Setbesuch bei „Better call Saul“ Ein Besuch bei Anwalt Saul Goodman

Albuquerque · In der dritten Staffel entwickelt "Better Call Saul" allmählich Kultpotenzial. Wir sind zu den Dreharbeiten in die USA geflogen.

 Ganz Showman: Bob Odenkirk, gelernter Gagschreiber und Comedian, im Interview mit Tobias Jochheim (im grünen Pullover) und anderen Journalisten.

Ganz Showman: Bob Odenkirk, gelernter Gagschreiber und Comedian, im Interview mit Tobias Jochheim (im grünen Pullover) und anderen Journalisten.

Foto: Michele K.Short/Netflix

Dem langen Schatten berühmter Eltern entkommt kein Kind. Dass das auch für Fernsehserien gilt, zeigt sich gleich bei der Ankunft in Albuquerque, in der Wüste im Südwesten der USA.

Selbstverständlich kenne er "Better Call Saul", sagt der Taxifahrer. "Mein Bruder kann oft nicht schlafen, weil sie direkt unter seinem Schlafzimmerfenster drehen und die Scheinwerfer so verdammt grell sind." Er selbst verfolge die Serie aber nicht: "Zu wenig Action, Mann! Kein Vergleich zu ,Breaking Bad'."

Action mögen die Leute hier. Sie werben gern mit dem kulturellen Erbe der hiesigen Apache- und Navajo-Indianer sowie dem größten Heißluftballon-Festival der Welt, aber am deutlichsten geprägt ist die Stadt von ihren größten Arbeitgebern, der Luftwaffe und einem Labor für Atomwaffenforschung. Fast wäre die Stadt 1957 bei einer versehentlichen Atombombenexplosion zerstört worden, stattdessen wurde sie ein halbes Jahrhundert später weltbekannt als Serien-Schauplatz.

 Im Studio wird nicht zuletzt deshalb gedreht, weil die echten Bewohner der Häuser aus "Breaking Bad" von übereifrigen Touristen genervt werden.

Im Studio wird nicht zuletzt deshalb gedreht, weil die echten Bewohner der Häuser aus "Breaking Bad" von übereifrigen Touristen genervt werden.

Foto: Michele K.Short/Netflix

Kurz vorm Abflug, nach dem Besuch am Set von "Better Call Saul", noch ein Abstecher zum Souvenirshop des Flughafens, der dutzende T-Shirts und Tassen, Kühlschrankmagnete und Schnapsgläser mit den Logos der zwei Serien anbietet. Die Verkäuferin, eine ältere, zierliche Dame, sagt, sie hielte sich von beidem fern. "Dieses ,Breaking Bad' strotzt nur so vor Mord, Totschlag und Drogen-Zeug - schrecklich! Ich meide alles, was damit zu tun hat."

Der erste und der letzte Mensch, denen man in Albuquerque begegnet, sind nur zwei von unzähligen potenziellen Zuschauern, die "Better Call Saul" ablehnen, weil sie es mit etwas verwechseln, das es nicht ist - "Breaking Bad", die wohl beste TV-Serie der Geschichte. Schnell, actionreich, krass. "Better Call Saul" ist von denselben Machern und zeigt viele derselben Charaktere am selben Ort, bloß einige Jahre zuvor. Aber es ist anders. Langsamer, subtiler. Thema ist eben nicht die Ausnahmesituation - der krebskranke, spießige Chemielehrer, der zum Drogenfabrikanten wird. Die Serie erzählt, wer die mysteriösesten Nebenfiguren waren, bevor sie böse wurden. Und was sie böse machte.

Anstelle von Kugeln flogen dabei in den ersten beiden Staffeln fast immer nur die Worte, wenn überhaupt. Denn oft war es ein lautes Schweigen oder ein Blick, der das meiste erzählte - über Liebe, Hass, Enttäuschung. Man muss sich darauf einlassen, denn die Figuren werden nicht schnell und mit Vergnügen böse, wie Walter White, sondern in Zeitlupe und aus Notwehr.

Jimmy McGill (Bob Odenkirk) geht stets drei Schritte vor und zwei zurück bei seiner Verwandlung in den großmäuligen Anwalt Saul Goodman, hinter dessen schrill-billiger Fassade ein gewiefter Anwalt im Dienste diverser kleiner und großer Gangster steckt. Mitverantwortlich dafür sind ganz neue Figuren, sein Bruder und Starjurist Chuck (Michael McKean) sowie die schöne Kim Wexler (Rhea Seehorn).

Auch klärt die Serie darüber auf, was in "Breaking Bad"-Publikumsliebling Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks) zerbrochen ist, sodass der liebevolle Großvater und Ex-Cop sein Geld als Parkplatzwächter, Bodyguard und Killer verdient.

Die ersten Bilder aus "Better Call Saul"
12 Bilder

Die ersten Bilder aus "Better Call Saul"

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Foto: AMC

Im dritten Jahr nun schließt sich der Kreis: "Better Call Saul" liefert doch noch das, wonach "Breaking Bad"-Fans dürsten. Nicht zuletzt dank der Rückkehr des eiskalten Bösewichts Gustavo Fring (Giancarlo Esposito), der konsequent den Vorzeigebürger mimt und die Polizei mit großzügigen Spenden bedenkt.

Der Ehrgeiz der Macher, die beste denkbare Version jeder einzelnen Szene in den Kasten zu bekommen, wird am Set fast greifbar. Vince Gilligan und seine Leute filmen nicht bloß, sie machen Kunst, sie malen mit Licht und Ton. Und ihre zweite Geschichte aus dieser surrealen Stadt im Nichts ist nicht schlechter als die erste. Eher besser, weil sie nicht vom Aufbäumen im Angesicht des Todes handelt, sondern davon, was das Leben mit uns macht.

Info Neue Folgen von "Better Call Saul" gibt es ab jetzt jeden Dienstag ab 9 Uhr bei Netflix. Der Anbieter hatte auch die Reise unseres Autors unterstützt.

(tojo)
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