Tricks im Film Die unsichtbare Kunst

Berlin · Wenn es in der Film- und TV-Produktion um Effekte aus dem Computer geht, spielen deutsche Firmen vorne mit. 

 Das Berliner Unternehmen Rise lieferte unter anderem auch Spezialeffekte für die deutsche Netflix-Serie „Dark“.

Das Berliner Unternehmen Rise lieferte unter anderem auch Spezialeffekte für die deutsche Netflix-Serie „Dark“.

Foto: dpa/dpa, kde soe cgt bsc

(epd) Wie es sich für ein junges Berliner Unternehmen gehört, liegen die Büros der Firma Rise in einem ehemaligen Fabrikgebäude am Spreeufer. Wer sie betritt, muss zunächst eine Vereinbarung unterschreiben, dass er von dem, was er sieht, keine Details weitererzählt. Und es gibt einiges zu sehen: An dicht gedrängten Arbeitsplätzen mit großen Monitoren sitzen reihenweise Männer und Frauen und schaffen visuelle Effekte – das heißt, sie bewegen und manipulieren Filmbilder im Computer. Vielleicht arbeiten sie an einem aktuellen Marvel-Blockbuster, vielleicht an einer Serie für Netflix.

Beides haben sie in der Vergangenheit schon bewerkstelligt, wie Gründer Florian Gellinger erzählt. Vor elf Jahren hat er das Unternehmen mit drei Kollegen und ihren Computern gestartet, heute beschäftigt er rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gemeinsam mit Firmen wie Pixomondo in Darmstadt oder Trixter in München gehört Rise zu den erfolgreichen deutschen Effekt-Produzenten. Deutsche Unternehmen haben einen guten Ruf in der Branche, der Babelsberger Gerd Nefzer gewann mit seiner Firma dieses Jahr einen Oscar für seine Effekte in „Blade Runner 2049“.

Rise arbeitet meistens für große Filmproduktionen – aber inzwischen auch für das deutsche Fernsehen. Im vergangenen Jahr bauten Mitarbeiter der Firma eine Datenbank aus virtuellen Gebäuden, Menschen, Bäumen und Bordsteinkanten aus dem Berlin der 20er Jahre auf, um damit in nur vier Monaten die rund 800 Effekteinstellungen der Serie „Babylon Berlin“ zu bevölkern. Auch für die Effekte in der ersten deutschen Netflix-Produktion „Dark“ war Rise verantwortlich. Dort ging es vor allem darum, ein virtuelles Atomkraftwerk vor die Tore der fiktiven deutschen Stadt Winden zu setzen.

Für Frank Kaminski sind Computertricks ein ideales Werkzeug, um die aufwendige Logistik zu vereinfachen, die Film- und Fernsehdrehs meistern müssen. Dennoch spürt der freie Effekt-Supervisor vonseiten der Produktionsfirmen und Regisseure nach wie vor eine große Skepsis. „Es wird immer noch schwachsinniges Geld ausgegeben, um irgendwo in 20 Meter Entfernung einen Mast mühsam abzubauen, den man für ein paar Euro mit den richtigen Leuten rausretuschieren kann“, sagt er. Ob bei einem Pistolenschuss das Mündungsfeuer ergänzt oder beim Blick aus einem Fenster der bedeckte durch einen sonnigen Himmel ausgetauscht werden soll – visuelle Effekte sind vielseitig einsetzbar.

Einer, der Kaminski vertraut hat, ist der Regisseur Dietrich Brüggemann. Im August 2016 stand Brüggemann mit Kaminski und seinem Szenenbildner Klaus-Peter Platten auf der Schwarzwaldhochstraße zwischen Baden-Baden und Freudenstadt und überlegte, ob es möglich sein würde, dort seinen „Tatort“ zu drehen.

„Stau“, so der Titel, sollte in einer Reihe Autos spielen, die auf der Weinsteige am Rande des Stuttgarter Kessels festsitzen. Ein Dreh am Originalschauplatz kam nicht in Frage. „Ich habe dann in die Waagschale geworfen, dass man am besten nicht draußen auf Location dreht, sondern ins Studio geht und die Straße baut“, erzählt Kaminski. Obwohl die Idee verrückt klang, wurde sie schließlich genau so umgesetzt. In einer Messehalle in Freiburg errichtete Brüggemanns Team einen 100 Meter langen Straßenabschnitt der Weinsteige. Auf der einen Seite der Berghang mit Natursteinmauer und echtem Pflanzenbewuchs, auf der anderen Seite eine Reihe von großen, blauen Leinwänden.

Rise half, das Set in den Computer zu scannen. Die Daten gingen anschließend an die Münchner Firma Scanline, ebenfalls Hollywood-Veteran, die in den fertigen Aufnahmen alle „Blue Screens“ durch ein 3D-Modell des Stuttgarter Panoramas ersetzte. Mit rund 300 computermanipulierten Einstellungen kann „Stau“ als einer der effektlastigsten „Tatorte“ in der Geschichte der Sendung gelten – obwohl man es dem Ergebnis gar nicht ansieht.

Selbst in aufwendigen Fernsehproduktionen wirken die visuellen Effekte am Ende oft weniger spektakulär, als man meinen könnte. Für Regisseur Brüggemann ist das allerdings gerade das Merkmal ihrer Qualität: „Die besten Effekte sind diejenigen, die nicht auffallen. Das ist eine Kunst, die im besten Sinne unsichtbar ist.“

(epd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort