ARD-Talk Günther Jauch Auf einmal meldet sich Edathy via Twitter zu Wort

Berlin · Etwa 250.000 Männer mit pädophiler Neigung soll es nach Expertenschätzungen in Deutschland geben. Den Fall Edathy nahm die ARD am Sonntagabend zum Anlass, das Thema Kinderpornografie bei Günther Jauch zu diskutieren. Dann der Paukenschlag: Sebastian Edathy meldete sich selbst per Twitter.

Günther Jauch mit seinen Gästen.

Günther Jauch mit seinen Gästen.

Foto: Screenshot ARD

"Lustobjekt Kind — was tun gegen das böse Geschäft mit nackten Jungen und Mädchen?", lautete der plakative Titel der neuesten Ausgabe von Günther Jauch. Die Gästeauswahl hingegen sprach für eine sachliche Auseinandersetzung. Bis auf Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig war keiner der üblichen Talkshow-Stammgäste anwesend. Stattdessen durften Sexualpsychologe Christoph J. Ahlers, Pastor Bernd Siggelkow, TV-Journalist Sebastian Bellwinkel und Rechtsanwalt Udo Vetter von der Piratenpartei zu Wort kommen.

Kinderpornografie und Pädophilie — alles andere als leichte Kost mutete die ARD ihren Zuschauern am Sonntagabend zu. Umso wohltuender war dann, dass die Sendung nicht zu einer x-beliebigen Ausgabe avancierte, sondern dem Themenkomplex angemessen gegenübertrat. Ruhig, sachlich und kompetent zeigten sich die Gäste, weniger Streit war selten.

Psychologe liefert Hintergrundwissen

Die meiste Redezeit bekam Sexualpsychologe Christoph J. Ahlers eingeräumt und das vollkommen berechtigt, denn er verstand es, das Phänomen Pädophilie so zu erklären, dass auch Laien sich eine Meinung bilden konnten. Stammtischparolen, das wurde schnell klar, helfen hier am Wenigsten weiter.

Es wurde deutlich, dass es mit einer Verschärfung der Gesetze (Familienministerin Manuela Schwesig ließ es sich nicht nehmen, genau das zu fordern) nicht getan ist. Pädophilie ist nicht heilbar, betroffene Personen, meist sind es Männer, müssen ein Leben lang damit klarkommen. "Für unsere sexuelle Veranlagung können wir nichts, aber wir sind für unser sexuelles Verhalten verantwortlich. Pädophile müssen lernen, sich zu kontrollieren", erklärte Ahlers und schnell wurde deutlich, dass es in Deutschland an Therapieplätzen fehlt.

Viele Pädophile suchen aktiv Hilfe, landen zunächst aber nur auf einer Warteliste. Es fehlt am Geld, die Politik knausert mit Mitteln, die nur spärlich und zögerlich bewilligt werden. TV-Journalist Sebastian Bellwinkel machte darauf aufmerksam, dass auch die entsprechenden Stellen bei der Polizei so dünn besetzt sind, dass teilweise beschlagnahmte Rechner zurückgegeben werden müssen, ohne dass sie überprüft werden konnten.

Sichtschutzwand für Kindereinrichtung

Erschreckende Fakten machten die Runde. Demnach wird in Deutschland nur jeder 20. Fall von Kindesmissbrauch aufgedeckt. Die Täter stammen aus allen Schichten, oft sind es gar die eigenen Väter, die sich an den Kindern vergehen oder Material ins Internet stellen, um damit Geld zu verdienen.

Pastor Bernd Siggelkow, der das Kinderhilfswerk "Die Arche" leitet, berichtete, dass der Verein eine Sichtschutzwand bauen muss, um die Kinder vor Blicken pädophiler Männer zu schützen, die immer wieder vor dem Gelände stehen und die spielenden Kinder beobachten.

Eindrucksvoll auch der kurze Einspieler eines Betroffenen, der berichtet, dass er seiner Nichte nie die Windeln gewechselt oder sie gebadet hat, um kein Risiko einzugehen, dass etwas passiert: "Als Pädophile müssen wir den Verstand stets vor die Emotion stellen. Wenn das ein einziges Mal nicht gelingt, dann kommt es zur Katastrophe."

Bellwinkel attakiert Schwesig

Gegen Ende der Sendung preschte TV-Journalist Sebastian Bellwinkel vor und attakierte Ministerin Schwesig. "Seit Jahren passiert hier gar nichts", sagte er und als Schwesig Maßnahmen ankündigte, fügte er süffisant hinzu: "Ich hoffe, dass das jetzt jemand mitgeschrieben hat."

Dann meldete sich jemand zu Wort, der überhaupt nicht auf der Gästeliste stand. Kein Geringerer als Sebastian Edathy, der die ganze Debatte ausgelöst hatte, beschwerte sich via Twitter über die Art und Weise wie mit ihm in den vergangenen Tagen umgegangen worden sei und kündigte für den Montag eine Presseerklärung an: Es sieht so aus, als würde der Fall Edathy das Land noch eine ganze Weile beschäftigen.

(vdp)
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