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Trotz schwacher Quoten ARD-Chef gibt Garantie für vier Talkshows

Hamburg/Berlin · Noch mindestens 19 Monate macht die ARD mit ihrer Talkshow-Inflation einfach weiter – und verändert die Politik.

Das sind die ARD-Talker
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Noch mindestens 19 Monate macht die ARD mit ihrer Talkshow-Inflation einfach weiter — und verändert die Politik.

In den entscheidenden Momenten merkt man Reinhold Beckmann eben doch an, dass er eigentlich aus dem Sport kommt: Mit seinem Vorstoß vom Wochenende, seine nach ihm benannte Talkshow ab 2014 aufgeben zu wollen, hat er sie in Wahrheit bis dahin verlängert — und ihre vorzeitige Absetzung verhindert. Am Dienstag "verständigten" sich die ARD-Intendanten darauf, in den nächsten 19 Monaten einfach gar nichts zu tun und danach mit vier Talkshows pro Woche weiterzumachen.

Der Sendeplatz von "Beckmann" am Donnerstagabend solle künftig mit Satire- oder Comedy-Formaten gefüllt werden, so der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor, der als NDR-Intendant für die Talkformate von Reinhold Beckmann, Anne Will und Günther Jauch verantwortlich ist. Da der WDR nur zwei Talkshows (Plasberg und Maischberger) verantwortet, war hinter den Kulissen schon lange klar, dass die Reduzierung wohl Beckmann treffen würde.

Dennoch setzte sich Marmor gegen Ulrich Wilhelm durch, den Intendanten des Bayerischen Rundfunks, der nicht nur eine, sondern zwei Talkshows absetzen wollte, und wohl auch nicht erst Wilhelm hat es in der Runde der Intendanten immer schwer, da der Bayerische Rundfunk insgesamt wenig zur ARD beiträgt, an der Arbeitsgemeinschaft aber traditionell viel zu meckern hat. Immerhin füllt der Sender derzeit Beckmanns Sendeplatz (er hat sich bereits in die Sommerpause verabschiedet) mit der Satire-Sendung "Die Klugscheisser".

Schwache Quoten

Wie sehr die Inflation ihrer Talkshows mit immer gleichen Gästen und Themen jede einzelne ihrer Sendungen abwertet, kann die ARD an der Quoten-Entwicklung des vergangenen Jahres ablesen. Dabei ist Reinhold Beckmann noch nicht einmal der größte Verlierer unter den Moderatoren. Er ist lediglich derjenige, der am wenigsten zu verlieren hat, weil ihn die wenigsten Zuschauer sehen. Einzig Günther Jauch konnte sich der sinkenden Publikums-Aufmerksamkeit entziehen.

Gleichwohl ist die Inflation der Talkshows nicht ohne Folgen für die Politik geblieben. Der frühere Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts, Bernd Gäbler, kam schon vor zwei Jahren in einer Studie für die Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall zu dem Ergebnis, dass die Talkshows im Fernsehen politische Magazine und journalistische Formate aus dem Zentrum der Politikvermittlung verdrängt haben.

Politik wird ausgebremst

Mit dramatischen Folgen: Wichtige Akteure wie Wirtschaftslenker, bedeutende Künstler, junge Wissenschaftler oder praktische Reformer und selbst Bürgermeister von Großstädten kämen in diesen Sendung praktisch nicht vor, so Gäbler, stattdessen würden die Redaktionen bevorzugt die immer gleichen alten Männer zu vorher festgelegten "Meinungs-Slots" einladen. Zudem hätten die Talkshows Nachfrage geschaffen für einen Typus des "unterhaltsamen Politikers", der sich dieser Bühne für seine Image-prägende Selbstinszenierung bediene. Das Ergebnis, so Gäbler, sei: "Die Kluft zwischen Politik-Darstellung und realer Verhandlungs- und Entscheidungspolitik wird größer."

Wie sehr das routinierte Schema der politischen Talkshow überlebt hat, zeigt nicht zuletzt das Scheitern von Stefan Raabs Plauder-Variante "Absolute Mehrheit" auf Prosieben, bei der Politiker 100.000 Euro zu beliebigen Verwendung gewinnen können, wenn sie dem abstimmenden Fernsehpublikum nur lautstark genug nach dem Mund reden. Bei Raab liegen konsequent lustige Plaudertaschen wie der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki oder Linksfraktions-Chef Gregor Gysi in Führung — mit entsprechend abnehmendem Interesse im Publikum. Erreichte Raab mit seiner vierten Sendung noch eine leicht gestiegene Reichweite (1,03 Millionen Zuschauer) und eine Quote von 6,6 Prozent, stürzte er am vergangenen Sonntag mit Gästen wie NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) und Klaus Ernst (Linke) auf eine Desaster-Quote von 2,9 Prozent Marktanteil, was gerade noch 540.000 Zuschauern entsprach.

(RP/felt)
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