ZDF-Talk zur "Pille danach" Als Lanz den Pfad der Persönlichkeit verlässt

Düsseldorf · Am Dienstagabend machte Markus Lanz in seinem ZDF-Talk die Haltung der Katholischen Kirche zur "Pille danach" zum Thema. Zu Gast war ein viel kritisierter Kirchenvertreter. Lanz wurde das ganze Thema schnell zu persönlich. Er ging auf Distanz.

Markus Lanz diskutierte mit seinen Gästen das Thema "Pille danach".

Markus Lanz diskutierte mit seinen Gästen das Thema "Pille danach".

Foto: Screenshot ZDF

Ist Martin Lohmann ein radikaler Kirchenvertreter? Bei "Markus Lanz" schlug der freie Kirchen-Journalist von k-tv am Dienstagabend zunächst sanfte Töne an. Er wollte die Schärfe aus der Diskussion nehmen, die ihm am Sonntag bei "Günther Jauch" und in den folgenden Tagen so heftige Reaktionen beschert hatte.

"Ich toleriere ihre Meinungen, ich respektiere sie auch, aber es kann ja sein, dass ich aus meinem katholischen Glauben heraus, noch eine andere Meinung habe." In der "Jauch"-Sendung war ihm eine Welle des Unverständnisses entgegengeschlagen, noch bevor er seine persönliche Haltung zur "Pille danach" detailliert erklären konnte. Es sei nicht leicht, zu argumentieren, wenn das Publikum "dagegen klatscht und auslacht".

Eine lebensbejahende Institution

Im ZDF bekam Lohmann den Raum, seine Meinung zu erläutern: Seine Haltung zur katholischen Kirche, den Umgang eben dieser mit Vergewaltigungsopfern und die kritische Auseinandersetzung mit der "Pille danach". Lohmann stellte fest: Die Katholische Kirche ist eine lebensbejahende Institution.

Eines vorweg: Für den vielfach kritisierten Kirchen-Journalisten wurde es nur bedingt einfacher als am Wochenende. Auch bei Lanz buhte das Publikum und brach zeitweise in Gelächter aus. Doch anders als Jauch setzte ZDF-Moderator Lanz an einigen Stellen auf Konfrontationskurs. Ungewohnt für die Zuschauer, die den gebürtigen Italiener eher als seichten Unterhalter kennen.

Lohmann erklärte, er sei dankbar dafür, bei "Dir Markus", seine Position und die der Kirche erläutern zu können. Er respektiere jede andere Meinung, er habe noch "nie einen anderen Menschen verurteilt. Ich respektiere auch falsche Entscheidungen, die ich für falsch halte. Ich bin ja auch noch ehrenamtlich tätig, Markus Du weißt das, ich bin Vorsitzender des Bundesverbandes Lebensrecht aus reinem Engagement."

"Markus, das ist ein wichtiger Punkt"

Es gehe darum so Lohmann, dass es "um jeden einzelnen Menschen" geht. Da fährt ihm Lanz in die Parade. "Nein, das ist nicht der Punkt dieser Debatte", in der es darum gehe, Vergewaltigungsopfern die nötige medizinische und psychische Hilfe zukommen zu lassen, wenn sie es brauchen. Lohmann: "Markus, das ist ein wichtiger Punkt und das konnte ich bei Günther Jauch nicht sagen. Es ist klar, wenn ein neuer Mensch entstanden ist, kann er am allerwenigsten dafür. Dürfen wir dann das Tötungsverbot aufheben?"

Die Entscheidung jedes Einzelnen sei zu respektieren, sagte Lohmann, dennoch könne die Kirche die "Pille danach" nicht einfach freigeben. Lanz nannte die Debatte eine "theoretische Luftschlösschen-Debatte" und den Menschen brenne es unter den Nägeln. Die Kampflinie des Südtirolers ging auf einmal so weit, dass er Lohmann, mit dem er sich normalerweise duzt, erklärte, bei diesem kontroversen Thema wolle er den Pfad der Persönlichkeit verlassen.

"Lass' uns gerne siezen", machte der Moderator mit erhobenem Zeigefinger deutlich. Erstmals in den vergangenen Tagen fand auch Lohmann in einer TV-Show eine Oase der Belustigung. "Ein schöner Spruch." Doch Lanz legte rasch nach: "Das ist eine schwierige Befragung. Und eine gewisse Distanz hilft uns beiden."

Erst Entspannung, dann Bosnien-Krieg

Für Lohmann war es nur ein kurzer Moment der Entspannung. Lanz kam auf das Thema Bosnien-Krieg zu sprechen. Hunderttausende Frauen wurden damals vergewaltigt. "Diese Frauen mussten die Kinder von Vergewaltigern austragen. Pille danach — ja oder nein?" "Das muss immer von Fall zu Fall entschieden werden." Da war es wieder, das Raunen und Stöhnen im Publikum.

Lohmann versuchte die Situation zu retten. "Ich weiß nicht, warum gelacht wird, wenn es um Leben geht." Für Lanz fand die Position dennoch schwierig. "Sich theoretisch aus der Affäre zu ziehen, um dann praktisch zu sagen: Entscheidet ihr." Das gehe nicht. "Durch diese sehr verschwommene Position bringt man Mitarbeiter von katholischen Krankenhäusern in die Situation, solch schwierige Entscheidungen zu treffen."

"Es geht um den Einzelfall"

Schließlich könne man diese Diskussion nicht so fahrlässig führen, wenn es um Leben und Tod geht. Lanz erkannte, die Diskussion müsse in eine andere Bahn gelenkt werden: "Was passiert, wenn es ganz konkret wird?" Lohmann entgegnete, dass er diese Frage nicht beantworten könne, "es geht um den Einzelfall und nicht um die Masse."

Lanz erkannte, dass die Gesprächsrunde sich bei diesem Thema offenbar im Kreise dreht. Und so knöpfte er sich abschließend die katholische Kirche vor. Müsse sie nicht ihre Haltung grundsätzlich überdenken und sich der Frage stellen, mit welchen moralischen Vorstellungen sie ins 21. Jahrhundert ziehen wolle.

Lohmann zeigte sich einsichtig. Es gehe um Sex, Freiheit und die Verantwortung eines jeden Menschen. Zum Ende nahm Lanz noch einmal Fahrt auf. Als Katholik wünsche er sich von der Kirche ein klares Bekenntnis zu der Position, wie die Institution mit Vergewaltigungsopfern und der "Pille danach" umgehe - "ohne wenn und aber und ohne Relativierung."

Lohmann stimmte dem Moderator zu. Um gleich zu relativieren, dass man die Situation jedoch von Einzelfall zu Einzelfall einschätzen müssen. Raunen im Publikum.

Anlass für die aktuellen Debatten ist der Umgang zweier katholischer Kliniken in Köln mit einem mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer. Die Ärzten verweigerten eine Untersuchung der Frau mit dem Hinweis darauf, dass damit ein Beratungsgespräch über eine mögliche Schwangerschaft und deren Abbruch sowie über das Verschreiben der "Pille danach" verbunden sei. Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen.

(nbe)
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