Im Mai 1954 erschien zum ersten Mal "Brigitte" Die "Mutti" der Frauenzeitschriften wird 50

Hamburg (rpo). Die deutsche Frau der 50-er Jahre: herzlich, tapfer, tüchtig. Sie folgte den Wünschen ihres Mannes, war eine gute Hausfrau und Mutter. Und eines Tages fand sie am Kiosk "Brigitte". 65 Pfennig kostete die gedruckte Lebenshilfe zu Beginn, jetzt feiert sie ihren 50. Geburtstag.

<P>Hamburg (rpo). Die deutsche Frau der 50-er Jahre: herzlich, tapfer, tüchtig. Sie folgte den Wünschen ihres Mannes, war eine gute Hausfrau und Mutter. Und eines Tages fand sie am Kiosk "Brigitte". 65 Pfennig kostete die gedruckte Lebenshilfe zu Beginn, jetzt feiert sie ihren 50. Geburtstag.

"Brigitte" bot alles: verständnisvolle Begleitung und Unterhaltung. Rezepte für nahrhafte Speisen, die wenig kosten und ordentlich satt machen mussten, Schnittmuster für die Handarbeit, Kosmetiktipps für die gepflegte Hausfrau, Reportagen und Schicksalsberichte - zum Beispiel über Kriegskinder. Es war Mai 1954, Nachkriegszeit, die Geburtstunde der ältesten Frauenzeitschrift der Bundesrepublik.

Alle 14 Tage ist "Brigitte" seither erschienen, hat mehrere Generationen von Frauen geprägt. Rund 3,3 Millionen Leserinnen hat "Brigitte" bis heute - mehr als alle anderen Hefte auf dem rasant gewachsenen, hart umkämpften Markt der Magazine für Frauen. Selbst an prominenten Fans mangelt es nicht. Verbraucherministerin Renate Künast plauderte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" aus, sie sammele bis heute fleißig "Brigitte"-Kochrezepte. Ihre Amtsvorgängerin Andrea Fischer ließ sich von "Brigitte" zum Walken überreden und berichtet von "kleinen Krisen" zum Jahresbeginn, "wenn sie mich auf Diät setzen wollte". Für ZDF-Moderatorin Luzia Braun gehört die Zeitschrift gar zu ihrer Jugend "wie Krautwickel und die Beichte am Samstagnachmittag".

"Brigitte", sagt Chefredakteur Andreas Lebert selbstbewusst, "ist ein Stück deutscher Geschichte." Und doch sei das Magazin deshalb nicht alt. Seine Begründung: "Eine Zeitschrift hat kein Alter." Entsprechend lautet das Motto der Jubliäumsparty am 6. Mai: "50 Jahre Gegenwart". Die aktuelle "Brigitte" hat mit dem Heft von 1954 in etwa so viel gemein wie die Gegenwart junger Frauen im Jahr 2004 mit den Schicksalen ihrer Großmütter. Vergessen sind Damen mit Häkelmütze, Handschühchen und ernstem Blick, die zunächst die Titelseiten schmückten. Die neuste Bikini-Mode zum Bestellen hätte 1954 vermutlich einen Sexskandal ausgelöst. Statt bei der Familiensättigung hilft "Brigitte" schon seit 1969 beim Abspecken, neuerdings erfährt die Leserin sogar, was sie von Schönheitstrends wie Antifaltenspritzen oder Fettabsaugen halten darf.

"Einsamer Rufer in der Wüste journalistischer Qualität"

Für die Münchner Medienforscherin Romy Fröhlich ist "Brigitte" bis heute das "Flaggschiff" der deutschen Frauenzeitschriften: "Mittlerweile ist sie ein einsamer Rufer in der Wüste was die journalistische Qualität und das redaktionelle Konzept angeht", sagt Fröhlich. Denn seriöse journalistische Recherche finde bei Frauenzeitschriften ansonsten kaum noch statt. Die Redaktion leistet sich einen Aufwand, der bei anderen Magazinen undenkbar wäre: Bevor ein Rezept ins Heft kommt, wird es mehrfach ausprobiert, zum Schluss muss nochmal eine Praktikantin ran und testen, ob es wirklich klappt. Reisereportagen werden nicht mit Werbefotos illustriert, stets geht ein eigener Fotograf mit auf Tour.

Chefredakteur Lebert, dessen Mutter bereits für "Brigitte" schrieb, glaubt, dass klassische "Brigitte"-Leserinnen das Magazin wie eine gute Freundin schätzen, die sie versteht, ernst nimmt, die ihnen gut tut, aber auch ehrlich ist. Vielleicht erklärt dies, warum Tag für Tag eine Flut von bis zu 500 Briefen, Anrufen und E-Mails den Leserdienst der Redaktion erreicht. "Viele Frauen", erzählt Lebert, "beginnen ihre Briefe noch mit: 'Liebe Brigitte, Du...'."

Ganz ohne Runzeln hat aber auch "Brigitte" die Jahre nicht überstanden. Seit Jahren fällt die Auflage, die Leserschaft altert. Die Durchschnittsleserin ist heute 44. Verjüngungsversuche sind schwierig, denn sie könnten die Stammleserschaft vergraulen: Wer sich für Osterbasteleien interessiert, steht nicht unbedingt auf Themen wie "Flirty Sommertrends". Der Verlag setzt deshalb auf Zusatzhefte, um mehr Frauen gezielt anzusprechen. Die jüngste "Brigitte"-Tochter mit dem Titel "Balance" ist erst wenige Tage alt und soll den fitnesshungrigen Nachwuchs begeistern - mit Fit-Folder, Snack-Check und Ratschlägen zur Work-Life-Balance. Vermutlich würde die "Brigitte"-Großmutter da nur noch Bahnhof verstehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort