Lars Klingbeil bei Anne Will „Viele Entscheidungen könnten schneller kommen“
Düsseldorf · Bei Anne Will sind das Ergebnis der Wahl in Niedersachsen und die Energiepolitik Themen. Welche Rolle spielte die Bundespolitik? Die Gäste loben Stephan Weil, ein Journalist vergleicht die Regierungsarbeit mit einem “Jenga-Turm”.
Darum ging es
Nach der Landtagswahl in Niedersachsen sprach Anne Will mit ihren Gästen am Abend in der ARD über die Politik in der Krise, den Einfluss der Bundespolitik auf das Ergebnis in Niedersachsen. Außerdem ging es um die Gaspreispolitik und die möglichen Empfehlungen, die die Gaspreiskommission am Vormittag vorstellen will.
Die Gäste
- Lars Klingbeil, SPD Parteivorsitzender
- Ricarda Lang, Bundesvorsitzende Bündnis 90/Grüne
- Jens Spahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU
- Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin
- Robin Alexander, Stellvertretender Chefredakteur „Die Welt"
Der Talkverlauf
War die Wahl in Niedersachsen überwiegend von der Bundespolitik geprägt, schadete der “Frust über die Ampelpolitik”, den Anne Will in Umfragen bestätigt sieht? Das gute Ergebnis für SPD und Grüne spricht dagegen, und ihre Gäste sind sich nicht einig. Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach erwähnt neben bundespolitischen Einflüssen den Amtsinhaber-Bonus für Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD). Auch Lars Klingbeil sagt: “Das Land hat Weil gewählt”.
Von der FDP, die nicht mehr im Landesparlament vertreten sein wird, ist niemand in der abendlichen Runde vertreten. Für die Union gibt sich Jens Spahn zunächst selbstkritisch: “Es ist uns nicht gelungen, die Unzufriedenheit mit der Regierung umzumünzen in Stimmen für die Union”, sagt der CDU-Politiker. Seine Partei habe da was aufzuarbeiten. Dann warnt er, er hoffe, das Ergebnis werde nicht zu “Selbstzufriedenheit der Ampelregierung” führen. “Der Wohlstand in der Breite bröckelt”, sagt er mit Blick auf steigende Kosten. Daher gebe es viel Unsicherheit und auch Wut in der Bevölkerung.
Ricarda Lang lobt das “historisch beste Ergebnis” ihrer Partei in Niedersachsen, die Grünen hätten als “einzige demokratische Partei zugelegt” und die Grünen freuten sich auf die nächstene Entscheidungen. “Niedersachsen hat ein riesiges Potential”, sagt sie, und sie hoffe, ihre Partei könne Verantwortung übernehmen und das Land zum “Vorreiter machen bei Erneuerbaren, bei der Transformation der Wirtschaft, bei der ökologischen Landwirtschaft.”
Anne Will tischt im Laufe der Sendung immer neue Umfragewerte auf, denen zufolge die Unzufriedenheit mit dem Kanzler und der Ampelkoalition groß sind. Sie fragt ob es nun künftig noch schlimmer werde, “dass FDP und Grüne gegeneinander arbeiten.” Reuschenbach bewertet die Zusammenarbeit in der Koalition als schwierig und Ricarda Lang räumt ein: “Wir haben in letzten Wochen nicht das beste Bild abgegeben, was den Umgang miteinander angeht.” Zugleich erinnert sie daran, dass die Regierungsparteien, erschwert durch die Kriegsfolgen häufig über ihren eigenen Schatten springen müssten.
Spahn hat die von demütigen Anfangsposition abgelegt und kritisiert frei los: Seit Monaten werde angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation nichts entschieden, es gebe jeden Tag Streit in der Koalition und er werde langsam unruhig. Lars Klingbeil bleibt gelassen und belehrt: “Das ist jetzt aber unredlich, zu sagen, es sei nichts entschieden worden, Herr Spahn.” Denn die Regierung habe “Hunderte Milliarden an Sondervermögen und drei Entlastungspakete” auf den Weg gebracht, so der SPD-Parteivorsitzende, nun würden weitere 200 Milliarden für die Gaspreispolitik bereitgestellt. Zugleich habe die Regierung die zwölf Euro Mindestlohn durchgesetzt. Das seien durchaus Entscheidungen, er wünsche sich von der Opposition einen “konstruktiven Kurs”, anstatt - wie es Friedrich Merz getan habe - “auf den letzten Metern Wahlkampf gegen Flüchtlinge zu machen.”
Auch Robin Alexander fällt es schwer, die derzeitige Arbeit der CDU zu loben. Auf die Frage, ob die Partei sich unter Merz falsch aufstelle, sagt er: “Dazu müsste man wissen wie sie sich überhaupt aufstellt.” Beim Parteitag habe die CDU ihren eigenen Punkt nicht gefunden, und auch in Niedersachsen habe Bernd Althusmann vor der Wahl verwirrende Angaben dazu gemacht, mit wem die Partei künftig regieren wolle.
Im zweiten Teil der Sendung spekulieren die Gäste über die Vorschläge der Gaspreiskommission, die am Vormittag präsentiert werden sollen. Klingbeil wehrt wiederholt Vorwürfe ab, die Regierung agiere zu langsam. “Ich finde auch, viele Entscheidungen könnten vielleicht schneller kommen”, sagt er, zugleich aber müssten die Entscheidungen gründlich überlegt werden. Dass die Expertinnen und Experten nun “binnen zehn Tagen ein Modell entwerfen wie wir den Gaspreis runterdrücken, das ist doch ein großes Tempo.”
Alexander hat eine andere Erklärung: Dass es langsam gehe, liege daran, dass zuerst was anderes entschieden worden sei. “Die Erste Entscheidung war die Gasumlage, die sollte nicht die Preise senken, sondern die gestiegenen Preise auf alle Gaskunden verteilen”, erläuterte der “Welt”-Journalist. Dann habe man gemerkt, dass es keine gute Idee ist und neu angefangen. Die Regierung müsse ständig verhandeln, da gehe es oft zu wie beim Spiel mit einem “Jenga-Turm” vergleicht er: Wenn ein Steinchen unten rausgezogen werde alle alles zusammen.
Klingbeil wehrt ab und zeigt sich optimistisch, und Lang bekräftigt: Die Kommission habe den klaren Auftrag, ein Modell für die Gaspreisbremse zu erarbeiten. Dass dort unterschiedliche Philosophien vertreten seien - etwa auch die Befürwortung einer Einmalzahlung sei doch gut. Möglich sei auch ein “gedeckelter Preis bis zu gewissem Punkt.” Und darüber gelte dann der Marktpreis, der weiterhin hoch sein werde. Das gebe den Verbraucherinnen und Verbrauchern gleichzeitig einen Sparanreiz. “Diese Verbindung von Sicherheit und Sparanreiz ist kluges Modell”, findet sie und verspricht: “Daraus werden wir schnell Realität werden lassen.”