Geburtstag einer Legende Der letzte deutsche Film-Tycoon

Bonn ·  Jahrzehntelang dominierte der Produzent Artur Brauner die Kinolandschaft. Am Mittwoch wird er 100 Jahre alt.

 Die italienische Schauspielerin Silvana Pampanini küsst Artur Brauner in Berlin, wo er 1956 für seinen Film „Der 20. Juli“ mit einem Sonderpreis der Internationalen Filmfestspiele geehrt wurde.

Die italienische Schauspielerin Silvana Pampanini küsst Artur Brauner in Berlin, wo er 1956 für seinen Film „Der 20. Juli“ mit einem Sonderpreis der Internationalen Filmfestspiele geehrt wurde.

Foto: dpa/Günter Bratke

(kna) Es war ausgerechnet ein Filmtrick von Gary Cooper, mit dem Artur Brauner einem Nazi entfliehen konnte – so erzählte er es jedenfalls einmal in einem Interview. Jemand, der später einer der wichtigsten Filmproduzenten in Deutschland werden sollte, erinnert sich im Zweiten Weltkrieg an einen Stunt des US-Schauspielers, um seiner drohenden Erschießung in Osteuropa zu entkommen. Ähnlich spektakulär verlief auch das weitere Leben Brauners, der an diesem Mittwoch 100 Jahre alt wird.

Zu Kriegsbeginn sei es zu der gefährlichen Konfrontation am Fluss Bug gekommen, sagte Brauner vor einigen Jahren dem „Zeit Magazin“: „Dann geschah etwas, das man sich eigentlich nicht vorstellen kann: Ich hatte einen rettenden Geistesblitz. Ich erinnerte mich plötzlich an einen Film mit Gary Cooper, den ich als Jugendlicher gesehen hatte: Drei Banditen zwingen Cooper, den Plan einer Goldmine herauszurücken. Er weigert sich. Alle stehen am Wasser, genauso wie ich mit dem Nazi. Als der Bandit auf Cooper zielt, rammt der ihm seinen Kopf in den Bauch und stößt alle drei ins Wasser.“

So ähnlich kam es Brauners Erzählung nach dann auch am Bug. Er habe dem Mann einen „mächtigen Stoß“ gegeben, so dass dieser mit dem Gewehr ins Wasser gefallen sei. „Ich zog die Hosen hoch und rannte, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte.“ Er überlebte – anders als 49 seiner Verwandten – den Holocaust. Nach der Verfolgung unter den Nazis wagte der aus Lodz stammende und 1918 geborene Sohn eines jüdischen Holzhändlers den Neuanfang in Berlin.

Dort gründete er 1946 die Central Cinema Company (CCC). Mit ihr bestimmte der Produzent nach einer Einschätzung der Zeitschrift „Filmdienst“ in mehr als fünf Jahrzehnten den deutschen Nachkriegsfilm maßgeblich mit. Er zeichnete für über 250 Arbeiten für das Kino und das Fernsehen verantwortlich. Im Zeichen des Wirtschaftswunders sei Brauner zum erfolgreichsten unabhängigen europäischen Filmproduzenten aufgestiegen.

In der Kinosaison 1957/58 stammte dem „Filmdienst“ zufolge ein Achtel der gesamten deutschen Produktion – das waren 18 Filme – von der CCC. Vor den Kameras standen zum Beispiel Hans Albers, Heinz Rühmann und Maria Schell. Brauners Name „beherrschte die Klatschspalten, als die Kinosäle in Deutschland noch voll waren“. Vor nicht allzu langer Zeit ging dagegen eine steuerrechtliche Auseinandersetzung Brauners mit dem Finanzamt durch die Schlagzeilen.

Immer wieder widmete sich Brauner der Nazi-Zeit und somit auch seiner Biografie. Bereits 1947/1948 lieferte er die Idee und produzierte „Morituri“, einen Film über Nazi-Verfolgte in einem Waldversteck. Es entstanden zudem Filme wie „Sie sind frei, Dr. Korczak“ (1973/1974), „Die weiße Rose“ (1981/1982), „Babij Jar“ (2001-2003), „Hitlerjunge Salomon“ (1989/1990) oder „Wunderkinder“ (2010/2011), in dem es um eine Freundschaft von Kindern im Zweiten Weltkrieg geht.

Brauner holte nach 1945 Regisseure, Autoren und Schauspieler nach Deutschland zurück – etwa Fritz Lang und Robert Siodmak, der Brauner mit der Hauptmann-Adaption „Die Ratten“ (1955) mit Maria Schell und Curd Jürgens laut „Filmdienst“ den „lang ersehnten publizistischen Erfolg“ brachte. Aber auch deutlich leichtere Kost und Unterhaltung waren Brauners Metier, zum Beispiel Karl-May-Verfilmungen und Edgar-Wallace-Krimis.

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