Werner Wallert will Lehrertätigkeit wieder aufnehmen Ehepaar Wallert wagt den Weg in die Normalität

Göttingen (dpa). Das Ehepaar Renate und Werner Wallert will den steinigen Weg in die Normalität wagen: Nach den schrecklichen Erlebnissen in viermonatiger Geiselhaft und einer Odyssee um den halben Erdball sind die beiden am Donnerstag unter grellem Blitzlichtgewitter wieder in ihr Haus am Stadtrand von Göttingen zurückgekehrt. "Entlassen Sie mich und meine Familie bitte in den normalen Alltag", bat der Studiendirektor die Journalisten. Seine Frau Renate zitterte am ganzen Leib und kämpfte mit den Tränen: Sie habe "wahnsinnige Angst" vor den Medien gehabt.

Vor allem die Sorge um ihren in den Händen von Commander Robot auf Jolo zurückgelassenen Sohn Marc, der in den nächsten Tagen freikommen könnte, wird die Familie bis dahin nicht zur Ruhe kommen lassen. Zusätzlich teilen sie künftig das Los aller Prominenten: Sie werden nicht einmal unbehelligt zum Kaufmann gehen können. Die Leute in der Kirche werden sie anstarren. Hinter ihrem Rücken wird getuschelt.

Selbst wenn auch Marc wieder unbeschadet zu seiner Familie stößt, werde es Jahre dauern, bis sie die Erlebnisse der Geiselhaft verarbeitet haben, sagen Psychologen, die Erfahrung mit Entführungsopfern haben. Werner Wallert weist das schon jetzt empört von sich: "Haben Sie den Eindruck, dass das nötig ist?" Er sei "medizinisch okay". Ihm fehlten nur noch die Ergebnisse der Untersuchungen auf Tropenkrankheiten. Seiner Frau dagegen raubten die schrecklichen Erlebnisse im Dschungel noch immer den Schlaf: "Es war gut, dass sie früher gehen konnte."

Ihr ältester Sohn Dirk war als einziger der Familie nicht bei der Tauch-Tour in Malaysia dabei und kann wohl kaum nachempfinden, was seine Eltern nach diesem Horrorurlaub am meisten vermissen, meinen Fachleute. Nach der Gefangennahme seiner Familienmitglieder hatte er die Exklusivrechte der Entführungsgeschichte an einen Privatsender verkauft. Der 30-Jährige filmte jetzt die Heimkehr seiner Eltern versteckt hinter einer Gardine vom Obergeschoss des Hauses aus.

"Vollkornbrot und Dusche"

"Vollkornbrot essen und zu duschen" - das hätten seine Eltern am meisten vermisst, behauptet er. Sein Vater weiß genau, was er nun zu Hause tun will: "Ich schalte meinen Computer an und gucke mal in die Mailbox." Auch einen Tauchurlaub könne er sich bald wieder vorstellen. Schon am Montag will der 57-jährige Studiendirektor am Theodor-Heuss-Gymnasium Erdkunde und Englisch unterrichten. "Da haben Sie nichts verloren", flehte er die Medienvertreter an. "Arbeit kann ihm helfen zu verarbeiten, wenn er sie nicht nutzt, um zu verdrängen", meinen Experten.

Ob und wann die psychisch angeschlagene Renate Wallert ihre Stunden als Flötenlehrerin wieder aufnimmt, ist ungewiss. Die Zeit seit der Rückkehr Werner Wallerts hatte das Ehepaar bei Freunden in der Nähe von Duderstadt verbracht. Dort lebte, versteckt vor den Medien, auch Frau Wallert, die bereits am 17. Juli als erste der europäischen Geiseln freigelassen worden war. Beide hatten sich nach ihrer Ankunft in Göttingen jeweils heimlich aus der Universitätsklinik schleusen lassen.

Jetzt fassten sie den Mut, in ihr Haus zurückzukehren - und nach den wenigen Sätzen und freundlichen Blicken in die Objektive war alles vorbei.

(RPO Archiv)
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