Lindner bei „Maischberger“ „Ich möchte kein Steuersystem nach der Stimmung am Stammtisch“

Berlin · Finanzminister Christian Lindner soll sich bei „Maischberger“ über Maßnahmen gegen die Inflation und die Folgen der Steuererleichterung beim Tanken äußern. Zu hören gibt es vor allem Zweifel – freilich nicht an den eigenen Ideen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) war am 7. Juni 2022 in der ARD-Sendung „Maischberger“ zu Gast .

Finanzminister Christian Lindner (FDP) war am 7. Juni 2022 in der ARD-Sendung „Maischberger“ zu Gast .

Foto: dpa/Fabian Sommer

Zweifel können neues Wissen vorantreiben. Gleichzeitig können sie verschleiern, wo stichhaltige Argumente fehlen. Aus welchem Grund auch immer, im Gespräch mit Sandra Maischberger in der ARD-Talkshow „Maischberger“ streut Finanzminister Christian Lindner immer wieder Zweifel. Etwa darüber, ob Kraftstoff-Steuererleichterungen, die nicht komplett beim Benzinpreis anzukommen scheinen, wirklich mit steigenden Profiten der Ölfirmen zusammenhängen, oder welche Folgen welche Maßnahme zur Entlastung der Bürger wohl hätte.

Von Enttäuschung über die Wirkung der Steuersenkung auf die Spritpreise will Finanzminister Lindner nichts hören. Als er sagt, zunächst sei ja noch Benzin zum normalen Steuersatz in den Tanks der Tankstellen gewesen, wird Moderatorin Sandra Maischberger hellhörig. „Um 30 Cent verbilligtes Benzin wird wirklich noch kommen?“, fragt sie. Da bleibt Lindner eine klare Antwort schuldig. Stattdessen schiebt er die Verantwortung durch die Gegend. „Das ist die Aufgabe insbesondere des Kartellamts, zu schauen, dass die Steuersenkung tatsächlich auch ankommt“, sagt er zunächst. Doch Maischberger weist daraufhin, dass das Kartellamt für illegale Preisabsprachen zuständig sei und solche bislang mit Bezug auf die Steuererleichterung beim Kraftstoff nicht feststellen könne.

Nun verweist Lindner auf den Markt und den Rest der Welt. „Es heißt ja British Petroleum und nicht Bayrisch Petroleum“, frotzelt der Finanzminister. Schließlich hängt er den Grünen die Verantwortung für die mangelnde Entlastung der Bürger durch die Kraftstoff-Steuersenkung an: „Ich hätte ja ein anderes Modell vorgezogen.“ Jenes sei wegen des Koalitionspartners nicht durchsetzbar gewesen. Lindner definiert seine Idee eines „Tankrabatts“ nun als Beihilfe an die Öl-Großhändler, die mit einer Verpflichtung hätte einhergehen sollen, Einkaufs- und Verkaufspreise gegenüber dem Staat offenzulegen. Das hätte eine Weitergabe der Vergünstigung garantiert, sagt Lindner. Worauf diese Garantie gründete, sagte er allerdings nicht. Stattdessen legt er nahe, dass das Tanken ohne die gegenwärtige, „zweitbeste Lösung“ noch teurer sein könnte.

Dazu gibt Maischberger umgehend einen Vorschlag des DIW-Vorsitzenden Marcel Fratzscher weiter: Weil die Maßnahme „kontraproduktiv“ sei, solle die Politik ihren Fehler eingestehen und die „Spritpreisbremse“ sofort stoppen. „Glaubt Herr Fratzscher und die, die jetzt hier geklatscht haben, dass das Tanken dadurch günstiger würde?“, fragt Lindner daraufhin und ignoriert, dass es bei dem Vorschlag um ein Ende von Milliardenausgaben ging, nicht um eine Idee für günstiges Tanken. Der Finanzminister pocht darauf, dass es angesichts der Inflation um Alltagserleichterungen ginge. Diese will er erreichen, indem er Steuererhöhungen vermeide.

Doch Maischberger lässt ihn damit nicht davonkommen. Das Eingeständnis eines Fehlers könne doch auch genutzt werden, um Lindners Tankrabatt umzusetzen. „Sie bringen mich jetzt in die Lage, dass ich meinen ursprünglichen Vorschlag jetzt noch einmal verteidigen muss“, klagt er. Der Finanzminister stellt zudem infrage, dass Übergewinne bei den Mineralölfirmen anfallen.

Doch nun wird Lindner mit dem Rest der Welt konfrontiert, hinter dem er sich zuvor versteckte. Länder wie Griechenland und Italien hätten bereits mit einer Übergewinnsteuer auf die Entwicklung der Energiepreise reagiert, sagt Maischberger, Großbritannien stehe kurz davor und rechne mit Milliarden an Steuergewinnen. Lindner bezweifelt daraufhin erneut, dass solche Übergewinne existieren. Sie ließen sich bislang nicht nachweisen, sagt er – aufgrund des Steuergeheimnisses.

Preissteigerungen bei Ölfirmen mit Sitz außerhalb Deutschlands will Lindner ohnehin nicht als Argument gelten lassen. Den Vorwurf verdächtig hoher Renditen schiebt der Finanzminister in eine andere Ecke: Impfstoffproduktion, Wind- und Solarenergie und Halbleiter-Technik (Computerchips). Das alles würde aber der Markt regeln.

Zudem äußert Lindner Zweifel an der Wirksamkeit einer Übergewinnsteuer. „Wer glaubt, jetzt eine Übergewinnsteuer einzuführen, der kann ja nicht sicher sein, dass die nicht auf die Preise überwälzt wird“, sagt er. Würde Deutschland als Markt weniger attraktiv und deshalb weniger mit Kraftstoff beliefert, dann würden die Preise steigen. Vor allem aber gelte eines: „Das Steuerrecht kennt keine Übergewinne, es kennt nur den Gewinn“, sagt der Finanzminister. Er wolle kein Steuersystem nach der „Stimmung am Stammtisch“.

Die Folgen der Inflation könne die Politik kurzfristig über Entlastungen lindern. Der FDP-Politiker spricht sich dafür aus, dies auch noch im kommenden Jahr weiterzuführen. Auch könne die Politik die Treiber von Inflation bekämpfen, etwa über eine Diversifizierung von Energiequellen. Zudem will Lindner Subventionen für Elektroautos „am besten sofort streichen“ und die Staatsverschuldung beenden. Statt das von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) anvisierte Klimageld einzuführen, will Lindner lieber Steuerentlastung anbieten.

Eine andere Idee schmettert Lindner ebenfalls ab. Mit Blick auf Familien, die wegen ihres geringen Gehalts ohnehin wenig Einkommensteuer zahlen, hatte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer bei bestimmten Lebensmitteln auf Null zu setzen. Nun nutzt Lindner die eben noch von ihm torpedierte Kritik an der Tankstellen-Maßnahme für eigene Zwecke. „Sind wir denn sicher, dass die Steuersenkung bei den Lebensmitteln weitergegeben werden würde?“, fragt er. „Die Bauern sind uns sympathischer als die Ölkonzerne, aber das Argument bleibt dasselbe.“

(peng)
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