Köln Das SS-Massaker von Oradour

Köln · Die ARD erinnert an das ungeheuerliche Verbrechen der SS in Frankreich vor 70 Jahren.

Aus Sicht der Angehörigen eines Opfers muss die Frage nach der Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag wie höhnische Haarspalterei wirken. Juristisch allerdings entscheidet die Antwort darüber, ob ein Verbrecher auch Jahrzehnte später noch zur Rechenschaft gezogen werden kann: Mord verjährt nicht. Trotzdem mutet es wie eine Farce an, wenn erst 70 Jahre nach einer Untat, über deren Hergang nie ein Zweifel bestand, gegen die Täter ermittelt wird.

Am 10. Juni 1944, vier Tage nach der Landung der Alliierten in der Normandie, ermordeten Soldaten der SS-Division "Das Reich" fast die gesamte Einwohnerschaft des Dorfes Oradour-sur-Glane im Herzen Frankreichs. 642 Männer, Frauen und Kinder starben dabei. Die Menschen wurden in der Kirche und in Scheunen eingepfercht und erschossen; dann wurden die Gebäude in Brand gesetzt. Wer noch nicht tot war, kam qualvoll in den Flammen um.

Ute Casper erinnert mit ihrer gleichnamigen Dokumentation an diesen "Fall Oradour". Ein Fall ist es in der Tat bis heute, denn endlich hat die deutsche Staatsanwaltschaft in Dortmund, zuständig für die Verfolgung von NS-Kriegsverbrechen, die Ermittlungen aufgenommen. Der zuständige Staatsanwalt gibt die juristische Erklärung dafür, warum so viel Zeit vergangen ist, Casper ergänzt seine Ausführungen um die politische Komponente: In der Nachkriegszeit konnten die Mörder unbehelligt in ihren Alltag zurückkehren; die Rädelsführer sind sogar von offiziellen Stellen darüber informiert worden, dass ihnen in Frankreich der Prozess gemacht werden könnte. Später schlossen sich die Verbrecher unverfroren in aller Öffentlichkeit wieder zusammen und streuten die Legende vom Widerstandsnest Oradour.

Angesichts des Massenmords wäre es nur allzu verständlich gewesen, wenn Autorin und Regisseurin Casper ihren Film mit viel Wut und Empörung gestaltet hätte, doch der Tonfall ist weitgehend sachlich. Auch aus den Beiträgen der hochbetagten Zeitzeugen, unter ihnen einige Überlebende des Massakers, spricht eher der Wunsch nach Versöhnung als nach Rache.

"Der Fall Oradour", ARD, 23.30 Uhr

(RP)
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