Suche nach Überlebenden Starkes Erdbeben in Mexiko — Zahl der Todesopfer steigt stündlich

Mexiko-Stadt · Die Zahl der Todesopfer nach dem starken Erdbeben in Mexiko steigt. Mindestens 225 Menschen sollen in den Trümmern gestorben sein. Das zweite Beben binnen zwei Wochen hat Panik ausgelöst und Dutzende Gebäude zerstört.

Nachdem zunächst die Zahl von 150 Opfern genannt worden war, ist die offizielle Zahl der Toten nun auf 225 gestiegen. Das Epizentrum des Bebens lag zwischen den Bundesstaaten Puebla und Morelos nahe der Hauptstadt. In Puebla starben nach Angaben des Zivilschutzes 43 Menschen, 71 in Morelos, 17 weitere in México, Guerrero und Oaxaca. Den größten Schaden erlitt jedoch Mexiko-Stadt mit seinen 20 Millionen Einwohnern. Allein dort wurden 94 Menschen getötet.

Staatspräsident Enrique Peña Nieto kündigte rasche Hilfsmaßnahmen an, im Vordergrund stehe die medizinische Versorgung und die Bergung von Verschütteten. Insgesamt seien 38 Gebäude in der Hauptstadt Mexiko-Stadt eingestürzt, viele weitere Häuser wurden stark beschädigt. Das Beben der Stärke 7,1 hatte sich rund 120 Kilometer Luftlinie südöstlich von Mexiko-Stadt bei Axochiapan im Bundesstaat Morelos ereignet.

Ein zweites schweres Beben binnen eines Monats erschüttert Mexiko
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19. September: Zweites schweres Beben in Mexiko

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Reporter berichteten der Deutschen Presse Agentur vom Moment des Bebens: "Es ist 13.14 Uhr mittags, die Menschen fahren in den Aufzügen der Bürohäuser zum Mittagessen nach unten. Plötzlich bebt die Erde, Aufzüge bleiben stehen. Panik. Die Wolkenkratzer in Mexiko-Stadt schwanken hin und her, einige Gebäude stürzen ein, Fassadenteile fallen wie Pappe auf die Straßen. Wer kann, rennt so schnell es geht nach draußen, weg von den Häusern."

Kranke werden unter freiem Himmel versorgt

Augenzeugen berichten Reportern von einem gespenstischen Bild, als das Beben der Stärke 7,1 nachließ: "Rauchschwaden hängen über der Skyline, Staub liegt in der Luft." Zwei Stunden zuvor fanden noch Evakuierungsübungen in Büros, Schulen und Krankenhäusern statt. Denn es ist der Jahrestag des "Jahrhundertbebens" vom 19. September 1985, damals starben fast 10.000 Menschen. Plötzlich wird aus dem Testfall bitterer Ernst.

Schwer beschädigte Krankenhäuser müssen evakuiert werden, unter freiem Himmel, werden Verletzte mit Infusionen versorgt. Bewohner sind zum Teil in brennenden Häusern eingeschlossen. Überall liegen Menschen in den Trümmern, mit bloßen Händen wird gesucht. "Meine Familie wohnt in diesem Gebäude", schreit eine Frau. "Ihre Namen sind nicht auf der Liste", ruft sie verzweifelt, als sie eine Liste mit 16 geretteten Menschen liest. "Wir wissen nicht, wie viele noch in den Trümmern sind", sagt eine Polizistin auf der Avenida Nuevo León zu ihr. Vier Lastwagen mit Rettungskräften treffen ein, Freiwillige packen überall mit an.

Verzweifelte Suche nach Grundschulkindern

Besonders dramatisch ist die Lage in der Grundschule "Enrique Rebsamen" - hier war auch ein Kindergarten untergebracht. Das Gebäude ist eingestürzt, unter den Trümmern sind Kinderstimmen zu hören. "Wir können keine Maschinen einsetzen", sagte Innenminister Miguel Ángel Osorio Chong. Die Retter versuchen mit Spitzhacken und Händen vorzudringen. Ein verzweifelter Kampf, die jungen Leben zu retten.

Staatspräsident Enrique Peña Nieto hatte noch wenige Stunden zuvor in einem Trauerakt an die Opfer von 1985 erinnert, nun überfliegt er im Helikopter die schwer getroffene Hauptstadt. Stündlich steigt die Zahl der Toten an, erst sind es sieben, dann über 40, 77, dann rund 120. In den eingestürzten Hochhäusern ist es ein Rennen gegen die Zeit.

"Safety Check" auf Facebook aktiviert

US-Präsident Donald Trump, der die Mexikaner sonst häufig attackiert und eine Grenzmauer zum Schutz vor Drogendealern und Migranten errichten lassen will, twittert: "Gott segne die Menschen in Mexiko-Stadt. Wir sind bei Euch und werden für Euch da sein."

Mexikos Innenminister Osorio Chong ruft dazu auf, das Handynetz nicht zu strapazieren, man brauche es für Notrufe. Der Bürgermeister der Millionenmetropole Mexiko-Stadt, Miguel Ángel Mancera, teilt mit, dass wie bei Terroranschlägen der Safety Check von Facebook aktiviert worden sei, damit Angehörige sich vergewissern können, ob ihre Liebsten in Sicherheit sind.

 Rettungskräfte arbeiten in den Trümmern - ein Wettlauf mit der Zeit.

Rettungskräfte arbeiten in den Trümmern - ein Wettlauf mit der Zeit.

Foto: afp

Mexiko befindet sich in einer der aktivsten Erdbebenzonen - gegen die Kraft der Natur lassen sich kaum absolut erdbebensichere Hochhäuser bauen. Erst vor knapp zwei Wochen bebte die Erde, damals lag das Zentrum im Pazifik, rund 100 Menschen starben, vor allem im Süden des Landes. 1985 lag die Stärke bei 8,1 und suchte ebenfalls die Hauptstadt heim.

Videos vom Beben zeigen schreiende Eltern und ihre Kinder in schwankenden Wohnungen, Kommoden stürzen um, Lampen fallen von der Decke. "Unser Gebäude hat geschwankt wie ein Baum in Wind", berichtet Javier Londono, der in einer Bank arbeitet. "So etwas habe ich noch nie erlebt."

Panik und Angst vor Nachbeben

Im Viertel Cuauhtemoc wird ein mehrstöckiges Wohnhaus evakuiert. Tiefe Risse ziehen sich an der Fassade entlang. "Wo sollen wir denn heute schlafen?", fragt Bewohnerin Veronica Sandoval. "Ich habe nichts bei mir. Nur meine Kleidung und meine Hausschlüssel." Ob sie jemals zurückkehren kann, ist fraglich. Wie groß die Schäden sind, wie viele Häuser verloren, das lässt sich zunächst nur erahnen.

"Ich habe zu Gott gebetet. Ich dachte, jetzt geht es zu Ende", sagt Stephanie Morales. "Ich kann meinen Mann nicht erreichen", sagt eine Frau mit tränenerstickter Stimme. An der Geschäftsstraße Paseo de La Reforma tritt Gas aus. Tausende Menschen suchen Abstand zu den hohen Bürogebäuden. Die Angst vor Nachbeben ist groß, die Lage chaotisch. Das Handynetz bricht zusammen, der internationale Flughafen hat den Betrieb eingestellt.

"Ich habe angeordnet, dass Stromgeneratoren installiert werden, damit der Bevölkerung die ganze Nacht über geholfen werden kann.", sagte der Staatspräsident. Zeitweise waren 3,8 Millionen Menschen ohne Strom. Peña Nieto betonte, dass die Streitkräfte bei der Suche nach Verschütteten mithelfen würden. "Vielleicht können wir noch Personen unter den Trümmern finden."

(juju)
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