TV-Nachlese Anne Will Dobrindt sieht in der Regierung „Trickser und Betrüger“

Düsseldorf · Bei Anne Will wird am Abend in der ARD viel gleichzeitig geredet. Es geht um die fehlenden 60 Milliarden Euro im Haushalt. Vor allem CSU-Politiker Dobrindt teilt gegen die Ampel aus.

Anne Will spricht mit ihren Gästen im ARD-Studio über den Bundeshaushalt und die fehlenden 60 Milliarden Euro.

Anne Will spricht mit ihren Gästen im ARD-Studio über den Bundeshaushalt und die fehlenden 60 Milliarden Euro.

Foto: Screenshot ARD

Darum ging es

Alte Coronakredite sollten in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds umgebucht werden. Eine Idee, die vielleicht “genial, aber leider komplett verfassungswidrig” war, kommentiert Anne Will das Karlsruher Urteil von der vergangenen Woche. Jetzt fehlen 60 Milliarden Euro und eine neue Idee. “Zerbricht die Regierung daran?” will die Moderatorin am Abend in der ARD wissen.

Die Gäste

  • Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsvizepräsidentin
  • Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag
  • Johannes Vogel, Stellvertretender Bundesvorsitzender und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP
  • Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
  • Melanie Amann, Mitglied der Chefredaktion und Leiterin Hauptstadtbüro „Der Spiegel“

Der Talkverlauf

Kurz vor Schluss muss sich Anne Will sogar aus dem Sessel erheben, um im ARD-Studio die Ruhe halbwegs wiederherzustellen. Alexander Dobrindt und Johannes Vogel hatten schon eine ganze Weile gleichzeitig geredet und viel mit den Armen gerudert, beim Thema “illegale Migration” hörte schließlich keiner mehr dem anderen zu. Erhitzt hatten sich ihre Gemüter allerdings an völlig anderen Punkten. Thema der Sendung waren die 60 Milliarden Euro, die seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Mittwoch im Haushalt fehlen. Die Richter in Karlsruhe hatten entschieden, dieses Geld, das ursprünglich für Coronahilfen vorgesehen war, dürfe nicht für den Klimaschutz ausgegeben werden.

“Zerbricht an diesem Problem die Regierung?” will Anne Will wissen, und die Zuschauer erfahren vor allem, welche moralischen Haltungsnoten der CSU-Landesgruppenvorsitzende der Ampel gibt. Am häufigsten spricht Dobrindt von “Betrug”, zuweilen sitzen laut CSU-Mann in der Regierung vor allem “Trickser und Betrüger”. Deutschland erlebe die “Kernschmelze des Koalitionsvertrages”, denn alle Einigungen der Koalition seien auf der “Basis eines Betrugs” geführt worden, teilt Dobrindt weiter aus.

Die beiden Vertreter der Regierungsparteien zeigen sich nicht sonderlich von Schuld geplagt. Ja, räumt Göring-Eckardt ein, es “rauchen jetzt alle Köpfe”, und man müsse nun “ernsthaft nach Lösungen suchen”. Johannes Vogel sagt, die Regierung müsse die Entscheidung aus Karlsruhe nun “mit Demut annehmen”. Gleichzeitig sollte man aber zur Kenntnis nehmen, dass das Urteil “weit über die jetzige Koalition hinausgehe” und auch das Handeln voriger und künftiger Regierungen korrigiere.


“Vielleicht geht’s ‘ne ganz kleine Nummer kleiner Herr Dobrindt”, bittet Katrin Göring-Eckardt nach den wiederholten Betrugsanschuldigungen von CSU-Mann Dobrindt. Natürlich sei die Regierung davon ausgegangen, dass ihr Handeln nicht verfassungswidrig gewesen sei. Lieber will sie darüber sprechen, wie es in Zukunft weitergeht: Sie möchte diskutieren, wie es “mit den Industriearbeitsplätzen in Deutschland, mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern” steht, und was das alles nun für den Klimafonds bedeute. Zentral sei für sie, dass es sowohl beim Klimaziel von 1,5 Grad als auch bei der Schuldenbremse um “Generationengerechtigkeit” gehe.

An so einer Situation wie der jetzigen könne “eine Regierung auch wachsen” und müsse sich zusammenraufen. Dabei könne man “alles auf den Prüfstand stellen.”
Göring-Eckardt schlägt Dobrindt sogar vor, die Opposition könne doch mit an der Lösung arbeite: “Ich hoffe, dass Sie nicht nur zerstörerische Ambitionen haben, sondern auch was beitragen”, sagt die Grüne und hofft auf einen “konstruktiven Beitrag der Opposition”. Dobrindt allerdings bleibt wenig konziliant: “Sie haben einen Betrug vorbereitet und sind dabei ertappt worden. Alles was sie sagen stimmt nicht.”

Zum Glück ist Wirtschaftsforscher Clemens Fuest im Studio, der zuweilen die Dramatik entschärft und auch ein paar praktische Vorschläge hat. Es sei doch gut “die Kirche im Dorf zu lassen”, sagt Fuest. 60 Milliarden Euro verteilt auf vier Jahre seien zwar “viel Geld, aber kein Betrag, den man nicht bewältigen kann”. Als Ausgleich für die Lücke im Budget könne man beispielsweise die CO2-Preise erhöhen. Denkbar sei auch eine Art Sondervermögen Klimatransformation zu schaffen. Ihm gefällt, dass nun “hohe politische Kompetenz gefragt” sei, während man sich nun anschauen könne, ob man mit weniger Geld auskomme. Dass das Geld koste, ließe sich kaum verheimlichen: “Die Bürger werden das spüren.”

Fuest hat in Sachen künftiger Problemlösung auch einen Tipp für den klagenden Dobrindt. "Sie werden immer mehr unter Druck geraten, da mitzumachen”, prophezeit er dem CSU-Politiker. Doch Dobrindt will davon nichts wissen und insistiert erneut, die Unionsparteien würden “Betrug und Trickserei nicht akzeptieren”.

Das Schlusswort bleibt Melanie Amman, die noch flink Antwort auf das Sendungs-Motto geben soll, ob die Koalition nun an dem Problem zerbrechen wird. Der Eindruck der Spiegel-Redakteurin ist, dass die Ampel “innerlich schon so morsch ist, dass sie noch dadurch zusammengehalten wird, dass keiner vom Tisch aufstehen will.” Und es werde auch wenn die Koalition “innerlich” schon seit dem Heizungsgesetz zerbrochen sei, wohl auch diesmal “keiner aufstehen”. Amman: “Wir werden ein Weiterwurschteln erleben.”

(juju)
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