München Doku zeigt (Alp-)Traum brasilianischer Kicker

München · Der Film "Mata Mata" begleitet brasilianische Jugendliche auf ihrem schwierigen Weg in europäische Profiligen.

Tattoos, die dicke Uhr und Glitzer-Ohrringe hat Carlinhos schon - jetzt fehlt dem fußballverrückten Teenager eigentlich nur noch ein Stammplatz in der Bundesliga. 17 Jahre alt ist das hoffnungsvolle brasilianische Talent gerade erst geworden, als der Südamerikaner aus der Heimat zu Bayer Leverkusen ins ferne Deutschland transferiert wird. In einer der stärksten Ligen der Welt will und soll er sich durchsetzen, Geld verdienen, berühmt werden. Doch Carlinhos' Traum platzt: Schon ein Jahr später gibt er auf.

Auf ihrem langen, teilweise endlosen Weg zum Profi-Fußballer hat Regisseur Jens Hoffmann mehrere brasilianische Talente über drei Jahre begleitet. Herausgekommen sind 270 Stunden Drehmaterial. Am Ende blieben 90 Minuten übrig, die er und Cleonice Comino im Dokumentarfilm "Mata Mata - Spiel des Lebens. Fußball in Brasilien" zusammengestellt haben. Heute, am Abend des Champions-League-Finales, ist das Ergebnis in der ARD zu sehen.

Sechs junge Männer stehen im Mittelpunkt - ein Name klangvoller als der andere. "Jeder einzelne von denen hätte einen ganzen Film hergegeben", sagt Hoffmann. Der Bekannteste: Dante Bonfim Costa Santos, inzwischen als Verteidiger und Samba-Bayer zur festen Größe beim deutschen Rekordmeister Bayern München aufgestiegen. Viele einfühlsame Gespräche hat Hoffmann mit dem 27-Jährigen geführt, ihn in die Heimat begleitet, mit Familienangehörigen, Beratern und Agenten gesprochen. In Brasilien kannte Dante bis vor wenigen Jahren überhaupt niemand, jetzt steht der Verteidiger gar in Brasiliens Seleção für die WM und kann mithelfen, Fußballgeschichte im eigenen Land zu schreiben. Die letzte Szene mit Dante ist nur wenige Tage vor Fertigstellung des Films gedreht worden.

"Das ist Hollywood", sagt Dante, als er den Trainingsplatz des FC Bayern im Sommer 2012 zum ersten Mal betritt. Carlinhos dagegen verzweifelt in Leverkusen zunehmend. Die Kamera folgt ihm an einem grau-nassen Tag auf dem Weg aus seiner Wohnung in einer bürgerlichen Reihenhaussiedlung zum tristen Gelände des Fußballvereins. "Die Deutschen sind wie ihr Wetter", bemerkt er resigniert. Mit jeder Szene wird deutlicher: Fernab der Heimat fehlt ihm nicht nur die Sonne, er vermisst auch seine Familie und Freunde unendlich.

Beim Videochat mit seiner Mutter fragt die, warum er so verweint aussehe. Carlinhos belastet sein extremes Heimweh nicht nur privat, sondern auch im Spiel. "Mein Traum war nie, so weit weg von zu Hause zu sein", sagt er. Seine Familie, die in Brasilien durch das Geld des Sohnes in ein großes Haus ziehen konnte, animiert ihn, noch zu bleiben und durchzuhalten, doch die Sehnsucht wird zu groß.

"Es ist wirklich auch unglaublich, wie dilettantisch Top-Vereine mit solch jungen Profis, die zum ersten Mal fliegen, um nach Europa zu kommen, umgehen", sagt Hoffmann. "Die geben ihnen alles, aber niemanden, der ihnen zur Seite steht." Im Sprachkursus sitze der Japaner neben dem Brasilianer. Fußball-Manager stehen im Pauschalverdacht, minderjährige Brasilianer wie Ware zu behandeln. Im Film wird deutlich, in welchem Zwiespalt die Agenten stehen: Eltern fordern immer höhere Gehälter für ihre Söhne. Oft sind es Verträge, aus denen die jungen Talente nur schwer herauskommen. "Mata Mata", urteilt Carlinhos. "Mata Mata" sagen die Brasilianer zu einem K.o.-Spiel.

"Mata Mata", ARD, Sa., 18.20 Uhr

(dpa)
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