Bettina Böttinger "Als Schülerin in Düsseldorf wurde ich bedroht"

Die Talkshow-Moderatorin erzählt von ihrer Jugend und ihrem "Streit" mit Lukas Podolski. Zum 60. Geburtstag zeigt der WDR heute ein Porträt.

Köln Pünktlich betritt Bettina Böttinger das Café in der Kölner Innenstadt nicht weit vom Hauptsitz des Westdeutschen Rundfunks entfernt, für den sie schon seit über 30 Jahren arbeitet. Gutgelaunt, wenn auch etwas müde von den Feierlichkeiten, stellt sie sich den Fragen.

Frau Böttinger, seit über 23 Jahren moderieren Sie Talkshows. Hand aufs Herz: Haben Sie nicht langsam genug von roten Sesseln und neuen Gästen?

Böttinger Auf gar keinen Fall. Ich finde die verschiedenen Lebensläufe von Menschen wahnsinnig spannend. Und dieses Interesse ist im Laufe der Jahre sogar noch stärker geworden. Es ist zu einer Art roter Faden in meiner beruflichen und persönlichen Biografie geworden.

Was genau interessiert Sie daran?

Böttinger Ich finde die Frage fundamental, was Menschen aus ihrem Leben machen, warum sie tun, was sie tun, und wie sie wurden, was sie sind. Es ist in den Talksendungen mein Ansatz, das herauszufinden. Man sollte sich auch selbst hinterfragen, wie und warum man so geworden ist und ob es noch ein bisschen besser geht.

Ihre Sendung "B. trifft..." ging in den 90er Jahren neue Wege.

Böttinger Wir waren die Ersten, die nicht nur Berühmtheiten befragt haben, sondern auch Menschen, die damals nicht in den Medien präsent waren. Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, dass in Talkshows nicht-prominente Menschen sitzen, ihre Lebensgeschichten und besondere Begebenheiten erzählen. Damals war das nicht so. Wir waren auch die Ersten, die beispielsweise HIV-Erkrankte eingeladen haben, damit sie über ihr Leben und ihre Krankheit erzählen können. Ich bin der Meinung: Es lohnt sich, jedem Menschen zuzuhören.

Welche Situationen in den Sendungen haben Sie beeindruckt?

Böttinger Natürlich war es großartig, als der 90-jährige französische Philosoph Stéphane Hessel im "Kölner Treff" ein Hölderlin-Gedicht rezitierte. Oder als die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova ohne Vorwarnung ein bulgarisches Volkslied zu Ehren von Herbert Feuerstein sang, der um jeden Preis verhindern wollte, dass man seinen Geburtstag erwähnt. Als sie ihm das Ständchen brachte, hatte er Tränen in den Augen. Aber das waren auch nicht immer die Prominenten. So erzählte in einer Sendung ein Ehepaar von seinem schwerstbehinderten Kind und von dem Glück, das es trotzdem bei allen Sorgen und allem Schmerz erfährt. Dann finde ich das keineswegs sentimental und kitschig, sondern schlicht berührend.

Anlässlich Ihres 60. Geburtstages zeigt der WDR ein Porträt ("Bettina Maria Böttinger - Fast ein Selbstporträt", WDR, 21 Uhr) von Ihnen.

Böttinger Es ist ein Rückblick aus vielen Sendungen. Gleichzeitig haben wir aktuell gedreht an ganz verschiedenen Orten meiner Kindheit in Düsseldorf, in Bonn, wo ich studiert habe, in der Eifel, wo ich wohne, und in Holland, wo ich ein kleines Ferienhaus geerbt habe. Es sind ganz persönliche Einblicke.

In der Dokumentation berichten Sie auch von einer sehr schwierigen Schulzeit in Düsseldorf.

Böttinger Ich war als 17-jährige Schülerin in ein Mädchen verliebt. Nur leider wurde der Liebesbrief, den ich ihr schrieb, gefunden, und es folgten dramatische Szenen. Ich wurde zum Schuldirektor zitiert, und mir wurde mit dem Rauswurf gedroht. Mitschüler machten sich über mich lustig, und die Eltern des Mädchens drohten, mich umzubringen. Die Mutter wurde sogar mit einer geladenen Waffe auf dem Weg zur Schule abgefangen. Ich habe damals den Begriff mutterseelenallein verstanden. Trotzdem beendete ich mein Abitur an der Schule. Die Geschichte habe ich lange nicht öffentlich erzählt. Dennoch war dieses Ereignis eine prägende Angelegenheit.

Apropos Düsseldorf. Lukas Podolski hat Sie auf Twitter aufgefordert, in die Landeshauptstadt zurückzugehen, weil Sie sich negativ über Köln geäußert haben sollen.

Böttinger Die Zitate sind total aus dem Zusammenhang gerissen worden, und ich werde ihm jetzt einen netten Brief schreiben. Ich bin nun wirklich die Vertreterin des rheinischen Grundkompromisses. Ich komme aus Düsseldorf und finde nach wie vor, dass Düsseldorf die ästhetisch schönere Stadt ist. Aus beruflichen und persönlichen Gründen habe ich mich für Köln entschieden - auch wenn meine Mutter nicht glücklich darüber war. Aber meine letzte Ruhestätte wird das Familiengrab auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof sein.

Wie war es, das Porträt zu sehen?

Böttinger Als ich den Film gesehen habe, dachte ich nur: ,Schade, dass meine Mutter den nicht mehr sehen kann'. Ich fühle mich sehr geehrt und kann auf ein erfülltes, schönes aber oft auch schwieriges - ich habe sehr, sehr viel gearbeitet - Berufsleben zurückblicken. Und ich verspüre keine Tendenz, irgendetwas anderes zu machen. Ich muss wirklich sagen: Das Fernsehpublikum war eine sehr große Stütze. Gerade weil ich als Teenager so in der Defensive war, bin ich heute um so dankbarer für die Wertschätzung des Publikums. Ich bin am Dienstag, einen Tag nach meinem Geburtstag, durch Köln gelaufen - es war ein normaler Arbeitstag -, und die Leute haben mir auf der Straße zugerufen: "Herzlichen Glückwunsch."

DAS GESPRÄCH FÜHRTE JORIS HIELSCHER.

(RP)
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