Cancel Culture im Fernsehen Warum die AfD in Talkshows gehört

Meinung | Düsseldorf · Anders als ihre Vorgängerin Anne Will zuletzt zeigt sich ARD-Moderatorin Caren Miosga offen für AfD-Gäste in ihrer Sonntagabendtalkshow – mit Ausnahmen. Warum die Einschränkung ein gefährlicher Denkfehler ist, die Entscheidung aber grundsätzlich richtig.

Julia Rathcke
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 Von den „Tagesthemen“ zur Abendtalkshow: Die wichtigsten Politikthemen behandelt Caren Miosga künftig in ihrer Sendung immer sonntags.

Von den „Tagesthemen“ zur Abendtalkshow: Die wichtigsten Politikthemen behandelt Caren Miosga künftig in ihrer Sendung immer sonntags.

Foto: dpa/Jonas Walzberg

Nein, es soll keine Verteidigungsschrift im Namen der AfD werden und auch keine Generalabhandlung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die Frage, ob und in welchem Rahmen diese Partei Teil der politischen Berichterstattung ist, muss sich schließlich jedes Medium, jede Sendung, jedes einzelne Format selbst stellen. Caren Miosga, die die populäre Sonntagabendtalkshow von Anne Will übernimmt, hat das gut zwei Wochen vor ihrer ersten Sendung schon für sich entschieden: Sie wolle auch mit AfD-Politikern sprechen, sagte sie dem „Spiegel“ in einem Interview. Vor den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg müsse man das tun, so die Moderatorin – allerdings gelte das nicht für jeden und jede aus dieser Partei. Etwa nicht für die, die „krass rechtsextrem“ sind.

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Foto: dpa/Christophe Gateau

Diskussionen über die Haltung und Handhabe der AfD gibt es fast so lange, wie es die Partei gibt. Das Lager „Nicht mit Rechten reden“ steht dem der Entzauberungsversuche seither gegenüber. Für beides gibt es Argumente – die man aber nicht statisch betrachten darf. Denn in der Partei und um sie herum hat sich in den vergangenen zehn Jahren einiges getan, die AfD wird inzwischen vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft – und als ganze Partei beobachtet. Einige Landes- und Jugendverbände gelten als gesichert rechtsextrem, was bedeutet, dass sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden dürfen. Denn sie gefährden die Demokratie. Es lohnt sich deshalb, auch die eigene Betrachtungsweise der Partei zu überdenken – wie im Übrigen bei jeder anderen Partei auch.

Die beliebte ZDF-Fernsehmoderatorin Maybrit Illner hat das vor einem Jahr getan und ihre Entscheidung verteidigt, keine AfD-Politiker und Politikerinnen in ihre wöchentliche Talkshow einzuladen. Die AfD habe zum Beispiel bei Corona zunächst sämtliche Meinungen vertreten, sagt Illner. „Auch zum Krieg gab es Streit.“ Ist das ein Grund, sie nicht zu Wort kommen zu lassen? Wohl kaum, denn in wohl keiner demokratischen Partei wird intern nicht gestritten oder zumindest um einzelne Standpunkte gerungen. Ob damals Pandemie oder jetzt Krieg: Mit der Kritik an der Regeirung vertritt die AfD einen nicht allzu kleinen Teil der Bevölkerung – so müssen die Umfragewerte gelesen werden.

Diese Positionen aber sollte man, in dosierter Form und nicht, wenn Personen ausschließlich rechtsradikale Inhalte verbreiten, vorkommen lassen. In Berichten wie in TV-Formaten. Und wer die jüngeren Partei-Auftritte von Vertretern wie Björn Höcke verfolgt, sollte feststellen: Die prorussische Propaganda seitens der AfD hat unter dem Radar vor langer Zeit begonnen. Da gehört es auch zur Aufgabe der (öffentlich-rechtlichen) Medien, sie aufzuzeigen und kritisch einzuordnen. Das gilt genauso für die Themen, die die Wahlkämpfe bestimmen werden: Migration, Inflation, Klimaschutz. Ohne Propaganda unwidersprochen die Bühne zu überlassen.

Fakten und Fakes trennscharf auseinanderzuhalten, ist anstrengend. Aber es gehört zur Aufgabe einer gestandenen Moderatorin, die sich im „Spiegel“-Interview im vorauseilendem Gehorsam für ihre hohe Gage von 16.000 Euro pro Sendung rechtfertigte. Sie muss es mit Populisten aufnehmen können, auch wenn das bedeutet, sie nicht die Sendung einnehmen zu lassen. Sich nur angenehme AfDler herauszupicken, denen man vermeintlicher einfacher beikommt, würde wieder nur die AfD-Erzählung der Cancel-Culture nähren. Es gebe in dieser Partei jene, „die so krass rechtsextrem sind, dass sie ebenfalls keine Einladung bekommen werden“, sagt Miosga und lässt dabei außer Acht: Diejenigen in der Partei, die vermeintlich nicht „krass rechtsextrem“ sind, tragen die Extremen durchaus mit. Wenn die scheinbar harmloseren Parteifunktionäre dann sonntags zur Primetime nach dem „Tatort“ auf dem Talkshowsofa sitzen, fördert vor allem eins: Die Salonfähigkeit der in Teilen rechtsextremen Partei.

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