Ampel-Talk bei „Illner“ „Die Klimaregierung, die Sie versprochen haben, steht da noch nicht drin“

Düsseldorf · Klimaschutz, Kohleausstieg und Investitionen: Am Donnerstagabend sitzen mit Annalena Baerbock und Christian Lindner zwei wichtige Köpfe aus den Ampel-Gesprächen bei „Maybrit Illner“.

 Die Talkrunde bei „Maybrit Illner“ am 21.10.2021.

Die Talkrunde bei „Maybrit Illner“ am 21.10.2021.

Foto: ZDF

Am Donnerstagabend stand der Talk bei „Maybrit Illner“ unter dem Motto „Kleinster Nenner oder großer Wurf – Ampel unbezahlbar?“ Dabei hatten vor allem die Politiker in der Runde das Sagen.

 Die Gäste:

 Darum ging’s:

Um das Sondierungspapier von Grünen, FDP und SPD. Und natürlich um Geld.

Der Talkverlauf:

Zum Einstieg in den Talk zeigt Moderatorin Maybrit Illner ein Video, in dem FDP-Politiker die Grünen attackieren. Dann wendet sie sich an Annalena Baerbock. „Wahlkampf ist Wahlkampf“, winkt die Ko-Vorsitzende der Grünen ab. Gegen Ende der Talkrunde äußert sie sich noch einmal grundsätzlich zu Fragen danach, wer sich wo durchgesetzt habe, wer Gewinner, wer Verlierer sei. „Das sind genau die Muster, die die Groko dazu gebracht haben, nichts zu verändern“, sagt Baerbock. Christian Lindner bekundet, es sei doch klar, dass FDP und Grüne unterschiedliche Ansichten hätten. „Das ist ja Demokratie“, sagt der FDP-Vorsitzende. Allerdings räumt Lindner ein: „Der Vorrat an Gemeinsamkeiten ist überschaubar.“

Das greift die Journalistin Christiane Hoffmann auf: „Das Sondierungspapier, das Sie ja mit verfasst haben, spiegelt das gar nicht wider.“ Stattdessen erwecke es den Eindruck, da säßen Drei zusammen, die mit Deutschland Großes vorhätten – aber „im Unterholz der einzelnen Paragrafen“ warte dann Enttäuschung. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler sieht das Sondierungspapier zwischen Grünen, FDP und SPD als weitangelegtes, über eine Legislaturperiode reichendes Projekt und damit auch als Mittel, um die Risse zwischen den beteiligten Parteien zu überbrücken. Allerdings findet Münkler dabei auch einen möglichen Nachteil: „Man legt einen Maßstab hin, an dem man selber gemessen wird.“

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen betont zwar, das Sondierungspapier sei noch kein Koalitionsvertrag. Dennoch spart er nicht an Kritik. An Baerbock gewandt sagt Röttgen etwa: „Die Klimaregierung, die Sie versprochen haben, steht da noch nicht drin.“ Am Thema „Klima“ beißt sich Röttgen fest. Bald darauf bekundet er etwa, nur wenige Tage vor Beginn der Weltklimakonferenz in Glasgow sei nicht klar, was das „Markenzeichen“ einer künftigen Ampel-Regierung in der Klimapolitik sein solle. Diese misst Röttgen augenscheinlich auch am Klimaschutzgesetz der Groko. Es sei zu befürchten, dass eine künftige Regierung aus SPD, Grünen und FDP die jährlichen Überprüfungsmechanismen für die einzelnen Sektoren wie Verkehr oder Industrie nur noch alle paar Jahre anwenden wolle, erklärt Röttgen. Eine Änderung der jährlichen Überprüfung wäre aus seiner Sicht „ein Rückschritt gegenüber der geltenden Gesetzeslage“.

