Serie: Der schwierige Umgang mit Demenz "Ein Pflegeheim kam für uns nie infrage"

Düsseldorf · Schauspielerin Hannelore Hoger bereut, ihre an Demenz erkrankte Mutter in Ganztagsbetreuung gegeben zu haben. Der Düsseldorfer Peter Smeets hingegen pflegte seine Frau bis zum Tod zu Hause. Ein harter Weg, aber er würde es wieder tun.

 Der Düsseldorfer Peter Smeets hat seine demenzkranke Frau Birgit bis zu ihrem Tod zu Hause gepflegt.

Der Düsseldorfer Peter Smeets hat seine demenzkranke Frau Birgit bis zu ihrem Tod zu Hause gepflegt.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Für Peter Smeets war stets klar, dass er seine Frau Birgit niemals im Stich lassen wird. Das galt selbstverständlich auch, als sie im November 2011 eine niederschmetternde Diagnose erhielt: frontotemporale Demenz. Eine schwere, seltene Ausprägung der Krankheit. Smeets verschwendete keinen Gedanken daran, seine Frau in ein Pflegeheim zu geben, er betreute sie bis zu ihrem Tod im vergangenen Oktober im eigenen Zuhause. Sie wurde 59 Jahre alt.

Auch Schauspielerin Hannelore Hoger stand im realen Leben vor der Entscheidung, ihre demente Mutter in einem Heim unterzubringen oder sie selbst zu betreuen. Hoger entschied sich für die Rundumbetreuung in einem Pflegeheim. Heute bereut sie diesen Schritt. "Ich würde es nicht wieder tun. Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es versuchen", sagte sie der "Stuttgarter Zeitung".

Hätte Hoger eine zweite Chance, würde sie denselben Weg wählen, den Peter Smeets gegangen ist. Als dessen Frau den Tod seines Vaters "völlig unbeteiligt" hinnimmt, wird Smeets misstrauisch. Ein Hirnspezialist brachte die traurige Gewissheit. Für Birgit Smeets ein vernichtender Schlag, für die Angehörigen der Anfang einer schmerzhaften Auseinandersetzung mit der Veränderung eines geliebten Menschen. "Es gab von Beginn an keine Chance, kein Medikament, keine Behandlung", erläutert Peter Smeets.

Zusammen mit seiner Frau und seinen beiden erwachsenen Kindern versuchte der pensionierte Lehrer "ein normales Leben weiterzuführen". Der Vorruhestand war in diesem Fall ein Segen für Peter Smeets. Bei Hannelore Hoger waren die beruflichen Verpflichtungen ein mitentscheidendes Kriterium für den Entschluss, ihre Mutter in Pflege zu geben: "Wir standen alle in Arbeitsprozessen, und bei vier Geschwistern waren nicht alle Beziehungen nur rosig. Im Nachhinein sage ich, es wäre besser gewesen, wir hätten es mit vereinten Kräften geschafft. Haben wir aber nicht."

Bei Smeets war der Umgang mit der Krankheit im Alltag anfangs noch zu bewältigen, später wurde es zunehmend schwieriger. Eine ständige Unruhe trieb die Lehrerin an, die zuvor an einer Förderschule für Lernbehinderte und Schwererziehbare tätig war. Ein klassisches Krankheitsbild für diese Form der Demenz. Stundenlang gingen beide zusammen spazieren. Immer die gleiche Route. Andere Wege ließ Birgit Smeets nicht zu. "Egoistenkrankheit" wird die Frontotemporale Demenz auch genannt. Peter Smeets muss zurückstecken, seine eigenen Wünsche und Vorstellungen rückten in den Hintergrund. "Ich war schon extrem belastet", sagt er rückblickend. Vor allem die Nachtaktivitäten seiner Frau machten Peter Smeets zu schaffen. Immer wieder stand Birgit Smeets in der Nacht auf, zündete Kerzen an, lief auf die Straße, wollte spazieren gehen. "Dann wird man schon manchmal aggressiv, wenn man immer wieder auf jemanden einredet, ihn überzeugen will, sich wieder hinzulegen, und es passiert immer und immer wieder", erklärt der 64-Jährige.

Über Monate erhielt Peter Smeets maximal zwei, drei Stunden Schlaf. Die Überbelastung ging an die Substanz. Das merkten auch Sohn und Tochter. "Dann haben meine Kinder schon den Gedanken gefasst, ob man sie nicht doch in ein Heim geben müsste", erklärt er. Doch Peter Smeets ließ das nicht zu: "Das kam für mich nie infrage."

Tagespflege in der Diakonie von 9 bis 16 Uhr lautete der Kompromiss. Später wurde Birgit Smeets dafür aber zu pflegeintensiv. Peter Smeets kündigte seinem Untermieter, richtete ein Apartment für eine private Pflegerin ein und holte seine Frau zurück nach Hause. "Man muss Hilfe zulassen und Nischen für sich schaffen, um mal dieser Welt zu entfliehen. Sonst wird man selber krank", sagt er. Am 21. Oktober 2013 starb Birgit Smeets in ihrer gewohnten Umgebung. "Es war die richtige Entscheidung. Gott sei Dank hat meine Frau nie leiden müssen. Sie hat irgendwann einfach aufgehört zu atmen", sagt Peter Smeets, der seine Birgit immer als Frohnatur in Erinnerung behalten wird.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort