Sieben Tote alleine in Deutschland Europa versinkt im Sturmchaos

London (rpo). Europa versinkt im Sturmchaos. Bei den ersten schweren Herbststürmen des Jahres sind in Europa mindestens 22 Menschen ums Leben gekommen, sieben davon in Deutschland.

Vielerorts sprachen die Behörden in Deutschland von lebensbedrohlichen Gefahren und warnten davor, die Häuser zu verlassen. Der Flug- und Bahnverkehr brach in vielen Gebieten zusammen, zehntausende Bahnreisende mussten mit teilweise extremen Verspätungen rechnen, Straßen und Autobahnen wurden gesperrt. Ein Polizeisprecher in Wiesbaden sprach von "umgefallenen Bäumen in unendlicher Menge".

Bis zum frühen Montagmorgen sollte das Orkantief mit rasenden Windgeschwindigkeiten von bis 160 Kilometer pro Stunden weiter in einer breiten Schneise von West nach Osten über Deutschland ziehen. Der Berliner Feuerwehrchef Albrecht Broemme befürchtete nach den Warnungen der Wetterdienste "auf einer großen Fläche ähnliche Schäden wie am 10. Juli". Damals waren durch einen Sturm in Berlin und Brandenburg insgesamt acht Menschen gestorben.

Allein in Nordrhein-Westfalen sind am Sonntag vier Menschen ums Leben gekommen. Ein 21-jähriger Feuerwehrmann war im Privatwagen unterwegs zu einen Einsatz in Velbert, als er eine Frau (43) und ihre Tochter im Sturm erfasste. Die Frau starb im Krankenhaus. In Aachen ertrank ein 70-jähriger Mann, der kopfüber in einen überfluteten Gully stürzte. Ein Mann in Hamm wurde vom herabstürzenden Dach eines Asylbewerberheimes erschlagen. In Bocholt am Niederrhein krachte ein Baum auf das Auto einer niederländischen Familie, dabei wurde die Mutter getötet.

Ein Toter in Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein wurde ein 46-jähriger Landwirt von einem Blitz getroffen, in Österreich erschlug ein umstürzender Baum am Samstag ein älteres Ehepaar aus Deutschland. In Niedersachsen kippte der Sturm ein 70 Meter hohes Windrad mitsamt Betonfundament um.

Am Abend sind zwei weitere Menschen ums Leben gekommen. An einer Straße bei Weilburg in Hessen stürzte ein Baum auf das Auto eines Ehepaares, so die Polizei. Der 66-Jährige und seine Frau wurden wurden von dem Baum erschlagen.

In Großbritannien starben durch den Orkan mindestens zwei Kinder und drei Erwachsene. In den Niederlanden wurden drei Menschen getötet, eine Person wurde in die Nordsee geschleudert und ist seitdem vermisst. In Belgien starb ein 13-jähriger Junge beim Inline- Skaten auf dem Deich. In der Schweiz bei Basel wurde einen 31-jährige Frau von einem umstürzenden Baum erschlagen. In Frankreich gab es drei Tote. Zwei Personen starben in einem Auto, als ein Baum auf ihr Fahrzeug stürzte, hieß es nach Feuerwehrangaben von Sonntag. Bei Laon wurde ein Mann auf der Baustelle seines Wohnhauses durch eine umstürzende Mauer erschlagen.

Der von Großbritannien kommende Orkan "Jeanett", dessen Ausläufer bereits am Samstag im Süden und Norden Deutschlands schwere Schäden anrichteten, erreichte zum Teil Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 150 Stundenkilometern. Dabei verwüstete er ganze Landstriche: Bäume und Strommasten stürzten um, Gebäude wurden beschädigt, Dächer abgedeckt, starke Regenfälle überfluteten Straßen und Keller. "Die Behörden rotieren", sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Düsseldorf.

Bahn: Linksrheinisch ging nichts mehr

Zehntausende Bahn-Reisende erreichten wegen des Orkans deutlich verspätet ihr Ziel. Wie viele Züge Verspätung hatten oder gar ausfielen, war zunächst aber nicht klar, wie ein Bahn-Sprecher mitteilte. Der Sonntagabend sei eine der Hauptverkehrszeiten der Bahn. Besonders betroffen war Nordrhein-Westfalen, wo der Zugverkehr auf mehr als 30 Strecken unterbrochen werden musste. Auf der linken Rheinstrecke (Mainz - Koblenz - Köln) kam der Zugverkehr völlig zum Erliegen. Der internationale Verkehr auf der Vogelfluglinie (Hamburg - Lübeck - Fehmarn - Dänemark) musste ebenfalls eingestellt werden. Auch am Frankfurter Flughafen mussten mehrere Flüge ausfallen.

Am Sonntag und in der Nacht zum Montag sollte das Orkantief von West nach Ost über ganz Deutschland hinwegrasen. In Baden-Württemberg warnte das Landwirtschaftsministerium vor Aufenthalten im Wald: Umherfliegende Äste und umstürzende Bäume bedeuteten Lebensgefahr.

In Großbritannien richtete der Sturm am Sonntag verheerende Schäden an. Ein spanischer Fischer wurde im Atlantik per Hubschrauber von seinem Schiff geborgen. Im Hafen von Portsmouth wurde eine Fregatte der britischen Marine vom Wind gegen eine Fähre gedrückt. Nach Angaben des niederländischen Wetterdienstes war dies der schwerste Sturm seit 12 Jahren. Der Flugverkehr am Amsterdamer Flughafen Schipol und an den Londoner Flughäfen Gatwick und Heathrow wurde stark eingeschränkt, zahlreiche Flüge gestrichen. In Belgien wurde wegen des Sturms der Hafen von Ostende geschlossen.

Bereits am Samstag fegte ein Sturm über Bayern und Baden- Württemberg hinweg, die stärksten Böen wurden nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Samstag auf der 2964 Meter hohen Zugspitze gemessen. Dort jagte der Orkan mit bis zu 150 Kilometern pro Stunde über Deutschlands höchsten Berg. In Würzburg rissen in der Nacht zum Samstag heftige Böen die Turmspitze der barocken Neumünster Kirche weg.

(RPO Archiv)
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