Alexander Graf Lambsdorff bei Markus Lanz „Wir haben eine enorme Versorgungsproblematik“

Düsseldorf · Wie steht es um Gas und Strom, welche Tabus der Ampelkoalition fallen, und warum reichen warme Pullover im Winter nicht aus? Bei Markus Lanz ging es am Abend im ZDF um die Energieversorgung und den Krieg, aber auch Großmütter in der Eifel.

 Markus Lanz spricht am Abend im ZDF mit seinen Gästen über die Gasversorgung und den Ukrainekrieg.

Markus Lanz spricht am Abend im ZDF mit seinen Gästen über die Gasversorgung und den Ukrainekrieg.

Foto: Screenshot ZDF

Die Gäste

  • Alexander Graf Lambsdorff, Außenpolitikexperte und FDP-Fraktionsvize
  • Florence Gaub, Expertin vom Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien
  • Claudia Kemfert, Ökonomieprofessorin
  • Wolfram Weimer, Publizist und Verleger "The European”

Darum ging es

Ums Gas, und um die Versorgung mit Strom und Wärme. Und es ging um den Krieg in der Ukraine, sein mögliches Ende und die Diplomatie.

Der Talkverlauf

Bei 30 Grad sei es schwer vorstellbar - aber dank der Gaskrise “wird es bald ungemütlich in Deutschland”, sagt Markus Lanz am Abend im ZDF. Er blendet die drastischen Warnungen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) zur drohenden Wirtschaftskrise ein und die alarmierenden Worte von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Bewegen sich die beiden “hart an der Grenze zum Alarmismus”, will er von seinen Gästen wissen.

Alexander Graf Lambsdorff spricht von einer “enormen Versorgungsproblematik” und sagt es könne sein, “dass wir in eine Knappheitssituation reinlaufen”. Auch Journalist Wolfram Weimer nimmt die Warnungen der beiden Spitzenpolitiker ernst: Mit dem Entschluss, die Gaslieferungen auf 40 Prozent runterzufahren “haben die Russen vor wenigen Tagen den Gaskrieg eröffnet”, sagt er. Damit hätten sie die “Waffe auf den Tisch gelegt”. Nun gehe es nicht mehr darum, im Winter mal einen Pullover mehr anzuziehen. Es entstehe vielmehr “ein schweres industrielles Kettenproblem”, der Alarmruf sei deshalb berechtigt, findet Weimer.

Energieexpertin Claudia Kemfert kritisiert, dass die Bundesrepublik nicht schon früher Konsequenzen gezogen hat. Russland setze ja Gas schon länger als politische Waffe ein, “damit mussten wir seit dem 24. Februar rechnen.” Neu seien zwei Faktoren: Die Reduzierung der Nordstream-Lieferung und ein Unfall in den USA, in einer Region, aus der Deutschland mehr Fracking-Gas beziehen wollte, das nun nicht mehr zur Verfügung steht. Außerdem sagt sie: “Wir hätten längst ein Wärmepumpen-Programm auf den Weg bringen müssen.”

Zur Strategie klärt sie auf auf: “Wir kaufen nun den Asiaten das Gas weg, zwar zu horrenden Preisen, aber wir sind ein reiches Land.” Zugleich ist sie sicher, dass die Entwicklungen im Energiemarkt für Wladimir Putin zunehmend schwierig werden. Denn Deutschland sei für Russland ein wichtiger Abnehmer gewesen, der auch immer gut zahlte. Auch in anderen Ländern werde die Nachfrage zurückgehen und “Russland brechen mittelfristig die Einnahmen weg”, sagt sie voraus. Putin werde im Preis runtergehen müsse. “Das Schlaraffenland, das Putin mit uns hatte, wird so nicht mehr kommen.”

Lanz will aber vor allem herausfinden, wie es nun weitergehen soll: “Wo kommt die neue schöne Energie her, die wir jetzt dringend brauchen?”, fragt er und bekommt von Kemfert eine Liste: Mehr Erneuerbare, grüner Wasserstoff, Elektrifizierung und Wärmepumpen zählt sie als notwendige Maßnahmen auf. Fracking hält sie hingegen nicht für eine gute Option: “Wir sind zu dicht besiedelt und es birgt zu hohe Risiken.”

Weimer gibt Kemfert mit ihrer Analyse weitgehend recht: “Wir sind aber jetzt in Katastrophennotsituation, deswegen muss die Politik reagieren, um unser Land nicht an die Wand zu fahren”, warnt er. Er unterstütze deswegen Robert Habeck, wenn der sage, für die nächsten 24 Monate “müssen wir Dinge tun, die wir eigentlich hassen, das fängt beim Emir an und hört beim Hochfahren von Kohlekraftwerken nicht auf.”

Auch Graf Lambsdorff ist an Bord, wenn es darum geht, “Tabus über Bord zu werfen”. Um die Versorgungslücke zu schließen, sollten die drei funktionierenden Atomkraftwerke nicht vom Netz genommen werden, findet der FDP-Mann. Kemfert widerspricht: “Wir haben keine Stromlücke. Wir haben ein Wärmeproblem für den nächsten Winter.” Temporär müssten daher mehr Kohlekraftwerke ausgelastet werden, um “Prozesswärme für die Industrie oder Nahwärme zu sichern.” Auch als Weimer und Lambsdorff insistieren, bleibt die Energieexpertin hart: “Wir haben keine Stromknappheit, auch nicht im Winter.” Die AKWs deckten nur 6 Prozent des Bedarfs und es gebe schlicht kein Stromproblem.

Graf Lambsdorff wirft noch das Sparen als “wichtige Energiequelle” in die Runde, will es aber nicht national verordnen. Maßnahmen wie ein autofreier Sonntag seien vielleicht in der Stadt okay, in der Uckermark und der Eifel gehe derlei aber auf Kosten der Oma, die nicht besucht werde. Damit allerdings bringt er Lanz auf die Palme: “Das jetzt immer die Oma rausgeholt wird, ist wirklich unter unserem Niveau!”, erregt sich der Moderator. “Nein, das ist das pralle Leben!” meint Lambsdorff, dem Lanz wiederum rät: “Dann besuchen Sie doch ihre Großmutter am Samstag!” Damit ist der humorige Moment der Sendung aber auch wieder vorbei, denn zuletzt geht es um den Krieg.

Journalist Weimer ist überzeugt, der Moment der Wahrheit sei da, in dem man sagen müsse: “Die Ukraine wird diesen Krieg nicht gewinnen.” Nun müsste der „Konflikt vom Ende her” gedacht werden, müssten Waffenstillstandsgespräche geführt und die „diplomatische Karte gezogen werden”. Militärexpertin Florence Gaub stimmt dem Journalisten nicht zu: „Zu sagen, die Ukrainer können nicht gewinnen, finde ich zynisch”, wehrt sie ab. Die Front verschiebe sich die ganze Zeit, zudem sei es ausschließlich Sache der Ukrainer zu entscheiden, wie es weitergehe, zudem brauche das Land weiterhin Waffen.

Auch Graf Lambsdorff widerspricht Weimer: Was die Ukraine bisher erreicht habe, sei “ein Sieg an zentralster Stelle: die Bewahrung der staatlichen Existenz. “Damit hat die Ukraine das eigentliche Kriegsziel bereits erreicht”, ist der FDP-Politiker überzeugt.

(juju)
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