Düsseldorf Echsen suchen ein Zuhause
Düsseldorf · Der Deutsche Tierschutzbund hat nach einer Befragung seiner Vereine hochgerechnet, dass sie insgesamt rund 30 000 Reptilien in den vergangenen fünf Jahren aufnehmen mussten. Viele Tierheime sind dem jedoch nicht gewachsen.
Uwe Ringelhan will demnächst anbauen. 600 Schlangen, Echsen, Schildkröten und andere Reptilien haben seine Mitarbeiter innerhalb eines Jahres aufgenommen. Ringelhan ist Geschäftsführer der gemeinnützigen RAS-Zoo GmbH in Rheinberg und Sontra und betreibt neben den Zoos die Reptilienauffangstation für die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Hessen. Der Ansturm auf die Station ist erst neuerdings derart gewachsen. "In den Jahren vorher waren es meist um die 120 Tiere pro Jahr", sagt Ringelhan. Besonders oft abgegeben wird: "Alles, was man täglich füttern muss, wie zum Beispiel Bartagamen."
Die Reptilien werden in die Station gebracht, weil viele Tierheime nicht auf die Exoten ausgerichtet sind. Dreiviertel der Tierheime, die an den Deutschen Tierschutzbund angeschlossen sind, mussten in den vergangenen fünf Jahren hochgerechnet 30 000 Reptilien aufnehmen. Das teilt der Tierschutzbund nach einer Befragung seiner Ortsvereine mit. 31 Prozent der angefragten Vereine nahmen an der Befragung teil. Der Tierschutzbund führt eine gestiegene Zahl an Reptilien in den Heimen darauf zurück, dass exotische Tiere auf Tierbörsen einfach und günstig zu haben seien.
539 000 Reptilien kamen im Jahr 2012 am Frankfurter Flughafen an, wie Uwe Ringelhan berichtet. Von dort aus würden sie in das gesamte EU-Gebiet weitertransportiert. "Mehr als zwei Drittel davon landen wieder auf dem deutschen Markt", sagt der Experte. Darunter sind auch gefährliche Tiere: Giftschlangen zum Beispiel. Gerade wenn es um gefährliche Tiere geht oder solche, die unter Artenschutz stehen, ist die Vermittlung schwierig. "Manche Halter kaufen sich diese Tiere als eine Art Statussymbol", meint Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund. Die Gabunviper, eine hochgiftige Schlange aus Afrika, gebe es oft für ein paar Hundert Euro. Aber auch harmlose Tiere gingen auf Messen häufig über den Ladentisch: als Spontankauf.
31 Wasserschildkröten hat Helga Scheiberle von der Tierhilfe Goch allein im vergangenen Jahr aufgenommen. "Das fängt an, wenn es warm wird", sagt die Tierschützerin. "Dann merken die Besitzer, dass die Tiere die Seerosen im Teich anfressen oder auch schon mal die Goldfische." Der Verein ist eigentlich auf die klassischen Haustiere spezialisiert: Hunde, Katzen, Meerschweinchen, Kaninchen.
Mittlerweile hat sich Scheiberle viele Kenntnisse angeeignet, ein paar Terrarien angeschafft. Sie weiß, dass Bartagamen es gern trocken haben, Chamäleons aber schwül-warm. Scheiberle tauscht einmal in der Woche den Sand aus, übergießt die Stämme mit heißem Wasser, manchmal setzt sie neue Pflanzen, um die Hinterlassenschaften der Tiere richtig zu entfernen. "Es gibt viele Leute, die hierherkommen und ein Tier mitnehmen wollen, aber keine Ahnung von der Haltung haben", sagt die Tierschützerin. Zudem fielen Kosten an. Terrarien brauchen spezielle Lampen, damit die Tiere auch in den Wintermonaten genügend Licht bekommen. Die Reptilien fressen Lebendfutter, das man nicht in jedem Supermarkt kaufen kann.
"Es ist oft sehr schwer, die Tiere zu vermitteln, weil die künftigen Besitzer sich mit den Tieren auskennen müssen", bestätigt Stefanie Blank, Tierheimleiterin in Düren. Auch dort sehen sich die Mitarbeiter immer häufiger mit Exoten konfrontiert. Im vergangenen Jahr wurden zwei Boas vor dem Tierheim ausgesetzt. "Sie waren in einer Box mit der Aufschrift ,Zweimal Boa ungiftig'", berichtet Blank. Die Tiere waren mehr als zwei Meter lang.
Um die Haltung von Exoten in Nordrhein-Westfalen zu reglementieren, gibt es derzeit Beratungen innerhalb der NRW-Landesregierung. Es werde unter anderem diskutiert über eine Liste mit Tieren, die nicht gehalten werden dürfen und über eine mögliche Pflicht, exotische oder gefährliche Tiere bei den Behörden zu melden, hieß es aus Regierungskreisen. Ein Entwurf für das Gesetz wird noch in diesem Jahr erwartet.