Anne Will zu Trump Gefahr für die Demokratie oder "steile Lernkurve"?

Düsseldorf · Dekrete, Twitter-Entscheide und Donald Trumps Einstellung zur Justiz halten die Welt in Atem. Anne Wills Gäste waren nicht einig, ob dies die Demokratie in Gefahr bringt oder eine "Lernkurve" ist.

Donald Trump: Erste Amtshandlungen als US-Präsident
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Trumps erste Amtshandlungen

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Foto: rtr, KL/KC

Darum ging's

Einreiseverbot, wirtschaftliche Abschottung und Kampfansage an die Medien — so startet Donald Trumps Präsidentschaft. Anne Will möchte mit ihren Gästen besprechen, ob der US-Präsident damit die Werte der freien Welt außer Kraft setzt. Ist seine Politik vor allem destruktiv? Was hat Europa ihm entgegenzusetzen?

Darum ging's wirklich

Die Runde diskutiert, wie ernsthaft sie die Bedrohung einschätzt, die vom US-Präsidenten ausgeht, und wie gefährlich sein wichtigster Mann, Chefstratege Stephen Bannon, sein wird. Trumps Kommentare zu Justiz und "sogenannten Richtern" haben offensichtlich verstört. Für Heinrich August Winkler ist klar, dass der Präsident die amerikanische Demokratie zerstören will. Andere Gäste sehen ebenfalls destruktive Absichten und sorgen sich um die populistische Flächenwirkung.

Die Gäste

  • Heiko Maas, Bundesjustizminister, SPD
  • Alexander Graf Lambsdorff, Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Europaabgeordneter, FDP
  • Heinrich August Winkler, Historiker
  • Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik"
  • Max Otte, Deutsch-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler

Frontverlauf

Ausführlich geht es zunächst darum, wie genau Trump klar ist, was ein Rechtsstaat ist. Dann diskutieren Politiker, Historiker und Journalisten ob sein Politikstil nicht vor allem spaltend und zerstörerisch ist und was Europa aus der Situation lernen kann.

Heiko Maas bezweifelt, dass der Präsident wisse, was ein Rechtsstaat sei. "Er scheint nicht zu verstehen, dass über Gesetze Gerichte entscheiden", sagt der Bundesjustizminister und fragt sich, wie Trump mit einer möglicherweise negativen Entscheidung zum Einreiseverbot umgehen wird. Graf Lambsdorff ist auch nicht mehr gar so gelassen, hofft aber irgendwie, der Präsident durchquere gerade vielleicht "eine steile Lernkurve und erfahre, dass er nicht Monarch ist, sondern in einem Staatsgefüge mit mehreren Gewalten lebt". Zugleich allerdings könne man das Schimpfen auch als Wutschrei deuten, als Ausdruck der Machtlosigkeit, und das hält der Politiker für keine schlechte Entwicklung.

"Spaltung führt nie zur Besserung"

Deutsch-Amerikaner Otte, der nur wegen eines Problems mit der Registrierung nicht für Trump stimmen konnte, sieht die Lernkurve auch. Er spricht von Trumps fairem Wahlkampf und hält viele Entscheidungen der ersten Wochen eher für "Symbolpolitik". Das Einreiseverbot habe zudem Obama schon ähnlich formuliert. Die Runde mag ihm da nicht folgen: Obama habe nur gesagt, Einreisen aus den betroffenen Ländern sollten von Fall zu Fall geprüft werden, stellt Maas klar — und wo der Wahlkampf fair war, könne er kaum entdecken: "Eine Spaltung der Gesellschaft führt nie dazu dass es beiden Seiten besser geht."

Auch Journalistin Sylke Tempel hat ein Problem mit Ottes Fairness-Verständnis und fragt: "Was ist daran fair, wenn jemand die Eltern von Veteranen oder behinderte Journalisten verspottet." Sie entsetzt vor allem, wie destruktiv Trump ist. "Dass er Regierungschef aller sein muss, hat er nicht verstanden." Politische Gegner würde er nicht als Gegner betrachten, mit denen man nach Lösungen suche, sondern als Feind. Sie sieht in seinen Äußerungen "konstante Angriffe auf Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung, innenpolitisch wie aussenpolitisch".

Historiker Winkler stimmt ihr zu. Glaube man Stephen Bannon, gehe es um die Zerstörung der Demokratie. Er habe sich ausdrücklich dazu bekannt, das Establishment zu zerstören, meine damit aber offenkundig die Demokratie. Er mag sich auch nicht damit trösten, hier stehe eine Art Azubi vor einer Lernkurve. Der Historiker hat keine Hoffnung auf den Einsichtswillen des Präsidenten, er hofft vielmehr "auf Generalstaatsanwälte und Richter, die ihm klar sagen, dass niemand über dem Gesetz stehe — auch nicht der Präsident der Vereinigten Staaten".

Am alleräußersten Rand der radikalen Rechten

Auch Sylke Tempel ist von der Lern-Theorie nicht überzeugt. Sie empfiehlt genau hinzuhören, was Stephen Bannon sage. Provozieren, zermürben und unterminieren ist in ihren Augen kein Lernkurven-Verhalten. Mit Bannon, den das Time Magazine "den großen Manipulator" nennt, hat auch Winkler ein großes Problem: "Er bewegt sich am alleräußersten Rand der radikalen Rechten in Amerika."

Er befürchtet zudem antisemitisches Gedankengut und sieht in Bannon "eine radikale Abkehr von dem, was Amerika zu liberaler Demokratie gemacht hat". Applaus erntet er für seine Hoffnung, "dass sich die Zivilgesellschaft einen Angriff auf ihre Errungenschaften und einen schleichenden Staatsstreich nicht gefallen lässt".

In Europa enger zusammenrücken

Für Lambsdorff ist Bannons Position im Nationalen Sicherheitsrat willkommener Anlass, an Europas Rolle zu erinnern. Er empfiehlt Europa, "enger zusammenzurücken und ein Anker der Stabilität zu sein". Im Übrigen plädiert er dann doch für Gelassenheit: "Als Bundesregierung haben wir Interesse daran, gute Beziehungen nicht leiden zu lassen." Gleichzeitig müsse man Dinge beim Namen nennen, wenn es um Grundrechte und Werte wie Religionsfreiheit gehen. "Sonst wird sich die Weltordnung verändern."

Wie reagieren?

Ein wenig Ursachensuche betreiben die Gäste auch. Professor Winkler erkennt ein Versagen der Demokraten. Lambsdorff findet auch die Republikaner verrieten ihre Seele, wenn sie Populisten kopieren und hinterherlaufen, ähnlich wie in Europa. Die Runde ist sich immerhin einig, auch in Europa sollten Regierende lernen, besser auf die Bevölkerung zu hören.

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Mit Sanktionen gegen die USA auf Strafzölle und Einfuhrsteuern zu reagieren, hält Winkler für kontraproduktiv, er vermutet dass sich die USA mit ihrer Handelspolitik in erster Linie selbst bestrafen wird. Maas sieht eine Herausforderung für Europa, als größter Binnenmarkt, Politik zu machen.

"Ordentlich durchgeschüttelt"

Zuletzt fragt Anne Will, ob Donald Trump auch für gute Erkenntnisse sorge und bekommt von Sylke Tempel eine klare Antwort: "Natürlich sind wir ordentlich durchgeschüttelt worden und machen uns Gedanken. Vollkommen richtig zu überlegen, wie kann man Politik besser verständlich macht." Man solle aber deshalb nicht unterschätzen, dass man es mit einem Wirbelsturm aus den USA zu tun habe und einiges in Gefahr sei. Zerstörung jedenfalls bedeute ja keine neue Ordnung. "Wir müssen vielleicht ein Haus renovieren, aber nicht mit Abrissbirne", sagt die Journalistin. "Ich habe noch nicht eine Idee gesehen, wie diese Neuordnung aussehen soll."

(juju)
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