So wird der Dortmunder „Tatort“ Der erste Fall ohne Martina

Dortmund · Kommissarin Bönisch ist tot, Dortmunds Team trauert. Und Faber kämpft an vielen Fronten. „Du bleibst hier“ ist Abschied von einer Kollegin, familiäre Aufarbeitung, Liebeserklärung — und ein Krimi.

Peter Faber (Jörg Hartmann, l.) ist nach Jahren ohne jeden Kontakt plötzlich wieder mit seinem Vater Josef (Wolfgang Rüter) konfrontiert.

Peter Faber (Jörg Hartmann, l.) ist nach Jahren ohne jeden Kontakt plötzlich wieder mit seinem Vater Josef (Wolfgang Rüter) konfrontiert.

Foto: dpa/Thomas Kost

„Du bleibst hier – versprochen“, das waren die letzten Worte von Kommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt) an ihren Kollegen Faber. Dann starb sie im Einsatz, ein Schock für die fiktiven Kollegen und die realen Fans des Dortmunder „Tatorts“. Diese vier Worte sind für Faber (Jörg Hartmann) eine Bürde. Er ist nämlich gerade nicht bei der Polizei, sondern krankgeschrieben und völlig neben der Spur durch Bönischs Tod. Er schläft in seinem Auto, sieht aus wie ein Schrat, rennt durch den Wald und springt ins eiskalte Wasser des Herdecker Pumpspeicherkraftwerks.

Die ganze Polizeiarbeit bleibt daher an den Ermittlern Jan Pawlak (Rick Okon) und Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) hängen. In einem Park wird eine große Blutlache entdeckt, es ist so viel, dass der Mensch diesen Verlust nicht überlebt haben kann. Doch eine Leiche fehlt. Vermisst wird aber ein Immobilienunternehmer, der Mietshäuser aufkauft und in teures Eigentum umwandelt. So ein Mensch hat mehr Feinde als all seine Gebäude Treppenstufen.

Faber und die Kollegen haben nur sporadischen Kontakt: Er schiebt jeden weg, der ihm helfen will, Er ist unleidlich, eklig und verletzend. Pawlak und Herzog kämpfen mit eigenen Problemen. Sie finden zumindest etwas regelmäßiger zueinander, als Faber feststellt, dass das Haus, in dem sein Vater lebt, auch zum Spekulationsobjekt werden sollte. Dort ist ein Friseursalon, dessen Besitzer Martin (Andreas Schröders) sich anstelle von Faber um den Senior kümmert. In diesem Salon klatschen die Damen unter der Trockenhaube, eine bringt den Sekt mit, die andere selbst gebackenen Kuchen. Und Martin, die gute Seele, geht zwischendurch an die Bude und holt ne Wurst für alle. Aus diesem Kosmos ist Peter Faber ausgebrochen, der Zuschauer erfährt, dass es einen großen Riss zwischen Vater und Sohn gegeben hat, der mit dem Tod der Mutter zu tun haben muss. Jupp Faber wird gespielt von Wolfgang Rüter, geboren in Castrop-Rauxel, ausgebildet an der Folkwang-Schule in Essen – die perfekte Besetzung für ein Pott-Original.

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Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke

„Du bleibst hier“ ist weniger ein Krimi als eine Trauertherapie sowie eine Vergangenheitsbewältigung für Peter Faber. Die Geschichte mit seinem Vater muss geklärt werden, mit schmerzhaften Erkenntnissen für beide Seiten. Faber durchlebt eine Metamorphose und knüpft wieder an sein altes Leben an. Das rührt an.

Außerdem ist der Dortmunder Fall eine romantisierende Liebeserklärung an das alte Ruhrgebiet, mit einfachen Menschen und großen Herzen, Zusammenhalt und einem bedrohten Miteinander. Da verzeiht man der Friseurkundin auch, dass sie immer „zum Bleistift“ sagt statt „zum Beispiel“. In Erinnerung bleibt die filmische Ausstattung des Friseursalons und von Jupps Wohnung – die gute, alte Zeit scheint stehen geblieben.

Für Schauspieler Jörg Hartmann ist dieser „Tatort“ ein ganz besonderer. Gemeinsam mit Jürgen Werner, dem Erfinder des Dortmunder Teams, schrieb er das Drehbuch. Die Idee zur Geschichte mit Figuren und Handlung schlummerte schon lange in seinem Kopf. Zudem war ihm wichtig, dass der Umgang des Teams mit Bönischs Tod ausreichend Platz bekommt. Denn wie sagt Rosa Herzog stellvertretend: „Daran haben wir alle zu knabbern.“ Und daher ist die schönste Szene, wie sie gemeinsam noch einen auf Martina trinken. Naja, wir wissen alle, was „einen“ in Dortmund bedeutet. Eskalation pur.

„Tatort – Du bleibst hier“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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