Sabine Bode "Das Schweigen zum Krieg hat viele Gründe"

Die Kölner Autorin nennt "Unsere Mütter, unsere Väter" einen Anlass, in der Familie über die Kriegserlebnisse zu sprechen.

Köln Der ZDF-Dreiteiler war filmisch und programmplanerisch ein Wagnis. Historiker und Psychologen loben das Kriegs-Epos, denn es ermöglicht eine emotionale Aufarbeitung der NS-Zeit nach der historischen, die bereits geleistet wurde. Die Kölner Autorin Sabine Bode erklärt, welche Perspektiven dieses Projekt für die Zukunft eröffnet.

Frau Bode, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Thema Krieg und Kriegserinnerungen. Warum glauben Sie, kommt der ZDF-Film so gut beim Publikum an?

Sabine Bode Der Film ist die kollektive Erlaubnis, über das Thema öffentlich zu sprechen. Es hat mehrere Schritte gegeben, die darauf vorbereitet haben. So war 2002 das Buch "Im Krebsgang" von Günter Grass die Erlaubnis, sich mit dem Vertriebenenthema auseinanderzusetzen. Der Film "Unsere Mütter, unsere Väter" kommt nun dem Bedürfnis nach, das Kriegsthema emotional in den Familien aufzuarbeiten. Der Film bricht endlich das Schweigen.

Warum jetzt?

Bode Es gibt fast niemanden mehr, der als Kriegserwachsener aus dieser Zeit auskunftsfähig ist. Man spürt, das sind jetzt die letzten Zeitzeugen. Man hat Angst, nichts mehr zu erfahren oder bedauert, dass die Eltern nicht mehr da sind. Die Kinder wollen verstehen, wer ihre Eltern waren.

Wie finden Sie den Film?

Bode Er ist hervorragend gelungen, ein Meilenstein. Ich habe noch nie einen Film gesehen, der so emotional ist, und zeigt, dass Krieg und Gewaltherrschaft nicht nur die Beziehungen zerstört, sondern auch die Beziehungsfähigkeit. Der Film setzt neue Maßstäbe, denn bisher wurden Kriegsgeschichten wie "Dresden" oder "Die Flucht" von den Sendern nur als Melodram behandelt.

Warum spricht diese Generation so selten über das Erlebte?

Bode Das Schweigen hat viele Gründe. Wie etwa soll man erklären, dass man einen russischen Juden erschossen hat? Die NS-Zeit hat das Schlechteste im Menschen belohnt. Wie soll man sein früheres Verhalten den eigenen Kindern erklären? Das Generationengespräch ist 1945 zusammengebrochen.

Doch viele Kinder und Enkel haben Fragen.

Bode Das wird auch darin deutlich, dass nicht die Erlebnisgeneration den Film gemacht hat, sondern die nachfolgende Generation.

Was bedeutet das noch immer für die Generation der Kriegskinder?

bode Viele Kinder der Jahre 1930 bis 1945 haben eine verunsicherte Identität. Denn sie haben ein Stück ihrer Vergangenheit ausgeblendet und deshalb häufig das Gefühl, ihren Platz nicht gefunden zu haben.

Viele alte Menschen bemängeln aber auch, dass ihre Kinder nicht mehr nachfragen und zuhören, sich nicht für den Krieg interessieren.

Bode Manchmal können es die Kinder nicht mehr hören, weil ihre Eltern immer wieder zum Beispiel über den Verlust der Heimat klagen. In anderen Familien aber quält es die Kinder, dass ihre Eltern nichts aus der Zeit erzählen. Es kann für beide eine Erleichterung sein, über Schuldgefühle zu sprechen.

Was leistet der Film "Unsere Mütter, unsere Väter" in dieser Beziehung?

Bode Er gibt einen Anstoß, in der Familie zu reden. Doch man darf niemanden bedrängen, der nicht darüber sprechen möchte.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort