TV-Kritik zu "Der Bachelor" Kennst du einen, kennst du alle

Los Angeles · Ein sexy Typ mit verruchtem Blick, 22 kreischende Damen die alle ausnahmslos nur den Einen wollen. Dazu sommerlich-heiße Temperaturen, die Suche nach der ganz großen Liebe und dezent platzierte Getränkewerbung. Der Auftakt der neuen Staffel von "Der Bachelor" hält, was er verspricht – nämlich gar nichts.

Der Bachelor 2016: Leonard Freier empfängt die Frauen (Folge 1)
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"Der Bachelor" 2016: So empfing Leonard die Damen an der Villa

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Foto: RTL

Ein sexy Typ mit verruchtem Blick, 22 kreischende Damen die alle ausnahmslos nur den Einen wollen. Dazu sommerlich-heiße Temperaturen, die Suche nach der ganz großen Liebe und dezent platzierte Getränkewerbung. Der Auftakt der neuen Staffel von "Der Bachelor" hält, was er verspricht — nämlich gar nichts.

Zugegeben, der Bachelor 2015 sieht wirklich gut aus. Braune Augen, groß gewachsen, extrem muskulös. Und im Gegensatz zum letzten Bachelor hat er einen entscheidenden Vorteil: Haare auf dem Kopf. Oliver ist ein Mann wie aus dem Katalog. Blättert man weiter, hat man ihn zwar schnell wieder vergessen, aber: Blättern muss man nicht.

Der Bachelor: Die Kandidatinnen 2016 posieren sexy im Bikini
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Die "Bachelor"-Kandidatinnen 2016 zeigen sich im Bikini

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Foto: RTL / Gerard Santiago

Schließlich gibt es ja nur einen einzigen weit und breit. Von den jungen (teilweise wirklich sehr jungen) Damen gibt es hingegen 22. Und die präsentierten sich in der ersten Folge am Mittwochabend von ihrer besten Seite. Was bei der ein oder anderen Grund zur Sorge ist.

In der aktuellen Staffel des Bachelors buhlen die Damen in Los Angeles um Mister Germany 2014. Nicht mehr in Südafrika, aber immer noch abseits des Alltags, warten hier Abenteuer, Zärtlichkeiten und Zickenkrieg auf alle Beteiligten. Schon im Vorspann wird klar: Der Zuschauer wird, für den Fall, dass er wirklich nicht mehr als das erwartet, nicht enttäuscht.

Dafür sorgen die Kandidatinnen, die in der ersten Folge natürlich nach und nach vorgestellt werden. In Erinnerung bleibt zuallererst Annamaria, 26 Jahre alt. Die flippige Blondine zeigt ihre kleinen Schoßhunde, passend zum Thema, in Hochzeitskostümen. Zum ersten Mal zieht man die Augenbrauen hoch. Aber es wird noch skurriler. Annamaria kichert. "Darf man sagen, dass man ein Intimpiercing hat?" Darf man schon, muss man aber nicht. "Das habt ihr doch jetzt nicht gefilmt oder?" Natürlich nicht. Natürlich doch.

Die Zuschauer wollen Peinlichkeiten

Es ist so peinlich, dass einem fast die fettarme Diät-Schokolade im Hals stecken bleibt. Doch genau das ist es, was die Zuschauer des "Bachelors" sehen wollen. Peinlichkeiten. Und das von Frauen, die gebildet sind, mit beiden Beinen im Leben stehen, gut aussehen. Und sich dennoch zum Affen machen. Aber warum eigentlich? Was bewegt eine moderne Frau im 21. Jahrhundert dazu, bei so einer Show mitzumachen?

Für Zyniker ist die Antwort mit Blick auf die beruflichen Laufbahnen der Kandidatinnen klar: Wir haben Models, Kleinunternehmerinnen, eine Ex-Spielerfrau mit finanziellen Ansprüchen, ein It-Girl und ein Playmate. Ein kleiner Popularitätsschub hat noch keinem weh getan. Für Träumer lautet die Antwort aber: Die Suche nach der ganz großen Liebe. Heiraten, Kinder bekommen, zurück zur spießigen Bürgerlichkeit.

Mit 22 bist du nicht mehr die Jüngste

Krankenschwester Liz nimmt die RTL-Crew dafür mit nach Hause zu den Eltern, wo in trauter Zweisamkeit Wurstbrote vernascht werden. Während die Eltern vor Eiche rustikal im Wohnzimmer turteln, sieht die Blondine mit Schmollmund zu. Ich will endlich auch einen Partner, eine Familie, Kinder. Beeil dich Mädchen, mit 22 bist du auch nicht mehr die Jüngste.

