TV-Drama "Zivilcourage" ARD spielt mit Tabu

Düsseldorf (RP). Heute strahlt der Sender den Film "Zivilcourage" mit Götz George in der Hauptrolle aus. Das Drama macht auch die Gewaltbereitschaft ausländischer Jugendlicher zum Thema. Das gibt Ärger. Denn das Thema Ausländerkriminalität gehört zu den gefährlichsten Tabus in Deutschland.

Der ARD-Film "Zivilcourage" mit Götz George
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Wer auch immer sich öffentlich dazu äußert, gerät schnell in Not. Und zwar unabhängig von seinen Thesen: Wie immer bei Tabu-Themen wird der Austausch von Argumenten unmittelbar vom Austausch der Vorwürfe verdrängt.

Trotzdem will die ARD heute Abend um 20.15 Uhr den Film "Zivilcourage" ausstrahlen. In dem von der Kritik hoch gelobten Werk mit Götz George in der Hauptrolle rettet der Berliner Antiquar Peter Jordan einen Obdachlosen, der von einem ausländischen Jugendlichen brutal überfallen wird. Die Situation eskaliert, als der kroatische Bruder des Täters sich in seiner Ehre gekränkt fühlt und Jordans Familie drangsaliert.

Die ARD wird wissen, worauf sie sich einlässt. Vor gut vier Jahren plante der Sender die Ausstrahlung eines ähnlichen Dramas — ebenfalls direkt nach der Tagesschau. Auch der Film "Wut" erzählt die Geschichte eines jungen Türken, der sich eine brutale Schlacht mit einer deutschen Bildungsbürger-Familie liefert. Damals war die Empörung aber schon im Vorfeld so groß, dass die ARD die Erstaufführung auf einen "Ferner-Liefen"-Sendeplatz im Nachtprogramm verschieben musste.

Wie sehr das Thema Ausländerkriminalität in Deutschland tabuisiert wird, erkennt man auch daran, dass bereits der Begriff verboten scheint. Krampfe es, wie es wolle. Das Bundeskriminalamt überschreibt in seiner jährlichen Kriminalitätsstatistik das inzwischen auf 16 Seiten angeschwollene Kapitel verschämt mit "Nichtdeutsche Tatverdächtige". Sozialämter und andere, die das Thema von Amts wegen nicht meiden können, sprechen betont vorsichtig von "jugendlichen Gewalttätern mit Migrationshintergrund".

Der deutsche Presserat will die Nationalität von Tätern am liebsten ganz aus den Medien heraushalten: "In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht", heißt es im Pressekodex.

Deshalb erfuhren die Leser vieler Zeitungen im Advent 2007 zwar, dass zwei Jugendliche einen 76-jährigen Rentner in der Münchner U-Bahn fast zu Tode geprügelt hatten. Dass der eine aus der Türkei stammt und der andere aus Griechenland, druckte manche Redaktion erst einen Tag später — nachdem die Kollegen anderer Blätter weniger zurückhaltend berichtet hatten. Um nur eine Woche später vor demselben Dilemma zu stehen, als Jugendliche am Gelsenkirchener Hauptbahnhof mit einem Messer und den Worten "Scheiß Deutscher" auf einen 38-Jährigen losgingen.

Aber das Tabu wackelt. Zunehmend sagen Politiker Sätze, mit denen sie vor wenigen Jahren noch Amt und Würden riskiert hätten. Sei es, weil sie die oft mangelhafte Integration von Ausländern tatsächlich als zunehmende Bedrohung wahrnehmen. Oder sei es, weil sie vor lauter Ehrgeiz sogar im dümmlichen Sumpf der Rechtsradikalen nach Wahlvolk fischen.

Als einer der ersten wurde der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) schon im Wahlkampf 1999 deutlich: "Wir haben zu viele kriminelle junge Ausländer." Später setzte er nach: "Wer sich als Ausländer nicht an unsere Regeln hält, ist hier fehl am Platz." Der Neuköllner SPD-Bürgermeister Heinz Buschkowsky ("Multikulti ist gescheitert") beziffert den Anteil der nicht-deutschen Intensiv-Straftäter in seinem Stadtteil auf 95 Prozent und sagt: "Es ist unstrittig, dass der Gewaltfaktor bei der Erziehung südosteuropäischer, arabischer oder türkischer Eltern bis zu dreimal größer ist als bei deutschen Familien."

In ähnlicher Klangfarbe tönte zuletzt auch SPD-Politiker Thilo Sarrazin, inzwischen Bundesbank-Vorstand: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert."

Christian Pfeiffer, als Direktor des Kriminologischen Instituts Niedersachsen einer der renommiertesten Gewaltforscher des Landes, bestätigt: "Menschen mit Migrationshintergrund werden in Deutschland häufiger straffällig." Aber als Wissenschaftler legt er Wert auf die richtige Einordnung dieses Befundes: Ursache sei eben nicht die Nationalität, sondern die bei Ausländern oft schlechtere Bildungssituation.

"Unter Türken, die zu Hause nicht geprügelt und auch nicht mit dem Fernseher erzogen werden, ist die Kriminalitätsrate nicht größer als bei Deutschen mit vergleichbarem Hintergrund." Auffallend sei aber, dass in den Kinderzimmern von zehnjährigen Migranten doppelt so viele Computerspiel-Konsolen und fast doppelt so viele Fernseher stünden. Pfeiffer: "Unterhaltungselektronik verhindert Bildung, Bildung verhindert Gewalt."

(RP)
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