Auftaktfolge der RTL-„Bachelorette“ Dornröschen und die 20 Zwerge

Athen · Die RTL-Datingshow „Die Bachelorette“ geht in die achte Staffel. Die junge Aachenerin Maxime Herbord lernt ein ganzes Rudel von Männern kennen, die in ihren Komplimenten und Kommentaren nicht immer stilsicher sind.

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Das ist die neue Bachelorette 2021

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Foto: dpa/TVnow

„Wenn der Mensch über die Tölpeljahre hinüber ist, so hat er noch jährlich einige Tölpelwochen und Flegeltage zurückzulegen.“ Dieser visionäre Satz des großen deutschen Dichters Jean Paul (1763 bis 1825) bezieht sich zweifellos auf den Mann als solchen, im Besonderen auf das Jahr 2021 und die jüngste, die achte Staffel der RTL-Kuppelshow „Die Bachelorette“.

Bereits die Start-Episode zeigt uns, dass sich die Pubertät des Mannes im besten Fall allmählich ausschleicht, häufig jedoch in einen ewigen Kreislauf mündet – in ein unheilbares Leiden, das freilich in keiner Krankenakte auftaucht. Dass die Pubertät bei Männern chronisch wird, erlebt man in auffälligen Verschleppungen in der Entwicklung, die allerdings keine Schmerzen, keine Pein bereiten. Die erleiden nur wir TV-Zuschauer, wenn ein Mann von 24 Jahren zu einer ihm unbekannten Frau noch vor der Begrüßung sagt: „Du siehst bombastisch aus.“ Sein Kopf strahlt rot, sein Körper strafft sich verdächtig, Sabber sammelt sich in seinem Mund. Gewiss spürt man die Verlegenheit, mehr noch die grotesken Anforderungen an die Denkfähigkeit.

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Foto: RTL/René Lohse

Wollen sie die Liebe? Nun, alle sülzen von „vertrauensvollen Bindungen“, von „wunderschönen Familien“; Polygamie wird mehrheitlich abgelehnt („ich bin sowas von volltreu“). Die Bachelorette macht auf die Herren einen respektablen Eindruck, sie hat einen „guten Charakter“, sagt der eine, „sie ist der Pflanzentyp“, sagt der andere, „sie ist verdammt heiß“, sagt der Dritte. Über Frauen sprechen sie wie Handelsvertreter, die beim Jahresmeeting die Vorzüge der neu eingepreisten Küchenmaschine deklinieren.

Doch herrscht in diesem bunt gemischten Kader, von dem nur die Besten ins Aufgebot und am Ende ins Elfmeterschießen kommen, eine gesunde Konkurrenz („Was findet die denn an dem?“). Sie wird sich nach ein paar Folgen zu einem neidischen Hahnenkampf auswachsen. Und regelmäßig wird die „Nacht der Rosen“ zu jenem dramatischen Moment, da sich „gestandene Männer“ in die Hosen machen, da die Klassenlehrerin die langstieligen, stets dornigen Versetzungszeugnisse austeilt.

Und die Bachelorette? Nun, Maxime Herbord (26) aus Aachen, gelernte Kommunikationsdesignerin, wirkt recht verträumt, wenn ihre Hand vorsichtig über Blümchen und Bäumchen streicht, doch auf die Frage nach dem Kern ihres Seins öffnet sie das Visier: „Ich mach Instagram.“ 2018 war sie schon mal Kandidatin beim benachbarten „Bachelor“, danach war sie mit einem Ex-„Bachelorette“-Kandidaten zusammen, sie weiß, wie der Laden läuft und wo der Hase hoppelt.

Um mal zwei Märchen zu verheiraten: Um Liebe geht es bei diesem Dornröschen und ihren 20 Zwergen nicht wirklich. Es geht um junge Leute und ihre Ruhmsucht. Sie alle wollen ins Fernsehen, wollen entdeckt werden, wollen bei Instagram punkten, in den sozialen Netzwerken durch die Decke gehen, dann auch gleich auf die verruchte „Temptation Island“ übersiedeln, die Hüllen bei „Promis unter Palmen“ fallen lassen, ihre Pyjama-Kultur bei „Big Brother“ und im „Sommerhaus der Stars“ zur Schau stellen oder unschuldige Insekten im „Dschungel-Camp“ verzehren.

Sodann wollen sie weitergereicht werden, am süßen Kuchen der Prominenz naschen; bestenfalls steht „Influencer“ auf ihrer Visitenkarte, und sie bekommen einen Werbevertrag für Zahnseide oder Motorenöl. Hauptsache, einmal im Leben ein VIP sein! Ihre Tage verbringen sie zwischen Hanteln, Gesichtscremes und Tattoo-Studios. Gern zeigen sie Haut, der Weg von der Selbstentblößung zur Selbstentblödung ist hier sowieso nicht weit.  

Das Lustigste ist, dass Sätze und die zugehörigen Gedanken regelmäßig misslingen. Beispiel: „Du bist aus Aachen? Das ist von Bayern ja nicht weit.“ Oder: „Ich guck auch gern durchs Horoskop in den Himmel.“ Es ist ein nettes Völkchen aus Lullern und Lallern, Verstockten und Witzereißern, Kraftprotzen und Sentimentalen, Angebern und Verpuppten, Vollpfosten und Schlawinern; Charme, so müssen wir leider feststellen, ist eine aussterbende Kompetenz bei vielen Männern. Kein Wunder, dass manche schon am Anbaggerführerschein scheitern. Zwischen ihnen wird die Bachelorette umherstreichen wie die Besitzerin eines Blumenladens, die lächelnd das Unkraut rupft. Gewiss ist sie im Sinne Mozarts eine Gärtnerin aus Liebe. Mehr noch will sie wie alle anderen nur das eine: vor die Kamera.  

 Die 26-jährige Maxime Herbord aus Aachen ist die neue Bachelorette.

Die 26-jährige Maxime Herbord aus Aachen ist die neue Bachelorette.

Foto: TVNOW

Das hat sich seit Jahren nicht geändert. Die Sendung wird immer schwächer, immer abgründiger, immer entbehrlicher, regelmäßig muss hinterher die Phrasenmüllabfuhr kommen. Oder sagen wir es mit Jean Paul für die Fans positiv: RTL hat wieder seine „Tölpelwochen“.

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