In einem längeren Hin und Her verteidigt Baerbock sich gegen den Vorwurf, Klimaziele der aktuellen Bundesregierung könnten in einer künftigen Ampel-Koalition aufgeweicht werden. Die Grünen-Politikerin stellt klar, dass weiterhin jeder im Klimaschutzgesetz verankerte Sektor seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten müsse. Und: „Wenn wir die Ziele unterschreiten würden, dann können wir dieses ganze Papier nehmen und in den Mülleimer werfen.“ Baerbock verweist auf konkrete Punkte aus dem Sondierungspapier, etwa den geplanten früheren Kohleausstieg im Jahr 2030 und das Ziel, zwei Prozent der Landesflächen für Windkraft an Land nutzen zu wollen.

Auch Lindner betont, dass ein Unterschreiten der Vorgaben der Vorgängerregierung nicht der Plan sei – im Gegenteil: Das Klimaschutzgesetz der Groko werde den Ansprüchen nicht gerecht. Entsprechend beeindruckt zeigt sich Lindner nun von Röttgens Feuereifer in puncto Klimaschutz. Er erinnert den CDU-Politiker an den Vorschlag einer Benzinpreisbremse aus den Reihen der CSU. „Die Union wird sich entscheiden müssen“, rät Lindner.

Bei der Frage nach der Finanzierung einer Politik, die sich einer Jahrhundertaufgabe stelle, erinnert Baerbock daran, dass das Geld nicht nur wegen „Pech und Corona“ fehle, sondern weil notwendige Investitionen in den letzten Jahren nicht getätigt wurden, als die Wirtschaft florierte und der Staat entsprechende Steuereinnahmen verbuchte. Immer wieder lenkt Illner das Gespräch auf die Idee, dass eine neue Ampel-Regierung 2022 besonders hohe Schulden aufnehmen könnte, um das Geld dann einzusetzen, wenn ab 2023 wieder die Schuldenbremse gelten soll. Doch solchen Spekulationen erteilte Lindner eine Absage. Das sei „nicht seriös“, sagt der FDP-Vorsitzende. „Die Schuldenbremse ist ausgesetzt wegen der Pandemie, nicht wegen der Transformation der Wirtschaft.“ Man wolle zudem keine Schattenhaushalte schaffen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) könne aber ein Instrument sein, mit dem privates Kapital aktiviert werde.

Abermals greift die Journalistin Hoffmann Lindners Äußerungen auf. Sie sieht die Finanzierungsfrage als riesige Baustelle für die Koalitionsfragen, gerade weil Lindner den möglichen Ausweg ausschließe, „2022 doch Klimaschulden zu machen, obwohl man eigentlich nur Coronaschulden machen dürfte“. – „Sie würden das im ‚Spiegel‘ doch als Geburtsfehler einer neuen Koalition brandmarken“, erwidert Lindner. Schmunzelnd bemerkt Röttgen: „Egal wer regiert: Das Regieren in den nächsten Jahren wird hart.“

Dann lenkt Moderatorin Maybrit Illner das Gespräch auf Personalfragen. „Natürlich haben wir alle Interessen“, sagt Baerbock auf die Frage, ob auch die Grünen Interesse am Finanzministerium haben. „Natürlich sagen wir, wir wollen gestalten, wir möchten gerne das Finanzministerium besetzen.“ Die FDP wolle dies auch, weshalb die drei Ampel-Parteien dies gemeinsam besprechen müssten. Baerbock erinnert daran, dass die Grünen zweitstärkste Kraft in einer Ampel-Koalition wären. Es sei „logisch“, dass sie Ko-Parteichef Robert Habeck für den besseren Finanzminister als FDP-Chef Lindner halte. Aber diese Frage würden sie nicht über ein TV-Interview klären. Das bekräftigt auch Lindner. Als nächster in der Fragerunde will Röttgen in der Sache keine Meinung äußern oder, wie er es ausdrückt, „keinen Rat geben“.

Für seine eigene Partei sieht Röttgen zwei Aufgaben. Die Union müsse sich als Volkspartei „wiederbegründen“ und sich der „zweitschönsten Aufgabe in der Demokratie“ widmen: der Oppositionsarbeit. „Ich bin ganz sicher, dass die Zukunft und die Erneuerung der CDU in der Mitte liegt, nur liegen kann. Alles andere wäre ein Irrweg und würde uns an den Rand der Gesellschaft bringen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort