Köln Der politische Dom

Köln · Eine WDR-Doku zeigt die Geschichte des Kölner Doms nach seiner Fertigstellung im späten 19. Jahrhundert.

Der Kölner Dom ist Gottes Haus, Kleinod der Hochgotik, Touristenmagnet, deutsches Nationaldenkmal; er ist Identitätsstifter der Kölner, Bischofskirche, Markenzeichen und Maskottchen; Unesco-Weltkulturerbe, Wirtschaftsfaktor, Deutschlands meistbesuchte Sehenswürdigkeit, Begräbnisstätte und Reliquienschrein, dritthöchste Kirche der Welt - und nicht zuletzt: ein sehr verletzlicher Riese.

Ein neuer Fernsehfilm des WDR nähert sich dem "Geheimnis Kölner Dom". Die Macher wählen glückliche Perspektiven, lassen Menschen mit Kenntnis und Kölner Humor zu Wort kommen: Dompropst Gerd Bachner, Dombaumeister Peter Füssenich sowie den westfälischen Wahlkölner und Kabarettisten Martin Stankowski.

Der Grundstein für den Dom wurde 1248 gelegt. Das älteste Chorfenster von 1260 hatte so leuchtende Farben, dass die Gläubigen an Diamanten dachten. Doch mit der Reformation stoppte der Baubetrieb. Erst 1842, unter preußischer Herrschaft, wurde die Kathedrale weitergebaut und 1880 vollendet. Der Film lebt auch von rheinischer Süffisanz. Zum jahrhundertelangen Baustopp sagt Kabarettist Stankowski: "Mit dem Provisorium leben zu können, hat die Mentalität der Kölner tief geprägt." Köln sei keine schöne Stadt - "aber in ihrer Zweitklassigkeit spitze".

Historische Bewegtbilder zeigen die Bombenschäden des Krieges, die Ziegelplombe im Nordturm, die Fronleichnamsprozession drei Wochen nach Kriegsende, die erste Messe im notrenovierten Dom zur 700-Jahr-Feier 1948 und die Rückkehr des Dreikönigenschreins. Von der bislang spektakulärsten Straftat, dem Domschatzraub von 1975, berichtet die pensionierte Staatsanwältin Maria-Therese Mösch. Begleitet mit Originalbildern wird der Weg der gestohlenen Schätze über die Einschmelzung in Belgrad bis zum Fund verstümmelter Reste in Italien.

Jedes Jahr zieht der Dom sechs Millionen Besucher an, rund 20.000 täglich. Der Film handelt von Wildpinklern und Witterungsschäden; fast 20.000 Euro pro Tag kostet der Erhalt. Baumeister Füssenich: "Der Dom gibt den Takt vor." Arbeiten, die er heute plant, werden teils erst in 50 Jahren ausgeführt werden.

Hauptthema des Films sind weniger die angekündigten "Geheimnisse des Doms" als seine politische Vereinnahmung, etwa die als Nationaldenkmal nach der Reichsgründung 1871: der "deutsche Dom" als Symbol des Willens zu Vollendung und Vereinigung; von Preußen gebaut, gelegen am mit Erbfeind Frankreich umstrittenen Rhein.

Umwelt-Aktivisten, die sich am Domgerüst festketten; der deutsche Beitrag zum internationalen musikalischen Hilfsprojekt "Band Aid" 1985 auf der Domplatte. Die Femen-Aktivistin Josephine Witt, die zu Weihnachten 2013 barbusig im Dom demonstrierte, bekennt, sie sei "ja auch selbst in Weihnachtsstimmung" gewesen. Und schließlich Fronleichnam 2016, als Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki als Altar unter freiem Himmel ein Flüchtlingsboot aus Lampedusa nutzte.

Ein weiterer Schwerpunkt des Films: die Öffnung des Doms für Kirchenferne - etwa während der "Gamescom" 2016 oder für eine Fan-Messe vor Bundesliga-Start: Tausende emporgereckte Schals zur Hymne des 1. FC Köln, gespielt von der Domorgel. Spektakulär sind die Drohnen-Bilder im und um den Dom. Autor Rüdiger Heimlich sagt: "Alle projizieren etwas auf den Dom, es gibt so viele Instrumentalisierungen, und doch stiftet er Einheit und Identität."

"Geheimnis Kölner Dom", WDR, 20.15 Uhr

(kna)
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