Annegret Kramp-Karrenbauer im TV-Talk bei Anne Will „Ich bin nicht das pure Weiter so“

Düsseldorf · Mit 35 Stimmen Vorsprung hat Annegret Kramp-Karrenbauer die Wahl zum CDU-Vorsitz gewonnen. Das ist knapp, aber es genügt der neuen Chefin, um bei Anne Will klar, besonnen und entschlossen ihre Position zu verteidigen, zur Not auch mal etwas lauter.

Darum ging’s

Nach einem emotionalen Parteitag fragt Anne Will am Sonntagabend in der ARD ihre Gäste: Wofür steht die neue Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer? Bedeutet ihre Wahl einen Neuanfang für die CDU? Schafft sie es, die ganze Partei hinter sich zu bringen? Und wie stark wird sich die Neue mit ihrem Kurs von Angela Merkel abgrenzen?

Darum ging’s wirklich

Die neue CDU-Vorsitzende verspricht, am Zusammenhalt der Partei zu arbeiten und sich sich in Sacharbeit hineinzuknien. Kritik, auch der unsachlichen Art, muss sich Kramp-Karrenbauer von Wolfgang Kubicki und Gabor Steingart anhört. Als der Journalist das Saarland kritisiert, zeigt die neue Chefin, dass sie nicht scheut, sich auch mal lautstark zu verteidigen.

Gäste

  • Annegret Kramp-Karrenbauer, Parteivorsitzende der CDU
  • Martin Schulz, ehemaliger Parteivorsitzender der SPD

  • Wolfgang Kubicki, Stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und Bundestagsvizepräsident

  • Christiane Hoffmann, Stellvertretende Leiterin des "Spiegel"-Hauptstadtbüros 

  • Gabor Steingart, Journalist und Autor

Frontverlauf

Gleich zu Anfang der Sendung stellt Annegret Kramp-Karrenbauer klar, die Delegierten hätten keine ‘Mini-Merkel’ gewählt. Das knappe Wahlergebnis sei für sie auch kein Hinweis auf eine Spaltung der Partei in der Sache. Bei vielen Themen gebe es inhaltlich keine großen Unterschiede zwischen Friedrich Merz, Jens Spahn und ihr. „Es hat viel mit Habitus zu tun, viel auch, wer mit welchem Image gestartet ist.“ Die Gesamtverantwortung gelte bei allen Dreien der Partei. “Das Pure Weiter so bin ich nicht,” sagt sie. Aber sie sehe auch keine Zuspitzung zwischen jenen, die die Ära Merkel abwickeln wollten und einer glatten Fortsetzung. „Diese Alternative, so wie sie jetzt zugespitzt wird, ist de facto nicht da.“ Sie werde sich jetzt in die Sacharbeit hineinknien. „Dann wird man sehen, die Unterschiede sind geringer als man denkt.“

Martin Schulz hält die Aufgabe, die Partei zusammenzuführen für eine enorme Herausforderung. Er kann sich aber vorstellen, dass “AKK” als Parteichefin mehr Erfolg hat als er seinerzeit, denn sein 100-Prozent-Ergebnis sei “nicht echt” gewesen. Er lobt Kramp-Karrenbauer für ihre emotionale Rede auf dem Parteitag.

Gabor Steingart hingegen sieht in der CDU durchaus eine “Verhärtung und Spaltung”. Die Partei wisse offenbar nicht, ob sie Modernität wolle oder eine deutliche Korrektur in Fragen innerer Sicherheit und Reformpolitik. Sich nicht entscheiden zu können, sei ‘schizophren’, es bestehe die Gefahr dass die Partei sich innerlich zerreisse.

Die Spiegel-Journalistin Christiane Hoffmann widerspricht. Sie rät dazu, die Frage einer Spaltung nicht überzubewerten. Eine Volkspartei müsse zu einem gewissen Grad schizophren sein, weil sie breit genug sein müsse, um verschiedene Meinungen zu integrieren. “Das würde ich nicht so dramatisch und pessimistisch sehen”, sagt Hoffmann.

Wolfgang Kubicki teilt während der Sendung überwiegend Sticheleien und Tritte in Richtung der alten und neuen CDU-Vorsitzenden aus. Für ihn habe vor der Wahl festgestanden, wenn die Union Wahlen gewinnen wolle, müsse sie Merz wählen, “wenn Partei es kuschelig will, muss sie AKK wählen.” Angela Merkel kümmere sich jetzt ja vor allem darum, wie sie in die Geschichtsbücher eingehe. Annegret Kramp-Karrenbauer beisst zurück: „Wer Angela Merkel kennt, weiß, wie völlig frei sie ist von persönlichem Ehrgeiz.“

Anne Will möchte von der neuen CDU-Vorsitzenden unbedingt wissen, wie sie zum Paragrafen 219a steht, dessen mögliche Änderung zwischen Union und SPD umstritten ist. Der Paragraf bestimmt, dass es Ärzten und Ärztinnen verboten ist, für einen Schwangerschaftsabbruch zu werben, in der Praxis könnten Mediziner so schnell kriminalisiert werden, auch wenn sie Patientinnen nur informieren. Annegret Kramp-Karrenbauer sagt, sie habe vor der Sendung mit der SPD-Chefin Andrea Nahles lange telefoniert, eine Einigung sei aber noch nicht in Sicht. „Wir sind da in gutem Austausch, aber wir sind auch noch nicht am Ende unserer Diskussion.“

Sie sei gegen eine Streichung des Paragrafen 219a: „Das Werbeverbot soll und darf nicht abgeschafft werden.“ Sie wolle aber die Information für Frauen, die sich über eine Abtreibung unterrichten wollten. Der frühere SPD-Chef Martin Schulz plädiert dafür, die Frage zur Gewissensentscheidung zu erklären.

Christiane Hoffmann beunruhigt der Stellenwert, den diese Diskussion um den Paragrafen einnimmt: “Haben wir sonst keine Probleme?” fragt sie und erntet Applaus. Dass jetzt allein “eine Gruppe von Lebensschützern” so einen Aufruhr verursachen könnte, sei für sie nicht vermittelbar. Dass ein Thema, für das es eigentlich einen guter Kompromiss gebe, einen so breiten Raum einnehme, sei das kein gutes Zeichen für die Zusammenarbeit der Koalitionsparteien.

Gabor Steingart findet, dass die Bürger mehr inhaltliche Diskussionen verdienten und nennt Mieten, Bahn und Wirtschaft als Themen. Dann teilt er aus: das Saarland, mit dessen Erfolgen sich Annegret Kramp-Karrenbauer so gerne schmücke, sei hochverschuldet und habe ein “armseliges” Bruttoinlandsprodukt.

 Anne Will diskutierte mit ihren Gästen über die Zukunft der CDU nach dem Parteitag.

Anne Will diskutierte mit ihren Gästen über die Zukunft der CDU nach dem Parteitag.

Daraufhin braust Kramp-Karrenbauer auf: „In höchstem Maß despektierlich“ findet die ehemalige saarländische Ministerin diesen Vorwurf. Sie lobt den hart erarbeiteten Strukturwandel des Bundeslandes, dessen Uni, das weltgrößte Zentrum IT-Forschung im Saarland und dass 40 Prozent aller Kitas bilingual seien. „Darauf bin ich sehr, sehr stolz und das lass ich mir von Ihnen hier nicht kaputt reden“, weist sie Steingart zurecht. Die Runde wirkt leicht überrascht, dass die neue Vorsitzende Kritik nicht nur besonnen weglächeln kann, sondern offenbar auch gern mal lautstark für ihre Überzeugungen einsteht.

(juju)
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