Zwei Fälle am Sonntagabend Die "Tatort"-Schwemme der ARD

Frankfurt/Köln · Heute Abend wird erst in Frankfurt und danach in Köln ermittelt. Auch an Weihnachten und an Neujahr lief schon jeweils eine "Tatort"-Folge. Das ist ärgerlich. Doch die Filme am Sonntagabend sind absolut sehenswert.

 Erst Frankfurt, dann Köln: Die ARD zeigt am Sonntagabend gleich zwei Filme der "Tatort"-Reihe.

Erst Frankfurt, dann Köln: Die ARD zeigt am Sonntagabend gleich zwei Filme der "Tatort"-Reihe.

Foto: dpa, Christians, Kaiser

Außer der Tagesschau und dem "Tatort" hat die ARD offenbar nicht mehr viel zu bieten. Dass die ARD heute um 20.15 Uhr und 22 Uhr gleich zwei neue Folgen sendet — und damit gegen "Die Pilgerin" im ZDF programmiert —, ist nicht nachvollziehbar. Die Öffentlich-Rechtlichen nehmen sich gegenseitig die Zuschauer weg, zwei gute Krimis werden nicht die Zuschauer erreichen, die sie verdient hätten. Das ist ärgerlich, wie die "Tatort"-Schwemme über die Feiertage eine Verschleuderung von Programmvermögen zum Preis von 1,5 Millionen Euro pro Folge war.

Die heutigen Folgen sind absolut sehenswert. Der Hessen-"Tatort" lebt nach dem Ausstieg von Nina Kunzendorf noch stärker von Joachim Król, der in der Folge "Der Eskimo" als Kommissar Frank Steier alleine in Frankfurt ermittelt, dafür aber in mehreren Fällen. Regisseur Achim von Borries, der am Drehbuch mitschrieb, geht zu Beginn in die Vollen und inszeniert Król als alkoholkrankes Wrack. Nach einer furchtbaren Nacht wacht Steier auf einer Parkbank auf — und lässt verkatert eine Täterin entkommen, die er zuvor beim Mord an einem Jogger beobachtet hat.

Król kann sich voll entfalten

Was die Situation nicht besser macht: Das Opfer ist ein Lehrer-Kollege von Steiers Ex-Frau (Jenny Schily), die ihm noch von ihrem jungen Geliebten Lars (toll: Volker Bruch) berichtet. Natürlich forscht Steier dem Rivalen nach — und stößt auf allerlei Ungereimtheiten. Währenddessen geht ihm die nervige Kommissar-Anwärterin Linda Dräger (Alwara Höfels) auf den alkoholgeschädigten Keks. Die Handlung geht mitunter etwas durcheinander, aber sie bietet Joachim Król in schönen Bildern viel Raum, sich schauspielerisch zu entfalten.

Das würde für einen "Tatort"-Abend ausreichen, aber nein, die ARD schiebt um 22 Uhr den mehrfach verlegten Köln-"Tatort" mit dem Abschied von Tessa Mittelstaedt, die als Franziska Lüttgenjohann seit 1999 die Assistentin von Ballauf und Schenk war, nach. Ballauf-Darsteller Klaus J. Behrendt ärgerte sich noch Ende Oktober bei der "WDR-Check"-Sendung aus Mönchengladbach mit Intendant Tom Buhrow über die aus seiner Sicht ungerechtfertigte Verlegung aus Jugendschutzgründen auf einen Sendeplatz um 22 Uhr. Damals sollte es allerdings noch der 15. Dezember sein, an dem dann aber die große Koalition den Krimi verdrängte.

Klima der Angst und Bedrohung

Behrendts Ärger kann man verstehen: Die Folge "Franziska" enthält keine Szenen von übertriebener Gewalt, die jugendlichen Zuschauern nicht zumutbar wären — zumindest im Vergleich mit allem anderen, was inzwischen um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird. Der "Tatort" entfaltet jedoch ein Klima der Angst und der Bedrohung, das sich beständig steigert. Franziska Lüttgenjohann wird in einem Gefängnis von einem Vergewaltiger als Geisel genommen, dessen Bewährungshelferin sie eigentlich werden sollte. Bis zur letzten Sekunde bleibt spannend, ob sie diese Geiselnahme überleben wird.

Der Häftling Daniel Kehl (unglaublich gut: Hinnerk Schönemann) legt ihr einen Kabelbinder als Schlinge um den Hals. Und mit der Handlung zieht sich diese Schlinge immer weiter zu. Das ist nichts für schwache Nerven — aber mit einer der besten Köln-"Tatort"-Folgen seit langem. Auch Behrendt als Ballauf und Dietmar Bär als Freddy Schenk profitieren mit ihren auserzählten Rollen-Profilen davon, dass die Handlung weniger auf ihnen ruht. Das macht ihr Spiel dichter, szenenweise sind sie richtig gut. Wie die ARD mit dieser Folge umgeht, ist allerdings nicht weniger als eine Missachtung des eigenen Films und der Zuschauer.

"Tatort: Der Eskimo", 20.15 Uhr, und "Tatort: Franziska", 22 Uhr, beide ARD

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort