Analyse zum 50. Geburtstag Das ZDF sucht seine Zukunft

Mainz · Zu seinem 50. Geburtstag muss das ZDF beginnen, Personal abzubauen, Sendungen zu streichen und Teile seines Sendebetriebs einzustellen. Seine Gründungslegitimation hat der Sender schon lange verloren.

Historische Bilder aus 50 Jahren ZDF
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Eigentlich steht das Zweite Deutsche Fernsehen gar nicht so schlecht da: Die ersten zwei Monate des Jubiläums-Jahres schloss es als Marktführer ab, auch 2012 lag es in der Zuschauergunst vor RTL und der ARD, gerade erst hat es mit dem Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" viel Anerkennung gewonnen.

Zum Geburtstag leistet sich das ZDF gleich zwei große Shows. Eine wurde am Donnerstag ausgestrahlt, die zweite ist für Samstag angekündigt, jeweils 20.15 Uhr. Die Gästeschar ist beeindruckend: Hape Kerkeling, Udo Jürgens, Senta Berger, Thomas Gottschalk, Katarina Witt, Dieter Kürten, Wolfgang Stumph, Oliver Kahn, Frank Elstner, Sascha Hehn, Siegfried Rauch, Rudi Cerne, Birgit Schrowange und Wolf von Lojewski.

Alles Gesichter, die dem ZDF-Publikum teils unvergessliche Fernseh-Stunden beschert haben. Umso deutlicher fällt auf, wie überschaubar die Riege der ZDF-Köpfe unter den Gästen ist, die aktuell das Programm wirklich prägen: Markus Lanz, Claus Kleber und Gundula Gause. Maybrit Illner muss moderieren, da Jörg Pilawa verkündet hat, am Jahresende zur ARD zurückzukehren. Keinem anderen öffentlich-rechtlichen Sender merkt man so sehr an, wie teils verzweifelt er auf der Suche nach einer Zukunft ist. Immerhin: Im Gegensatz zu mancher ARD-Anstalt sucht er.

Sender muss schrumpfen

Auf dem Sparten-Kanal ZDF Info versuchte der seit einem Jahr amtierende Intendant Thomas Bellut sich jüngst in Selbstkritik. Titelfrage der Diskussionssendung: "Teuer, mutlos, undurchsichtig — ist das ZDF von gestern?" Die Antwort, die Bellut gern vermieden hätte, lautet: Ja. Viel mehr als "heute-show" mit Oliver Welke fiel Bellut als Beispiel für frische Formate seines Senders nicht ein. Aber da komme noch was. Nur dauere das halt bei einem so großen Unternehmen seine Zeit.

Zunächst muss Bellut seinen Sender samt der digitalen Beiboote vor allem verkleinern. Von den aktuell rund 3600 Mitarbeitern müssen rechnerisch 400 gehen. Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs hat dem Sender verordnet, bis 2016 rund 75 Millionen Euro im Personalhaushalt einzusparen. Gleichzeitig soll der Sender fit für die Zukunft werden, was er nicht durch weiteres Wachstum schaffen kann. Bellut hat beschlossen, den Sender ZDF-Kultur einzustellen, und verteidigt den Schritt als "absolut notwendig". Reichen wird das jedoch nicht.

Zwei Milliarden Euro Gebühren

Bei einem Gebührenaufkommen von knapp zwei Milliarden Euro ist Geld auch nicht wirklich das Problem des Senders, wenn er denn damit vernünftig wirtschaften würde. Das eigentliche Problem des ZDF ist, dass es für seinen Fortbestand eigentlich gar keinen Grund mehr gibt: Es hat seine Gründungslegitimation schon lange verloren.

Als das "Zweite" am 1. April 1963 auf Sendung ging, sollte es eine Konkurrenz und Alternative zum Programm der ARD bieten. Die Idee stammte ursprünglich von Konrad Adenauer, der sich einen Staatssender mit dem Bund als Eigentümer wünschte — und der entsprechend freundlich über den Bundeskanzler berichten sollte. Doch das "Adenauer-Fernsehen" scheiterte 1961 vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Gericht verlangte, dass der neue Sender dem staatlichen Einfluss weitgehend entzogen werden solle.

Geklappt hat das nie. Ex-ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jüngst in einem offenen Brief auf, eine "Initiative zum Rückzug aller Politiker aus den öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremien im Wahljahr 2013" zu ergreifen. Brender war nach zehn Jahren als Chefredakteur vom CDU-dominierten Verwaltungsrat aus dem Amt befördert worden und beklagte daraufhin, die Politik habe ein "Spitzelsystem" im Sender installiert.

Dass Parteisprecher das ZDF bis heute zumindest für eine Truppe halten, der man per Telefonanruf Nachrichten untersagen kann, demonstrierte im Herbst 2012 ein kurz darauf zurückgetretener CSU-Sprecher, der die Nominierung von Christian Ude (SPD) zum Gegenkandidaten von Horst Seehofer (CSU) für die kommende bayerische Landtagswahl für wenig berichtenswert hielt. Ein Vorgang, der beim ZDF als alles andere als einmalig galt — trotz ausgeprägt vorauseilenden Gehorsams, der beim ZDF unter der Überschrift "Ausgewogenheit" firmiert.

Echte Alternative zur ARD

Dennoch entwickelte sich das ZDF über Jahre zur echten Alternative zur ARD. Nicht nur, weil das "Zweite" politisch etwas schwärzer als der "Rotfunk" war, sondern echten TV-Innovationen auf den Bildschirm verhalf. Gerichts-Shows wurden nicht vom Privatfernsehen erfunden, sondern 1970 vom ZDF mit "Ehen vor Gericht", später gab es noch das Verkehrsgericht und "Wie würden Sie entscheiden?". Joachim Bublaths "Knoff-hoff-Show" war der Versuch, Wissenschaft ohne den Anstrich des Schulfernsehens zu präsentieren. Bei den Gesprächsformaten setzte das ZDF gleich 1963 mit der Reihe "Journalisten fragen — Politiker antworten" einen Maßstab für spätere Formate.

Was der ARD an Unterhaltung immer fehlte, bot das ZDF: Klassische eigene Serien wie die "Schwarzwaldklinik" und die "Drombuschs", das Zweite kaufte aber auch internationale Serien ein wie "Mit Schirm, Charme und Melone", "Bonanza" oder "Raumschiff Enterprise". Mit dem "Zweiten" sah man vielleicht nicht unbedingt besser, aber anders. Nimmt man die Zahl der erinnerungswürdigen ZDF-Formate (siehe Info-Box) als Maßstab, so fragt man sich, wie dem Sender seine Experimentierfreude und Innovationsfähigkeit abhanden gekommen sein mögen.

Die simple Antwort: Durch die Einführung des Privatfernsehens wird die Ex-Alternative eigentlich nicht mehr gebraucht. Dass es mit ARD und ZDF nun für die Ewigkeit gleich zwei öffentlich-rechtliche Sender gibt, die als staatliches "Zwangs-Pay-TV" (Ex-RTL-Chef Dieter Thoma) den privaten Sendern das Leben schwer machen, stößt auf immer weniger Akzeptanz. Zumal das ZDF, statt seinen Bildungsauftrag zu erfüllen, vielfach den Privaten immer ähnlicher wird. Mit dem Jubiläums-Programm über den Bildschirm ein trotziges "Wir waren zuerst hier!" zu rufen, wird nicht reichen. Das haben die Indianer zu Kolumbus auch gesagt.

(RP/jre/pst)
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