Annalena Baerbock bei „Anne Will“ Die ewig gleiche Frauenfrage

Düsseldorf · Annalena Baerbock liegt als Kanzlerkandidatin in Umfragen vorn. Bei „Anne Will“ soll sie dennoch vor allem erklären, wieso ausgerechnet sie für die Grünen ins Rennen geht.

 Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (Grüne) im Talk mit Anne Will.

Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (Grüne) im Talk mit Anne Will.

Foto: NDR

Bei „Anne Will“ ging es am Sonntagabend um die Frage: „Bundes-Notbremse in Kraft – Durchbruch oder ‚Tiefpunkt‘ in der Pandemiepolitik?“. Beim Zuschauen haben wir uns auf die Äußerungen von Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock konzentriert.

 Die Gäste:

  • Annalena Baerbock (Grüne/Bündnis 90), Kanzlerkandidatin
  • Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft
  • Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), ehemalige Justizministerin
  • Viola Priesemann, Neurowissenschaftlerin
  • Wolfgang Merkel, Politikwissenschaftler

 Darum ging’s:

Um das Rüstzeug für ein mögliches Amt als Bundeskanzlerin, um Klimapolitik – und eine Enthaltung bei der Verabschiedung der Bundesnotbremse.

 Der Talkverlauf:

Eigentlich steht für die Talkshow „Anne Will“ am Sonntagabend das Thema „Bundesnotbremse“ auf dem Programm. Doch ein Gast ist die frischgebackene Kanzlerkandidatin der Grünen, und das hat Vorrang. Seit ihrer Nominierung muss sich Annalena Baerbock Kommentare anhören, die sie in Richtung „Quotenfrau“ abzuwerten trachten. Damit fängt auch Moderatorin Anne Will an – und hört gar nicht mehr damit auf. Doch falls sie auf streitsüchtige Antworten an die Adresse von Kritikern gehofft hatte, geht sie leer aus. Auch mit Äußerungen von Robert Habeck, der gerne selbst Kanzlerkandidat der Grünen geworden wäre, lässt Baerbock sich nicht aus der Reserve locken.

Schließlich zählt die Grünen-Politikerin ihre Kernfähigkeiten auf: „Durchsetzungsfähigkeit, Entschlossenheit, aber eben auch Empathie und Menschlichkeit, und ein klarer Kompass, wie wir gemeinsam dieses Land erneuern.“ Als politische Schwerpunkte sieht sie dabei nicht nur die Wirtschafts- und Außenpolitik, sondern auch eine starke Gesellschaftspolitik. „Der soziale Kitt ist das, was uns durch diese Krise getragen hat“, sagt Baerbock. Das Gemeinsame ist der Refrain, der sich durch ihre Äußerungen zieht. Ganz in diesem Sinne kündigt sie im Falle ihrer Wahl einen neuen Führungsstil an. Dazu gehöre, den Menschen zuzuhören und in Krisen bereit zu sein, sich unterschiedliche Perspektiven anzuhören und dann abzuwägen.

Unterdessen hängt Anne Will noch immer an den Argumenten, mit denen Baerbock von Kritikern in Frage gestellt wird – etwa ihrem Mangel an Regierungserfahrung. „Wenn Regierungserfahrung der einzige Garant dafür ist, Dinge neu und besser zu machen, dann könnte die Groko weiterregieren“, kontert Baerbock. Im Übrigen lerne sie schnell. Als sie betont, dass diese Entscheidung ohnehin in der Hand der Wählerinnen und Wähler liege, hält Will ihr vor: Das klinge aber längst nicht so siegessicher wie bei dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz oder bei CSU-Chef Markus Söders Äußerung über den Sieg des Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet. „Ich habe großen Respekt und große Demut“, sagt Baerbock dazu. „Vielleicht unterschiedet mich auch das von den anderen, die antreten.“

Zusammen mit den Grünen orientiere sie sich inzwischen weder an anderen Parteien noch an Umfragewerten, sondern: „Wir definieren selbst, wie wir das Land führen wollen.“ Ein traditionell wichtiger Baustein des Grünen-Programms ist natürlich die Klimapolitik. Baerbock nennt einen Dreiklang als Plan: Klare Regeln – „Man kann auch Verbote dazu sagen“ – ein CO2-Preis und Fördermittel für Industriebereiche, die im internationalen Wettbewerb stehen. Doch mit diesem Klimaprogramm hat die Grünen-Spitze einige alte Hasen der Partei und junge Menschen von der Bewegung „Fridays for Future“ gleichermaßen verprellt. Dazu sagt Baerbock: Wer etwas verändern wolle, müsse in einer Demokratie Mehrheiten organisieren. „Die Lage ist klimapolitisch so hochdramatisch, dass es aus meiner Sicht nicht ausreicht, eine Wunschliste abzugeben, die dann andere durchsetzen sollen.“

Beim Thema „Bundesnotbremse“ konfrontiert Will die Kanzlerkandidatin mit ihrer Enthaltung bei der Abstimmung – nicht ihre erste Enthaltung bei wichtigen Gesetzesentwürfen. Doch als Zeichen für mangelnden Mut zum Gestalten lässt Baerbock dies nicht durchgehen. Sie verweist auf Änderungsanträge der Grünen zum Gesetz. Ihm fehle eine klare Ausrichtung auf eine Niedriginzidenzstrategie, der Bereich Arbeitsrecht sei völlig ausgeklammert, etwa mit einer Testpflicht für Unternehmen. All dies habe die Regierung nicht aufnehmen wollen, und deshalb habe sie das Gesetz nicht befürworten können, erklärt Baerbock. Grundsätzlich habe sie sich aber seit dem Herbst für eine bundeseinheitliche Regelung ausgesprochen, und so habe sie das Gesetz trotz dieser Form auch nicht per Gegenstimme blockieren wollen.

Eine Ausgangssperre könne Baerbocks Ansicht nach als „ultima ratio“ zwar ein Baustein sein, aber sie sei unverhältnismäßig, solange der Arbeitsbereich nicht ebenso heruntergefahren werde. Nun will Anne Will wissen, ob es denn keine Sinn hätte, in dieser Lage alles zu nehmen, was schnell helfe. „Das ist ja genau der Punkt“, sagt Baerbock. „Man nimmt ja nicht alles.“

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