Plakataktion zu Schwulen und Zuwanderern Ärger um ARD-Themenwoche "Toleranz"

München · Am 15. November startet die ARD-Themenwoche "Toleranz". Was gut gemeint war, ist kräftig nach hinten losgegangen. Im Netz herrscht Entsetzen über Formulierungen wie "Ist sich das knutschende schwule Paar in der U-Bahn eigentlich bewusst, wie viel Toleranz es seinen Mitreisenden abverlangt?". Erst Parodien gibt es auch schon.

ARD-Themenwoche "Toleranz" löst Kritik und Spott aus
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ARD-Themenwoche "Toleranz" löst Kritik und Spott aus

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Foto: Screenshot ARD

Die Posterserie zur ARD-Themenwoche Toleranz sei "sehr unglücklich und wenig reflektiert", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, dem "Handelsblatt". "Die Toleranzdebatte wird eine solche Kampagne nicht befördern."

Hintergrund ist eine Aktion, mit der das Erste für seine Themenwoche "Anders als Du denkst" wirbt, die am Samstag startet. Sie soll laut ARD "zum Nachdenken über eigene Haltungen und Vorurteile" anregen.

Ein Bild zeigt einen Mann, der einen anderen auf die Stirn küsst, dazu die Überschrift "Normal oder nicht normal?". Auf einem anderen ist ein Schwarzer zu sehen, darüber die Frage: "Belastung oder Bereicherung?" Über einem Rollstuhlfahrer steht "Außenseiter oder Freund?" und über einem schreienden Kind "Nervensäge oder Zukunft?"

In der Ankündigung des Hessischen Rundfunks für eine Sendung am 15. November heißt es außerdem: "Ist sich das knutschende schwule Paar in der U-Bahn eigentlich bewusst, wie viel Toleranz es seinen Mitreisenden abverlangt? Und mit welcher Beharrlichkeit die muslimische Kollegin die Kantine lahmlegt, weil sie unbedingt wissen muss, ob in dem Essen auch wirklich kein Schweinefett enthalten ist? Es bedarf schon einer gehörigen Portion Toleranz, um den Alltag zu überstehen!".

Inzwischen gibt es bei Twitter bereits Parodien auf die Plakataktion - eins der Bilder zeigt zum Beispiel ARD-Talkmaster Günther Jauch mit dem Schriftzug "Belastung oder Bereicherung?". Weitere Parodien sehen Sie hier.

Ebenfalls im "Handelsblatt" forderte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck von der ARD ein Überdenken ihres Themenspecials. "Die öffentlich-rechtlichen Medien verlassen ihren gesetzlichen Auftrag, wenn sie Minderheiten in ihrer Existenz infrage stellen."

"Die Kritik nehmen wir selbstverständlich ernst", sagte der verantwortliche Koordinator der ARD-Themenwoche, Hans-Martin Schmidt, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Der Sender habe anscheinend einen Nerv getroffen. "An den Aussagen auf den Plakaten soll sich der Betrachter reiben." Intoleranz werde oft von Äußerlichkeiten und Vorurteilen geprägt. "Genau damit spielt die Kampagne."

"Eine gewisse Provokation haben wir dabei in Kauf genommen, jedoch sollte sich niemand persönlich verletzt fühlen", sagte Schmidt. Im Vorfeld habe es Gespräche mit Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen gegeben. Dort sei bemängelt worden, "dass wir noch keine vollkommene Normalität im Umgang mit dem Thema Homosexualität in Deutschland haben. Insofern greifen wir eine bestehende Debatte auf."

(dpa)
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