Mainz Das schwierige Leben mit Parkinson

Mainz · Für ihren ZDF-Film hat Annette Baumeister zwei Patienten durch ihren Alltag begleitet.

Sie sind zwei von schätzungsweise 300 000 Parkinson-Patienten in Deutschland. Da ist die 56-jährige Gisela Steinert, einst begeisterte Langstreckenläuferin und immer noch eine sportliche Erscheinung. Die ehemalige Sekretärin erhielt ihre Diagnose im Alter von 36 Jahren. Und da ist der Musikkabarettist Fredl Fesl, 66, gelernter Kunstschmied und früher auch einmal erfolgreicher Gewichtheber. Rund 18 Jahre nach Bekanntwerden seiner Erkrankung fühlt er sich heute wie eine leere Hülle.

Für ihren Film "Außer Kontrolle – Leben mit Parkinson" hat Annette Baumeister die beiden durch ihren Alltag begleitet – zum zweiten Mal nach 2006. Das ZDF zeigt die halbstündige Dokumentation heute um 22.15 Uhr als Teil der Reihe "37 Grad". Manches, was vor rund sieben Jahren noch möglich war, ist heute für Gisela Steinert und Fredl Fesl Vergangenheit. Der Kabarettist beendete 2007 seine Bühnenkarriere. An den letzten Auftritt haben er und seine Frau Monika weniger gute Erinnerungen. Sprache und Gitarrenspiel konnte er plötzlich nicht mehr koordinieren. Er habe versucht, trotzdem weiterzumachen – aber es sei immer schlimmer geworden, erzählt Fesl.

Etwa zur gleichen Zeit nahm Gisela Steinert noch an Volksläufen teil und fuhr auf dem Motorrad mit ihrem Mann Ralf durch halb Europa. Inzwischen fehlt ihr die Kraft, sich an ihm festzuhalten. Sie komme sich mitunter eingeschnürt und wie in einem engen Kasten vor, sagt Gisela Steinert. Für Fredl Fesl werden alltägliche Vorgänge bisweilen zu einem absurden Theater. Es sei, "wie wenn man versucht, in einem Teig zu schwimmen", erzählt er. Aufgeben kommt für die beiden trotzdem nicht infrage. Gisela Steinert hält Kontakte zu anderen Betroffenen – etwa über eine von ihr moderierte Radiosendung im Internet oder die Teilnahme an einem Tango-Tanzkurs für Parkinson-Patienten. Fredl Fesl schreibt an seiner Biografie und feilt an seinem jüngsten Projekt: einer "Schunkelhilfe" für Stimmungsbremser in Bierzelten. "Das ist irgendwas, was der Mensch ganz dringend überhaupt nicht braucht", sagt Fesl verschmitzt über die gebogene Sitzschüssel mit Griffen an beiden Seiten, mit denen Banknachbarn den Schunkel-Unwilligen in Bewegung bringen können. In solchen Momenten blitzt es wieder auf: das handwerkliche Können und die großartige Ironie des Nonsensdichters Fredl Fesl.

"Was bleibt vom Leben?"– diese Frage habe sie sich vor den Dreharbeiten gestellt, sagt Annette Baumeister. Rasch habe sie feststellen können, dass Gabriele Steinert und Fredl Fesl "jede noch so kleine Möglichkeit nutzen, um ihre Leidenschaften und Ideen zu verwirklichen". Beide seien "sie selbst geblieben, mit ihrem Humor, Geist und Intellekt". Eine wichtige Botschaft nicht nur zum Welt-Parkinsontag am 11. April.

"Außer Kontrolle - Leben mit Parkinson", Film von Annette Baumeister in der Reihe "37 Grad", ZDF, 22.15 Uhr

(kna)
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