"Wir führten eine zärtliche Beziehung" Fall Natascha: Intime Details aus den Polizeiprotokollen

Wien (rpo). Im Fall der entführten Natascha Kampusch werden immer mehr Details bekannt. In den Polizeivernehmungen wurde klar, wie der Entführer das Mädchen manipulierte. Natascha betont, Wolfgang P. sei keine Sexbestie gewesen. "Wir haben eine zärtliche Beziehung geführt", so die 18-Jährige.

Die österreichische Zeitschrift "News" veröffentlichte Details aus den Gesprächen, die Natascha mit der Polizei führte. Natascha erzählte dem Bericht zufolge, ihr Entführer habe ihr Bücher gegeben, die von Zauberern, edlen Rittern und Prinzessinen handelten. Die Möbel für ihr Verlies habe sie in Katalogen selbst aussuchen dürfen, berichtet die junge Frau, die acht Jahre im Keller eines Hauses gefangen gehalten wurde.

Zunächst verlangte der Entführer, Natascha solle ihn mit "Gebieter" ansprechen. Mit der Zeit wurde er weicher und nachgiebiger, bot ihr an, ihn "Wolfi" zu nennen. Aus Büchern lernte Natascha Handarbeiten und Kochen. Zu ihren Aufgaben gehörte es, das Haus sauberzuhalten und zu putzen. Die junge Frau schrieb dem Entführer dem Bericht zufolge Einkaufszettel, damit sie ihm seine Lieblingsgerichte kochen konnte.

Ganz von der Außenwelt abgeschottet war Natascha in ihrem Gefängnis nicht. Sie durfte zwar keine Fernsehnachrichten schauen, bekam aber Zeitungen. So erfuhr sie, was sich um sie herum abspielte, beispielweise, dass in Österreich der Euro eingeführt wurde.

Auch mit Frauenzeitschriften versorgte der Entführer Natascha. Wolfgang P. wollte offenbar, dass das Mädchen gut aussah. Er brachte ihr Kosmetik und Schminkköfferchen mit.

Seit ihrem 18. Geburtstag durfte Natascha ihr Gefängnis immer häufiger verlassen, begleitete ihren Entführer sogar in der Öffentlichkeit. Sie kümmerte sich um den Garten, pflegte die Beete und den Rasen. Beide saßen abends gemeinsam auf der Terasse und unterhielten sich. Trotzdem traute sie sich nicht zu fliehen. P. erklärte, er sei schwer bewaffnet, überall im Haus sei Sprengstoff versteckt.

Natascha, die von ihrem Entführer sexuell missbraucht wurde, nimmt Wolfgang P. in Schutz: "Wolfi ist keine Sexbestie gewesen und ich auch nicht. Wir haben eine zärtliche Beziehung geführt." Die Spuren im Haus des Entführers legen offenbar nahe, dass Natascha und P. zeitweise gemeinsam in einem Doppelbett geschlafen haben.

"Sie wird das Trauma nie vergessen"

Was ihr geschehen ist, wird Natascha nie vergessen können. Es sei jedoch möglich, dass die psychischen Qualen der jungen Frau gelindert würden, betonte Psychologe Max Friedrich, der die junge Frau betreut.

Besonders schwierig sei es, dass Natascha einen Teil ihrer Entwicklung vom Kind zur Frau verpasst habe. Sie habe die Spielregeln, die in der Gesellschaft herrschen, nicht erlernen können, erklärte Friedrich - vor allem, weil ihr ein Vorbild gefehlt habe. Doch es sei möglich, die Erfahrungen nachzuholen.

"Solche Patienten müssen therapeutisch in die Kindheit zurückgeführt und dann wieder aufgebaut werden", betonte Friedrich. Bei einem Langzeittrauma sei abzusehen, dass auch die Behandlung entsprechend lange dauern werde.

Wichtig sei auch der Schutz vor neuen Traumatisierungen. Das Opfer brauche seine Ruhe - eine Banalität, die in aufsehenerregenden Fällen wie dem von Natascha kaum zu realisieren sei. Die 18-Jährige könnte ihr neues Leben beispielsweise in einer betreuten Wohngemeinschaft mit Gleichaltrigen beginnen.

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