"Die Folgen der Tat" Meine Schwester, die RAF-Terroristin

Berlin · Julia Albrecht erzählt, wie die Taten ihrer Schwester Susanne auch die eigene Familie zerstört haben.

ARD-Film über Jürgen Ponto-Mord: Bilder aus "Die Folgen der Tat"
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Bilder aus der RAF-Doku "Die Folgen der Tat"

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Bei dem Mord an dem Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto 1977 war die Hamburger Anwaltstochter Susanne Albrecht Türöffnerin. Sie nutzte die Freundschaft zwischen den beiden Familien, um den RAF-Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar Zutritt zur Villa des Frankfurter Bankiers zu verschaffen.

Susanne Albrechts Schwester Julia, die schon 2011 gemeinsam mit der Ponto-Tochter Corinna das Aufarbeitungsbuch "Patentöchter" herausgebracht hat, setzt sich in ihrem Dokumentarfilm "Die Folgen der Tat" in der ARD sehr dicht und persönlich mit ihrer Familie auseinander. Sie versucht, vor allem drei Fragen zu beantworten: Wie lebt ihre Familie mit dieser Last? Haben die Eltern Schuld, dass es so weit kam? Tragen gar die Geschwister eine Mitverantwortung? "Für uns war das ein Thema, das erzählt werden muss", sagt die verantwortliche WDR-Redakteurin Jutta Krug. Auch das sei ein Teil der deutschen Geschichte.

Der 51 Jahre alten Juristin und Journalistin Julia Albrecht geht es in dem Film nicht um die Rolle, die ihre heute 64-jährige Schwester Susanne in jenem Deutschen Herbst in der Terrorvereinigung Rote Armee Fraktion (RAF) spielte. In Gesprächen vor allem mit ihrer Mutter und dem älteren Bruder, mit Briefen und Erinnerungen des inzwischen verstorbenen Vaters zeichnet sie gemeinsam mit Co-Regisseurin Dagmar Gallenmüller nach, wie die Familie an der eigenen Geschichte fast zerbricht.

"Für mich war Susanne die Zerstörerin unserer Familie", sagte der Bruder einmal. "Ich habe mich als Opfer gefühlt, aber als Opfer zweiter Klasse." Er suchte Abstand durch einen Umzug nach Spanien. Die dritte und älteste Schwester lebt in Paris. Sie wollte sich nicht vor der Kamera an der Aufarbeitung des Familiendramas beteiligen.

Umso intensiver ist das Gespräch mit der Mutter. Zwei Tage lang ließ sich die damals 84-jährige Dame (von anonymen Anrufern "Mördermutter" genannt) fast gnadenlos von ihrer Tochter befragen. Wie konnte sie so "abgründig naiv" sein, Susannes Abgleiten in die terroristische Szene nicht zu bemerken? Selbst als die Studentin 1974 wegen des Schmuggels von Bombenzündern verhaftet wird, glaubt die Mutter noch ihre verharmlosenden Lügen. "Man kann ein Kind ja nicht verstoßen", sagt sie.

Die wohl schlimmste Zeit für die Familie waren die Jahre nach der Tat, in denen Susanne mit Hilfe der Stasi in der DDR untertauchte, heiratete und ein Kind bekam. 13 Jahre gab es kein Lebenszeichen von ihr. "Jahrelang fuhr ich blauen Käfern hinterher, weil das ihr letztes Auto war", erzählt die Mutter.

Nach der Wende wird Susanne Albrecht verhaftet. Als Kronzeugin kommt sie in einem Prozess mit einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe davon, nach sechs Jahren wird sie vorzeitig entlassen. Seither lebt sie unter anderem Namen in Norddeutschland. "Susanne spricht nicht über das Geschehene, jedenfalls nicht öffentlich", sagt ihre Schwester. "Und unsere Versuche im Privaten sind irgendwann kläglich gescheitert."

Eine Beteiligung am Film lehnte die frühere Terroristin ab. Und auch die Mutter machte vorübergehend einen Rückzieher - das Projekt lag jahrelang auf Eis. Dennoch hielten die Verantwortlichen an der Umsetzung fest. "Wir haben keinen voyeuristischen Film über Susanne Albrecht gemacht, sondern einen Film über die Familie", sagt Produzent Thomas Kufus (zero one film). "Und die Familie hat ein Recht auf ihre Geschichte."

"Die Folgen der Tat", ARD, 22.45 Uhr

(dpa)
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