Tv-Kritik Der Kriminalist und das Phantom

Zum Abschied darf der Kommissar sich noch einmal wundern. Da kniet Bruno Schumann in der dunklen Wohnung vor der Leiche von Jürgen Treplin, sieht die Stichwunde im Oberkörper und das blutige Messer. "Klarer Fall", denkt er sich – das muss die Tatwaffe sein. Nur ist die Klinge biegsam wie ein Strohhalm und damit zum Morden unbrauchbar, was der Berliner Ermittler seinem Kollegen auch gleich mal demonstriert. Wer zur TV-Gefolgschaft von "Der Kriminalist" gehört, weiß, was jetzt kommt: Hauptkommissar Bruno Schumann sucht nicht den Täter, sondern erst einmal die Eigenheiten des Opfers. In "Lebenslänglich", der letzten Folge der Krimiserie, findet er reichlich: Nach einem Arbeitsunfall vor zwei Jahren erhielt Ex-Fotolaborant Treplin als Entschädigung eine Menge Geld und hat seitdem seine Wohnung nicht mehr verlassen. Die Einkäufe ließ er sich liefern, der Kontakt zur Familie war abgebrochen. In seiner Abschiedsfolge muss sich Hauptdarsteller Christian Berkel im isolierten Leben eines Phantoms zurechtfinden. Einfach gestrickte Opfer-Täter-Märchen gab es beim "Kriminalist" nie – wem psychologische Dichte auf die Nerven geht, dem wird auch "Lebenslänglich" nicht gefallen. Dass Berkel weder als roher Haudrauf noch als dozierender Spurensucher auftritt, war das Erfolgsrezept der Serie, die immerhin sechs Jahre im Freitagabendprogramm des ZDF überlebt hat.

Juliane Kaelberlah

(RP)
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