Das ist der neue Bachelor 2016: Leonard Freier aus Berlin
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Leonard aus Berlin ist "Der Bachelor" 2016

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Foto: RTL/Stefan Gregorowius

In vergleichbarer Situation präsentiert sich auch Fitness-Ökonom, Personal Trainer, Mister Germany und eben Bachelor Oliver Sanne. Zuhause bei Mama Ingeborg und Papa Jürgen ist das kleine Familienglück fast perfekt. Dem 28-Jährigen fehlt nur noch eine Frau, die ihn verzaubert. Einen besonderen Typ hat er nicht. Er sucht eine Dame, die witzig, locker, ehrlich, treu, charmant und ein bisschen verrucht ist. Wenn es sonst nichts ist.

Wer wird stolpern?

Die erste Folge der Staffel ist genauso aufgebaut wie die vorherigen. Die schwarze Limousine bringt die angemalten Mehr-oder-weniger-Schönheiten zur protzigen Villa nach Los Angeles. Dort wartet der Mann im schwarzen Anzug. Die Aufregung bei allen Beteiligten ist groß. Auch bei den Zuschauern. Denn: Es gibt eine Treppe. Die große Frage: Wer wird stolpern? Nicht nur auf der Stufen, sondern auch bei den 23 unangenehmsten Gesprächssekunden, die man sich nur vorstellen kann. Und: es geht los.

Mit "Oh Gott ist der schön" reagiert jede einzelne der Damen auf den Bachelor. Es wird gequietscht, geschwitzt und an den Klamotten gezupft. Selbstbewusst, freundlich und zuckersüß präsentiert sich dabei die blonde Nicola aus Österreich, übrigens eine potentielle Favoritin. "Woher kommst du", fragt Oliver. "Aus Wien" sagt Nicola. "Österreich?", fragt der Bachelor. Herrlich banal. Herrlich peinlich. Nicola stolziert die Treppe hoch- und bekommt später eine Rose.

Erfrischender geht es da bei Hotelfachfrau Lara zu. Die Ruhrpott-Schnauze beschreibt die Situation noch im Auto sehr passend: "Ich möchte kotzen, Mann." Nachdem die 25-Jährige die peinlichen Floskeln mit fast schon beschämend-dialektaler Prägung hinter sich bringt, braucht sie erst mal einen Drink. Verständlich. Sie erhält später übrigens keine Rose.

Und dann geht es daran, den heißen Typen kennenzulernen. So richtig intensiv. Und so schnell wie möglich. Sarah, die mit ihrer blonden Turmfrisur ein wenig an einen Pfau erinnert, krallt sich Oliver. Es geht, wie man es aus den vorherigen Staffeln kennt, in den Garten. Ob Südafrika oder Los Angeles, RTL bleibt der altbekannten Kulisse treu. Und Sarah hat einen ganz großen Vorteil. Sie war mal dick. Das alleine ist natürlich kein Vorteil, aber wenn auch der Bachelor mal dick war, ist das natürlich super. Sie bekommt die erste Rose. Insgesamt kommt das Thema Übergewicht gefühlt 15 Mal auf. Immer gepaart mit Slow-Motion und tragischer Musik. RTL setzt halt auf Klassiker.

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Foto: TVNow

Apropos Klassiker: Natürlich darf auch der heiß ersehnte Zickenkrieg nicht fehlen. Kandidatin Susanna kristallisiert sich bereits in der ersten Folge als Hassperson Nummer eins heraus. Sie kommt (natürlich) weiter. Prognose: Das 27-jährige It-Girl wird mindestens Vierte.

Die erste Nacht der Rosen — und dann der erste Schock. Pferdewirtin Lisa ist zu normal, zu selbstbewusst, zu realistisch für den Bachelor. Und sich zu stolz dafür, etwas durchzuziehen, was sie eigentlich gar nicht will. Mal sehen ob diese Erkenntnis auch noch bei der ein oder anderen durchsickert. Wahrscheinlich nicht.

Das wollen wir aber eigentlich auch gar nicht. Wir wollen sehen, wie sich junge, gebildete Frauen zum Affen machen. Wir wollen, dass uns unser eigenes Leben angesichts der absolut nicht nachvollziehbaren Erniedrigung, sich in Schönheit, Präsenz und Durchsetzungsfähigkeit andauernd übertreffen zu müssen, doch plötzlich ganz in Ordnung vorkommt. Im Privatleben den gleichen Druck verspüren wie im Job, wo Konkurrenz lauert und schwache Leistungen direkt abgestraft werden, nein danke. Selbst wenn der "Preis" ein hübscher Mitt-Zwanziger ist.

Sich das Ganze unter dem Deckmantel der Suche nach der ganz großen Liebe anzusehen, ruft aber irgendwie ein gutes Gefühl hervor. Es ist nicht mehr und nicht weniger. Die neue Staffel der Bachelor zeigt uns auf ganz banale Art und Weise, was wir nicht wollen. Und deshalb ist es auch absolut legitim sie zu gucken — und zwar mit wöchentlich wachsender Begeisterung.

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