Zweite Staffel von "Westworld" Der Aufstand der Roboter geht weiter

Salt Lake City · "Westworld", die brillante Serie zwischen allen Genres, geht in Star-Besetzung und mit Karacho in die zweite Staffel. Ein spoilerfreies Plädoyer dafür, endlich die 100 Millionen Dollar teure erste zu sehen.

 Wer ist hier der Mensch? Programmierer Bernard (Jeffrey Wright, rechts) mit der Grundversion eines hochentwickelten "Hosts", an denen sich die Menschen in einem Wildwest-Freizeitpark blutig austoben können. Doch die Roboter entwickeln ein Bewusstsein...

Wer ist hier der Mensch? Programmierer Bernard (Jeffrey Wright, rechts) mit der Grundversion eines hochentwickelten "Hosts", an denen sich die Menschen in einem Wildwest-Freizeitpark blutig austoben können. Doch die Roboter entwickeln ein Bewusstsein...

Foto: Sky/HBO

Eigentlich gab es bislang nur einen Grund, "Westworld" nicht zu sehen — und der hat sich jetzt erledigt: Nach zehn Folgen war die erste Staffel der ambitionierten Serie zwischen Western und Science-Fiction, Drama und Action im März 2017 vorbei, und das selbstverständlich auf ihrem Höhepunkt. Doch nun ist auch die elfte Folge beim Pay-TV-Anbieter Sky verfügbar, und jeden Montag kommt eine weitere dazu. Anlass genug für die unbedingte Aufforderung, "Westworld" eine Chance zu geben, obwohl das ein Monatsabonnement ("Sky Ticket", ab 4,99 Euro) voraussetzt, zusätzlich zu Netflix und/oder Amazon Prime. Zu verlieren gibt es praktisch nichts, zu gewinnen eine neue Lieblingsserie, die auf jede erdenkliche Art aus der Masse herausragt.

Alles ist einfach exzellent

Nahezu alles an "Westworld" ist exzellent, wie schon der Vorspann andeutet: 3D-Drucker konstruieren in klinisch reinen Labors aus einer weißen Masse Knochen und Sehnen, Haut und Haar. Als hätten Steve Jobs oder Elon Musk Frankensteins Monster ein Update verpasst. Mit kühler Präzision entstehen Roboter in Menschen- und Tierform, die, so ahnt man, durch Kunstfell und Kostüme, computergenerierte Bewegungen und Geräusche sowie Künstliche Intelligenz gespenstisch lebendig wirken werden, wenn sie die titelgebende Wildwest-Simulation bevölkern. Eine knöcherne Hand spielt zu alledem die sirenenartige Titelmelodie des Duisburger Komponisten Ramin Djawadi auf einem Klavier — aber nur kurz. Denn schnell lernt das Instrument, sich selbst zu spielen.

Die hochentwickelten Roboter dienen wie schon im Kinoklassiker "Westworld" (1973) obszönerweise nur als Zielscheiben und Bettgefährten für die menschlichen Gäste im gleichnamigen Wildwest-Freizeitpark. In der Serie ist es der mysteriöse Patriarch Dr. Robert Ford (Sir Anthony Hopkins in seiner ersten Fernsehrolle), der die Menschen in einer nicht allzu weit entfernten Zukunft einlädt, die sich zum Vergnügen und gegen teures Geld auszutoben — als Lokführer, Pfadfinder und Cowboys, vor allem aber als Bankräuber, Vergewaltiger, Mörder.

"Unser Tod ist nur ein Spiel für sie"

Die erste, 100 Millionen Dollar teure Staffel ist, so viel sei verraten, das Vorspiel zum Aufstand der Roboter. Nach Jahren der Unterjochung erlangt zuerst die zarte Dolores (Evan Rachel Wood), buchstäblich auf die Opferrolle abonniert, ein Bewusstsein — und damit auch ein Bedürfnis nach Rache an ihren Schöpfern. Auch die nur augenscheinlich aus Fleisch und Blut bestehende Bordellbetreiberin Maeve (Thandie Newton) ist angewidert von den Menschen: "Unsere Leben, unsere Erinnerungen und auch unsere Tode sind nur ein Spiel für sie." Als sie zur Revolution blasen, erkennt der Chefprogrammierer Bernard (Jeffrey Wright) schmerzhaft seine Grenzen...

Leider nur fünf Emmys

In dieser Serie geht es um alles. Den Hang des Menschen zu roher Gewalt und seinen Gottkomplex, Moral und Manipulation, den Wert von Erinnerungen und Emotionen, Beziehungen und die Grundpfeiler der eigenen Identität. "Westworld" ist komplex bis zur Schmerzgrenze (verschiedene Zeitebenen!), aber atemberaubend ambitioniert, clever und spannend. Punktabzug gibt es nur für das arg wechselnde Tempo. Der Lohn: 11,7 Millionen US-Zuschauer pro Folge — mehr als bei "True Detective" oder "Game of Thrones".

Umso unverständlicher, dass die Serie bei bislang 22 Emmy-Nominierungen nur fünf der "Fernseh-Oscars" gewonnen hat, und das waren Trostpreise in Kategorien wie Tonmischung, Make-Up und Frisuren. Aber die Macher haben Zeit, "Westworld" wird als Über-Serie à la "Breaking Bad" und "Game of Thrones" positioniert und soll über fünf Staffeln laufen. Die bisherigen elf Folgen sind jedenfalls Gesamtkunstwerke der Schöpfer Jonathan Nolan und seiner Frau Lisa Joy, dem Schauspieler-Starensemble sowie der Armee von Kostüm- und Maskenbildern, Musikern, Programmierern und Schreinern.

(tojo)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort