Düsseldorf Der Durchschnitts-Deutsche

Düsseldorf · Eine ARD-Dokumentation sucht die Antwort auf die Frage: Was ist deutsch?

Thomas Müller ist berühmt. Thomas Müller ist Weltmeister. Thomas Müller fällt auf. Thomas Müller ist auch ganz normal. Das findet er selbst. "Ich bin nix Besonderes, ich pass ganz gut rein", sagt Thomas Müller, der Fußballer.

Damit ist die Frage der Dokumentation von Christian Heynen ("Wer ist Thomas Müller?"), die heute ab 22.45 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird, natürlich nicht abschließend beantwortet. Und Heynen will auch gar keine Antwort darauf, wer Thomas Müller, der Fußballer, eigentlich ist. Denn Heynen weiß, dass Thomas Müller der Durchschnittsdeutsche ist. Das haben die Jungs vom Statistischen Bundesamt ermittelt. Danach ist Thomas Müller 43 Jahre alt, 1,78 Meter groß, leicht übergewichtig (83,4 Kilo), und von Sport hält er nicht viel. Da kann der Fußballer Thomas Müller (25) schon mal nicht gemeint sein, obwohl der sich trotzdem in Durchschnittskategorien messen lässt.

Was der Filmemacher Heynen wirklich wissen will, ist: "Was ist deutsch?" Dafür ist er ein Jahr durch die Republik gereist, und damit das jeder merkt, hat er Bilder der Jahreszeiten in seinen Beitrag eingebaut. Sie verbinden die Stationen der Suche. Heynen trifft viele Thomas Müller, einen Börsenanalysten, einen Oberleutnant, der in Kundus Dienst tut, einen Priester in einem hessischen 4000-Seelen-Flecken, einen Comedian und natürlich den Fußballer. Er spricht mit der typischen Gattin von Thomas Müller, die im statistischen Schnitt Sabine Müller heißt und im speziellen Fall der Doku Fachanwältin für Familienrecht ist. Das passt prima, denn im Schnitt wird jede dritte Ehe geschieden. Und er spricht mit dem Sohn von Thomas Müller, der nach allen Erkenntnissen des Statistischen Bundesamts Jan Müller heißt, 1,81 Meter groß ist und überhaupt nichts von Rebellion hält.

Der Zuschauer erfährt, dass Deutsche selten zum Risiko neigen. Das verrät der Börsenanalyst. Das Publikum bekommt auch alle anderen (Vor-)Urteile geliefert. Pflichtbewusst sei der Deutsche, sagen vor allem Ausländer, verlässlich, ordentlich und humorfrei. Das wiederum will der Comedian Thomas Müller so nicht bestätigen. Schließlich verdient er sein Geld mit Humor oder dem, was seine Fans dafür halten. Heynen verquirlt kurze Antworten auf die Frage, was denn nun deutsch sei, mit Daten. Er findet Anhaltspunkte dafür, dass sich viele Urteile auf korrekte Beobachtungen gründen. Es wird daher auch reichlich normale Welt abgebildet, von der Feier im Diskolicht über das Durchschnittszimmer des Durchschnittssohnes bis zum Dorfladen, in dem der Priester einkauft. Das ist alles so bekannt, dass so mancher rätseln wird, warum Heynen dafür 11 435 Kilometer durchs Land gereist ist. Eine schlüssige Antwort bekommt er nicht. "Deutsch sein", so ahnt er schließlich, "ist etwas ganz Individuelles." Und wer die Herleitung eher unspektakulär findet, der kann sich mit Thomas Müller, dem Fußballer, trösten: "Typisch deutsch ist: Wir meckern gern."

"Wer ist Thomas Müller?", ARD, 22.45 Uhr

(RP)
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