Ivan Klasnic bei „Anne Will“ „Ohne neue Niere muss ich mich mit dem Tod beschäftigen“

Düsseldorf · Ex-Fußballprofi Ivan Klasnic sprach bei Anne Will über seine Nierenkrankheit. Er lebt bereits mit seiner dritten Spenderniere. Deswegen befürwortet er den Vorschlag von Gesundheitsminister Spahn, dass jeder automatisch zum Spender wird, wenn er nicht widerspricht.

 Ivan Klasnic bei Anne Will.

Ivan Klasnic bei Anne Will.

Foto: Anne Will/Screenshot ARD

Das Thema „Wer nicht widerspricht, wird Spender?“ Über diese Frage diskutierten die Gäste von Moderatorin Anne Will am Sonntagabend. Die Journalistin bezog sich auf einen Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der hatte vorgeschlagen, dass zukünftig jeder automatisch als Organspender gilt, es sei denn er oder seine Angehörigen widersprechen. Die sogenannte „doppelte Widerspruchsregel“ wird seitdem kontrovers diskutiert.

So wurde diskutiert In der Sendung gab es einen leichten Überhang der Gäste, die sich positiv zur sogenannten „doppelten Widerspruchsregel“ äußerten: Der bekannte Fernseh-Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprachen sich sehr deutlich für diese Regelung aus. Auch Ex-Fußballprofi Ivan Klasnic, der mit seiner dritten Spenderniere lebt, war dafür. Der evangelische Theologe Wolfgang Huber hingegen lehnte die „doppelte Widerspruchsregel“ ab, da sie das Problem nicht löse. Mit seiner Meinung stand er allein dar. Die Gesundheitssoziologin Alexandra Manzei stellte gleich das ganze Konzept „hirntot“ in Frage. Und Anita Wolf, eine Angehörige, die sich für eine Organspende entschieden hat, sprach davon, dass diese Widerspruchsregelung nichts an ihrer schwierigen Situation geändert hätte.

Die Gäste

  • Karl Lauterbach, SPD, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag und Gesundheitsexperte
  • Eckart von Hirschhausen, Arzt, Kabarettist und Autor
  • Wolfgang Huber, evangelischer Theologe, ehemaliger EKD-Ratsvorsitzender
  • Ivan Klasnic, Ex-Fußballprofi, der mit einer Spenderniere lebt
  • Alexandra Manzei, Gesundheitssoziologin
  • Anita Wolf, gab Organ ihres Mannes zur Spende frei

Der Frontverlauf

Dass man es beim Thema „Organspende“ mit einem Dilemma zu tun hat, bewies eine Äußerung des ehemaligen Fußballprofis Ivan Klasnic. Klasnic, der für Bundesligist Werder Bremen und die kroatische Nationalmannschaft gespielt hat, lebt bereits mit seiner dritten Spenderniere. Noch während seiner Zeit als aktiver Fußballprofi stellten die Ärzte bei ihm Nierenversagen fest. Zunächst spendete seine Mutter eine Niere, die bei Klasnic nicht funktionierte. Schließlich erhielt er das Organ seines Vaters. Damit lebte er zehn Jahre, bis er wieder eine neue Niere brauchte, sagte Klasnic bei „Anne Will“. Weil in Deutschland die Wartezeit auf ein Organ sieben bis acht Jahre beträgt, meldete sich der Fußballer in seinem Heimatland Kroatien für eine Organtransplantation an. Nach 18 Monaten erhielt er eine neue Niere. „Ich muss mich darauf einstellen, dass ich in naher Zukunft wieder eine Niere brauche. Wenn diese nicht kommt, muss ich mich mit dem Tod beschäftigen“, sagte er.

Sollen alle Menschen als Spender gelten, weil jährlich tausende Menschen sterben, während sie vergeblich auf eine Organspende warten? Der aus dem Fernsehen bekannte Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagen: „Ja“. „Ich befürworte die ‚doppelte Widerspruchslösung’ schon seit Jahren - als Arzt und als Politiker“, sagte Lauterbach. „Es ist die notwendige Bedingung, wenn man die Zahl der gespendeten Organe erhöhen will.“ Hirschhausen argumentierte, diese Regelung sei im „Sinne des Gemeinwohls“. Obwohl viele Menschen grundsätzlich Organspenden befürworten würden, würden sich viele damit nicht ernsthaft auseinandersetzen. „Es ist menschlich, dass es zwischen dem eigenen Willen und dem, was man tut, eine Diskrepanz gibt“, sagte er.

Aber deswegen sieht der ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, noch keinen Grund, die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen ins Negative zu kehren. „Ich halte es für oberflächlich, die Frage der Zustimmung oder Ablehnung zu einer Organspende allein auf die rechtliche Regelung zu reduzieren“, sagte Huber. „Dass es so wenig Spenderorgane gibt, liegt an der dramatischen Krise der Organtransplantation und des Vertrauens in die Transplantationsmedizin.“ Es gebe eine Konkurrenz zwischen den Transplantationszentren in Deutschland um die Organe. Das habe dazu geführt, dass mit der Warteliste getrickst werde. Erst Anfang September war ein Fall aus Essen bekannt geworden, in dem der Chef der Transplantationschirurgie wegen Unregelmäßigkeiten bei Operationen suspendiert worden war. Die Auffassung, man ändere das Gesetz, damit löse man das Problem, sei zu kurz gedacht, sagte Huber. Denn selbst wenn alle potenziellen Spender tatsächlich auch Organe freigeben, sei nicht allen Patienten geholfen, die ein Organ benötigen.

Hirschhausen und Lauterbach redeten in der Folge auf Huber ein. „Wenn man die Patienten kennt, ändert sich die Perspektive“, sagte Hirschhausen. Huber wollte das nicht unwidersprochen stehen lassen, wurde aber von Moderatorin Anne Will unterbrochen.

Die Perspektive der Patienten kennt Anita Wolf sehr gut. Sie verlor ihren Mann in Folge eines Schlaganfalls und entschloss sich, seine Organe zu spenden - es waren schließlich drei. Vorher hatte das Ehepaar nicht explizit über diese Möglichkeit gesprochen. Wolf berichtete bei Will über ihre Erfahrungen als Angehörige und Hinterbliebene, die plötzlich über die Organe und den möglichen Willen ihres Mannes entscheiden musste. Die „doppelte Widerspruchslösung“ hätte nichts an ihrer Situation ändern können. Sie hätte sich trotzdem mit dieser Frage beschäftigen müssen, in einer Situation, „in der man nicht mehr klar denken kann“. Deswegen ist sie gegen die Regelung und für eine bessere Aufklärung zu dem Thema. Dann würden sich die Leute vielleicht eher freiwillig dazu entschließen. Denn für sie habe die Spende auch etwas Tröstliches. „Der Tod ist unumkehrbar und sinnlos. Aber durch die Organe meines Mannes konnten drei Leben gerettet werden. Das bringt mir Trost.“

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