thomas Häßler besitzt, den wir zu einem Zeitpunkt in seinem Leben unironisch gut gefunden haben. Für Fallhöhe sorgen Profi-Prominenzdarsteller wie Auswander-Auskenner Jens Büchner nur dadurch, dass sie selbst sich eine Höhe, eine Bedeutung einbilden. Das einzige Vergnügen der Zuschauer besteht in der Möglichkeit, dass diese Teilnehmer im Laufe der Staffel ihrer Popularitätsillusion beraubt werden.

Hinzu kommt, dass alle dramaturgischen Kniffe des Produktionsteams mittlerweile bekannt und von den Moderatoren durch den Kakao gezogen worden sind. Die verschärfte Körperkontrolle nach dem Anlegen des Dschungeloutfits, Dr. Bobs flottes Einmarschieren und wie es von Zietlow & Hartwich schon mit dem Unterton "Voll kultig" angekündigt wird, die ersten Dschungelprüfungen mit Krebsen, Raupen, Ameisen und Tierhoden.

Die Prüfungen sind seit Jahren die große Schwachstelle der Sendung und sie werden es auch in diesem Jahr sein. Dass bei der Standardprüfung "Ekelessen" zum ersten Mal auch Urin auf dem Speiseplan stand, darf man als Eingeständnis des Produktionsteams deuten: Wir wissen auch nicht so recht weiter. Die zahlreichen Trump-Gags - erwartbar und mittelmäßig. "Der elfte Dschungel ist härter, böser, giftiger", kündigte Hartwich zu Beginn aus dem Off an. Doch dazu müssten die Macher schon Schlange und Spinne kreuzen.

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Foto: dpa/Pascal Bünning

Doch die einzige Überraschung der ersten drei Stunden Dschungel war, dass Marc Terenzi Trump gewählt hat. Ein nur in bescheidenem Maße zum deutschen Bruttosozialprodukt beitragender Musiker und Stripper, der die deutsche Willkommenskultur seit Jahren ausnutzt, sollte eigentlich wenig Verständnis haben für Menschen, die eine Mauer um das eigene Land bauen wollen. Sein Antrieb für den Dschungel? "Die Geld."

Das Dschungelcamp ist keine Fußballweltmeisterschaft, die einfach immer funktioniert, weil dort das Ergebnis zählt. Nein, beim Dschungelcamp zählt ausschließlich der Weg dorthin. Wer gewinnt, interessiert nur den Gewinner. Vielleicht muss sich der Zuschauer am Ende an einzelnen Momenten aufrichten. Als Kader Loth in der Dschungelprüfung wissen will, ob sie ihren Kakerlakenhelm schon abziehen könne, falls ihr beim Quiz keine Antwort einfalle, entgegnet Daniel Hartwich: "Bei einer Schätzfrage fällt einem schon eine Antwort ein."

Doch es gibt Hoffnung, nicht trotz der geringen Promi-Dichte, sondern ganz unabhängig davon. Denn schließlich wurden die Staffeln, die ganz Meta-Fernsehdeutschland in Atem hielten, geprägt von zwei zuvor nahezu unbekannten Menschen: Sarah Dingens und Larissa Marolt. Was der Zuschauer will, ist Drama, ist Konflikt, also all das, was er sich für sein eigenes Leben nicht wünscht - und da ist es ihm auch egal, wie berühmt die Protagonisten sind. Wir können uns schließlich auch wahnsinnig über Unbekannte aufregen, die im Zug zu laut telefonieren. Neid, Missgunst, Hass, Abscheu - all diese wahrhaften, da nicht zu fakenden Gefühle, geben dem Konzept "Dschungel" seinen Schwung.

Noch leben Alexander "Honey" Keen und Florian Wess in getrennten Lagern, aber sobald sie aufeinandertreffen, ist das Camp zu klein für beide. Weil sie sich viel zu ähnlich sind. Wenn die Sonne scheint, dann scheint sie nur für sie. Zur Begrüßung empfing Wess den Mann, der erst im Laufe des Freitags seinen eigenen Wikipedia-Eintrag erhielt, mit den Worten: "Ich hab noch nie jemanden erlebt, der so famous werden will wie du." Der Zuschauer hat das dramatische Potential auch sogleich erkannt und beide für die Dschungelprüfung am Samstag nominiert.

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Foto: MG RTL D / Stefan Menne

Markus Majowski könnte bald das ganze Camp oder zumindest alle Zuschauer gegen sich aufbringen, wenn die Schlucht zwischen vorgetäuschter Buddhisten-Ruhe und tatsächlichem Gemütszustand noch deutlicher wird. Schon das nicht durch eine deutsche Aufbereitungsanlage geflossene Trinkwasser ließ den Berserker in ihm durchschimmern.

Die Bedeutung, die Sarah Joelle Jahnel und Nicole Mieth der Tatsache beimessen, dass sie sich noch nicht unters Messer gelegt haben, lässt auf Konflikte mit Lohfink und Loth hoffen. Falls diese sich nicht ohnehin schon im Laufe des Wochenendes zum Ausstieg entschließt, weil ihr das Dschungelcamping doch zu beschwerlich ist. "Wir sind seelisch, moralisch, körperlich vergewaltigt worden", stöhnte sie, da hatten sie gerade mal das Lager erreicht.

Noch haben ihre Teamkollegen Verständnis für die Zwangsstörungen von Hanka "Fass mich nicht an" Rackwitz, aber wenn Dschungel-Monotonie und karge Bohnenkost ihnen den letzten zivilisatorischen Anstand ausgetrieben haben, sollte sie nicht mehr auf Rücksicht bauen.

Es könnte also das eintreffen, was Gina-Lisa schon längst weiß. "Ich finde die Menschen schlimmer als die Tiere." Weil die Menschen eben die schlimmeren Tiere sind.

(seda)
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